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unserem Dorf und eignen ihr besondere Fähigkeiten zu, wie Klugheit, Wissensdurst, Schönheit und die Kampfkraft eines Kriegers? Die Antwort sehe ich jetzt ziemlich klar; weil dieses Mädchen für die Götter sehr wichtig ist. Was kann für drei, so unterschiedliche, Götter so wichtig sein?“

      Alvitur schwieg einen Moment und schaute fragend in die Runde.

      Wieder war es Sölvi, der mit seinem klaren Verstand das Rätsel löste. „Ragnarök?“, fragte er.

      „Ja, Ragnarök, und ein Mädchen, nein eine junge Frau aus unserem Dorf, beschützt von drei Göttern, soll versuchen, Ragnarök zu verhindern, so die Weissagung.“

      Geahnt hatten es fast alle, die in der Hütte saßen, aber nun hatte Alvitur es unwiderruflich ausgesprochen.

      Alvitur griff über den Tisch und nahm Thurids Hände in seine. Er schwieg nachdenklich, dann kamen ihm seine Worte bedeutungsschwer über die Lippen: „Seit heute bist du Thurid. Für mich ist damit auch der letzte Schleier gefallen. An deiner Seite stehen nicht nur mutige Leute aus unserem Dorf, nein, auch drei Götter und sie werden immer ihre Hände schützend über dich halten. Ich sagte, für mich sei auch der letzte Schleier gefallen. Damit meine ich auch eine ganz bestimmte Stelle in der Prophezeiung. Du und Falki, ihr werdet es nicht leicht haben. Ich denke …, aber nein, darüber reden wir viel später. Thurid, heute bitte ich dich, nimm dein Schicksal an. Es gibt niemanden sonst, der dieser Aufgabe gewachsen ist, sonst hätten die Götter dich nicht auserwählt und mit besonderen Gaben ausgestattet. Nimm dein Schicksal an, für dein ganzes Dorf, für dein Volk, für unsere Welt, so wie wir sie kennen und lieben, denn unsere Welt ist in großer Gefahr. Ich glaube inzwischen, dass genau das mit Ragnarök gemeint ist.“

      Alvitur lehnte sich nachdenklich nach hinten und schloss sein Auge, dann fuhr er fort: „Thurid, in den nächsten Jahren wird deine wichtigste Aufgabe sein, zu lernen, z.B. einen gebrochenen Arm zu versorgen und mit dem Kräutern so umzugehen, wie es Fifilla kann.“

      Thurid schaute versonnen in das kleine Öllämpchen auf dem Tisch, und ohne dass sie drüber nachdachte, was sie sagte, kam es über ihre Lippen: „Ja Djarfur, ja Kylikki, ich glaube, ich habe es verstanden.“

      Diesmal war Alvitur etwas überrascht und schaute Fifilla an.

      Fifilla lächelte und strich über Alviturs Hand.

      „Ja, Alvi, ich habe ihr von damals erzählt.“

      Alvitur nickte und sagte: „Niemals hätte ich je geglaubt, dass ich so ein Bündnis erleben oder gar es zusammenschmieden würde.

      Sölvi, hole mal bitte die anderen rein.“

      Sölvi stand auf und brauchte nur die Tür aufmachen, da kamen schon Falki und Alfger herein.

      Sie standen da, schauten mit fragenden Blicken in die Runde. Sie wussten beide nicht so recht, warum Sölvi ihnen gesagt hatte, dass sie auch herkommen sollten.

      „Setzt euch“, sagte Alvitur kurz, und als die beiden Jungen saßen fragte er sie nach dem, was sie von ihrem Schicksal im Zusammenhang mit Thurid wussten.

      Beide erzählten, was sie schon wussten und Alvitur erklärte ihnen die restlichen Zusammenhänge in knappen Sätzen.

      Die beiden jungen Männer lauschten mit offenen Mündern und ihre Blicke pendelten zwischen Alvitur und Thurid hin und her.

      „Es ist schon komisch, aber irgendwie ist das alles Vorhersehung“, und er bückte sich zu einer Truhe, die am Boden stand.

      Er öffnete sie und stellte fünf Kelche auf den Tisch, die noch niemand hier im Dorf gesehen hatte. Selbst Fifilla schaute die Kelche mit großen Augen neugierig an und flüsterte andächtig: „Die sind aber schön.“

      „Sölvi bringe mal bitte den kleinen, blauen Krug von hinten her. Dort wo die anderen Weinkrüge stehen.“

      Sölvi war sofort wieder zurück und stellte den gewünschten Krug auf den Tisch.

