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Antisthenes verneigt hatte. Dieser jedoch zog sich in eine dunkle Ecke auf der Kommandobrücke zurück, um die um ihn herum arbeitenden Männer still zu beobachten. Heute vermied er es wieder einmal, allzu viel mit dem Flottenpersonal oder den Legionsoffizieren zu sprechen. Er wurde nicht gemocht, dachte Antisthenes. Nicht einmal von Legatus Bnan, den er selbst für brutal, einfältig und unfähig hielt.

      „Sobos und seine Lügenmärchen!“, flüsterte er sich selbst zu und stieß ein verächtliches Zischen aus.

      Der Imperator und seine Getreuen schickten eine gewaltige Streitmacht mit einer Fülle von Lügen im Gepäck hinaus ins All. Der gewöhnliche Legionär und kleine Flottenbedienstete glaubte, dass das Proxima Centauri System von wütenden Anaureaneraufständen und dem immer größer werdenden Terror der UPC in Atem gehalten würde, doch Antisthenes wusste, dass es in Wirklichkeit nur darum ging, Aswin Leukos zu finden und auszuschalten.

      Lediglich der Oberstrategos und die hohen Flottenoffiziere kannten die wahren Gründe dieses irrsinnigen Militäreinsatzes, und natürlich mussten sie schweigen. Die Legionäre hingegen waren bis zu den Haarspitzen mit der Kriegspropaganda aus den Simulations-Transmittern vollgepumpt worden. Es würde einiger guter Ausreden bedürfen, um sie gegen Leukos und seine Soldaten zu schicken, falls diese überhaupt noch existierten. Aber auch hier hatten Sobos und seine Optimaten im Vorfeld eine Reihe recht glaubhafter Geschichten erfunden, die eine Änderung der Befehle rechtfertigten.

      „Der Lügenkaiser …“, brummte Antisthenes, wobei er ein Kopfschütteln folgen ließ. Anschließend ging er die Kommandobrücke herunter und verschwand in einem der Aufzüge. Plötzlich hatte der Oberstrategos das dringende Bedürfnis, in sein Schlafgemach zu gehen, um nachzudenken. Er wollte darüber sinnieren, welche Rolle er in diesem Intrigenspiel zu spielen hatte.

      Die schäbige Bar im Stadtzentrum von Lethon leerte sich allmählich. Kleitos und Zenturio Sachs aber wollten noch bleiben. Seit dem thracanischen Bürgerkrieg und den damit verbundenen Hungerkrisen gab es nur noch selten Bier zu trinken, meistens musste man billig hergestellten Fusel in sich hineinkippen, wenn man betrunken sein wollte. Aber damit hatten die meisten Legionäre schon lange kein Problem mehr.

      „Ich kenne einen Optio von der 1005. Legion, der richtig geil auf ungoldene Huren ist. Damals, als ich noch auf Terra meinen Dienst verrichtet habe, flog der Kerl ständig mit dem Gleiter in irgendwelche Slumstädte, um sich durch die Gegend … du weißt schon …“, flüsterte Sachs, um dann an einem Schnapsgläschen zu nippen.

      „Da holt man sich doch nur was“, meinte Kleitos.

      „Der Kerl war eh durchgeknallt. Aber hier in Lethon haben sie ganz hübsche Freudenmädchen, auch wenn man verdrängen sollte, dass da schon ganze Kohorten rübergerutscht sind“, bemerkte der Zenturio.

      „Lass das nicht Flavius hören, der ist doch jetzt ganz brav und vernünftig geworden.“ Jarostow goss sich noch etwas synthetischen Schnaps ein.

      „Wenn ich so eine süße Kleine wie Eugenia hätte, würde ich ihr auch treu bleiben. Daran ist nichts auszusetzen, Junge“, brummte Sachs.

      Kleitos, der dem muskelbepackten Veteran inzwischen zu einem guten Kumpan geworden war, starrte nachdenklich auf die hellgraue Tischplatte. Für einen Moment schwieg er, was Manilus Sachs nachfragen ließ.

      „Was bedrückt dich denn? Hast du Angst?“, wollte der Zenturio wissen.

      Jarostow nickte wortlos. Dann antwortete er: „Wir haben diesen furchtbaren Bürgerkrieg überlebt, um jetzt in den fast sicheren Tod zu gehen. Ja, ich habe Angst. Und sage mir nicht, dass du völlig furchtlos bist. Nur ein Roboter ohne Verstand würde sich keine Sorgen machen.“

      „Ja, ich habe auch Angst, aber was soll’s …“, meinte Sachs.

      „Am liebsten würde ich mich einfach in Luft auflösen. Diese Mission auf dem Mars ist der pure Wahnsinn. Flavius hat mir bereits alles erzählt. Ich würde lieber bei den anderen Legionären mitkämpfen, als daran teilnehmen zu müssen.“

      „Aber du bist ein Soldat der 562. Legion. Also bist du bei uns“, erwiderte Manilus und wirkte ein wenig verdutzt, da Kleitos sichtlich dagegen ankämpfte, in Tränen auszubrechen. Sein Atmen wurde immer lauter und mühsamer, während die Farbe nach und nach aus seinem Gesicht wich.

      „Du hast Colod überlebt, Jarostow. Also wirst du auch diesen Mist auf dem Mars überleben. Hier, trink noch was.“ Sachs füllte Kleitos Schnapsgläschen und versuchte zu lächeln.

      „Colod! Das war nur Glück! Bisher hatte ich einfach nur Glück. Aber ich bin kein Berufssoldat, ich habe mich niemals freiwillig zur Armee gemeldet. Man hat mich einfach eingezogen, als Kanonenfutter für diesen idiotischen Thracanfeldzug. Damals hatte ich kein Glück – und ich werde auch in Zukunft keines mehr haben. Diesmal gehe ich drauf, Manilus, ich fühle es“, jammerte der Legionär aus Wittborg.

      „Was soll ich denn jetzt tun? Glaubst du vielleicht, dass mir die Sache Spaß machen wird?“, meinte Sachs.

      „Keine Ahnung!“, stieß sein jüngerer Freund aus, wobei ihm eine Träne über die Wange lief. Beschämt wischte er sie weg und starrte weiter auf die Tischplatte.

      „Jetzt trink noch was, Kleitos! Dann kommst du wieder runter!“, sagte der Zenturio.

      „Scheiß drauf!“, rief Jarostow verzweifelt.

      „Was erwartest du denn von mir, Junge?“

      „Kannst du mich nicht einer anderen Truppe zuteilen? Ich meine, das wäre …“, kam zurück. Dann leerte Kleitos sein Glas mit einem einzigen Zug und goss sich sofort wieder etwas ein. Sachs sah ihn mit ernstem Blick an.

      „Eigentlich geht das nicht. Was ist mit Flavius? Willst du ihn die Mission allein erledigen lassen?“

      „Er wird wohl kaum allein sein, wenn der Rest der 562. Legion dabei ist, oder?“

      Manilus seufzte leise. „Willst du lieber eine Raumschlacht mitmachen? Du weißt doch, dass du diesem Krieg nicht entkommen kannst. Leider sind wir noch immer mittendrin. Ich wünschte, ich könnte das ändern.“

      „Die Wahrscheinlichkeit zu überleben ist größer, wenn ich einer anderen Truppe zugeteilt werde. Das hoffe ich jedenfalls. Manilus, ich will nur noch irgendwie durchkommen. So gut wie alle Rekruten, die sie damals eingezogen haben, sind inzwischen gefallen. Ich habe meine Pflicht längst erfüllt und bin auch kein Berufssoldat des Imperiums. Verflucht, ich bin nur ein einfacher Kerl, der endlich nach Hause will“, sagte Kleitos.

      „Und jetzt hoffst du, dass ich eine Ausnahme mache, weil wir uns so gut kennen, nicht wahr? Du weißt ja, dass ich dich gut leiden kann, Jarostow. Bist ein netter und aufrichtiger Bursche, auf jeden Fall.“

      „Bitte! Erfülle mir diesen Wunsch!“, flehte Kleitos den hünenhaften Zenturio an.

      „Du hast verdammtes Glück, dass du mich kennst und ich dich wirklich mag, Junge“, knurrte Sachs, um daraufhin kurz zu lächeln. Die Miene seines Gegenübers erhellte sich im gleichen Augenblick schlagartig.

      „Ich will sehen, was ich tun kann. Aber glaube nicht, dass dir das Kämpfen erspart bleiben wird. Vielleicht erwartet dich eine Raumschlacht oder Schlimmeres. Spätestens auf dem Mars, vorausgesetzt es klappt alles so, wie es sich Leukos ausmalt, wird es rund gehen. Dann gibt es kein Entkommen mehr, für keinen von uns“, erklärte Manilus düster. Kleitos nickte zustimmend und wirkte zugleich ein wenig gelöster.

      „Und jetzt trinken wir noch einen und unterhalten uns über schönere Dinge“, sagte Sachs. Daraufhin bestellte er eine weitere Flasche synthetischen Schnaps, denn der Abend sollte noch lang werden.

      Aswin Leukos, Magnus Shivas und der dronische Botschafter spazierten durch den weitläufigen Park, der sich hinter dem Statthalterpalast ausdehnte. Sie unterhielten sich angeregt; manchmal wurden die Stimmen laut. Vor allem Leukos hatte Mühe, sachlich zu bleiben.

      „Verzeiht mir, ehrenwerte Herren, und fasst meine Aussage bitte nicht als Provokation auf, aber man sagt auf Dron über das Goldene Reich, dass es seine Glanzzeiten längst hinter sich

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