      Alvitur entfernte den Wachsverschluss und deutete auf den Krug: „Das ist ein sehr alter Wein und ich habe ihn für einen besonderen Anlass aufgehoben. Manchmal glaubte ich, dass er hier auf ewig verstauben würde. Ich denke, dass wir heute, mit diesem Bündnis, einen besonderen Anlass haben, der dieses Weines würdig ist.“

      Alvitur schob Thurid und den Jungen je einen dieser Kelche zu.

      „Sölvi, reiche uns doch noch zwei von den anderen Weinbechern und dann gieß’ bitte ein.“

      Mit gespannten Gesichtern verfolgten alle am Tisch, wie Sölvi den Wein eingoss. Man sah, dass es kein Apfelwein war, denn er leuchtete in einem sehr dunklen rot.

      Alvitur fuhr fort: „Nehmt eure Becher“ – und er erhob seine Stimme, wie bei einer großen Zeremonie: „Odin, Freyja und Thor, schaut auf uns. Wir lehren diesen Becher auf euch und auf dieses Bündnis. Wir schwören unser Leben für diese Aufgabe zu geben und einander auch in den schwersten Stunden beizustehen, damit unsere und eure Welt erhalten bleibt.

      Trinkt!“

      Die Runde am Tisch antwortete: „So sei es.“

       ANDREAS

      Skyggi saß auf einer Tischecke und äugte nach einem leckeren Bröckchen, oder nach einer Hand, die ihn füttern könnte. Er war immer hungrig und stibitzte Futter, wo es nur ging.

      Die Mutter und Thurid schienen ihn jedoch überhaupt nicht sehen und kratzten mit ihren Löffeln in den Breischüsseln herum.

      Skyggi wollte aber Aufmerksamkeit und so begann er, sich durch eine Vielzahl von Tönen bemerkbar zu machen. Seine Bemühungen blieben erfolglos, sie schauten ihn einfach nicht an.

      Er hielt den Kopf auf seine, ihm eigene Art, mal nach links, mal nach rechts und macht, kehlige Laute. Plötzlich tönte es mit tiefer Stimme aus seinem Schnabel: „Hilda.“

      Die Mutter ließ vor Schreck ihren Löffel in ihren Brei fallen und schaut Thurid entgeistert an und Thurid riss überrascht die Augen auf. „Raben können ja doch sprechen, wie in den alten Geschichten.“

      „Na du bist witzig“, schnaufte Mutter Hilda, „du hast es doch eben gerade gehört. Außerdem kennst du ja die Geschichten von Odins Raben; wenn die nicht sprechen könnten, würde Odin von ihnen ja auch keine Neuigkeiten aus der Welt erfahren.“

      Thurid lachte immer noch. „Aber toll ist es doch, dass Skyggi jetzt sprechen kann. Vielleicht kann ich ihm noch ein paar andere Worte beibringen und mich mit ihm unterhalten.“

      Mit einem etwas traurigem Unterton fügt sie dann hinzu: „Vielleicht vermisse ich dann Vater und Falki nicht mehr so sehr, wenn sie so lange auf Fahrt sind.“

      Mutter Hilda nickte zustimmen. „Ja, ich vermisse sie auch beide, aber da sind wir nicht die Einzigen. Gerda vermisst ihren Feykir und Aldis ihren Hervar. Aber Ernir hat gesagt, dass sie nicht sehr lange unterwegs sein würden. Er wollte auf jeden Fall zur Apfelernte wieder hier sein.“

      Die Mutter stützte das Kinn in ihre Hände und fuhr in tröstlichem Ton fort: „Haithabu ist ja nun auch nicht unendlich weit weg.“

      Sie stützte ihr Kinn in die Hand und sagte etwas nachdenklich: „Ich rechne eigentlich schon seit ein paar Tagen mit ihrer Heimkehr.

      Falki war bestimmt überglücklich, dass er mitfahren durfte. Es ist ja schließlich seine erste größere Fahrt und für ihn bestimmt ein richtiges Abenteuer. Na ja, er wird langsam groß; ein junger Mann ist er inzwischen geworden. Da kann man nichts gegen machen. Das ist ja wohl auch gut so.“

      Sie stieß Thurid leicht an und meinte: „Jetzt führe ich schon Selbstgespräche?“

      „Nein Mama, ich höre dir doch zu und verstehe dich auch, aber wenn Skyggi jetzt immer mit uns redet, fühlen wir uns bestimmt nicht mehr so verlassen. Stimmt’s, Skyggi?“

      Thurid kraulte den Raben etwas unter der Kehle und ermuntert ihn: „Sag noch mal

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