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ein auf Abwege führender Irrtum ist.

      Zweitens: Unter dem Druck einer Gruppe, zu der man gehören möchte, aber nur gehören kann, wenn man Phänomene erlebt und aufweist wie die oben geschilderten, entstehen entweder tatsächlich solche Phänomene – oder dann, wenn man erkennen muss, dass sie ausbleiben und man beim besten Willen nichts Entsprechendes fühlt, werden sie notgedrungen vorgetäuscht, um nicht mit Liebesentzug bestraft oder gar aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden. Ereignungen, die diesen Hintergrund haben, sind schwerlich Ereignungen der Geist Gottes. Dieser Weg ist ein auf die Dauer die Seele in Bedrängnis bringender Irrweg. Davon im Folgenden mehr.

      Drittens: Sieht sich ein Mensch aber dauernd gezwungen, die von ihm und bei ihm erwarteten, aber zu seinem Leidwesen eben ausbleibenden Phänomene immer wieder vorzutäuschen, so stellt sich irgend einmal Frustration ein. Die Betroffenen sehen sich als unwert, als von Gott verworfen, als Versager; sie verzweifeln schliesslich an sich selbst. Am Schluss dieser Entwicklung kann die totale und endgültige Abkehr von Gott stehen.

      Jesus Christus hat sich Ereignungen der Heiligen Geist offenbar nicht so spektakulär vorgestellt wie dies in der Pfingstgeschichte der Apostelgeschichte des Lukas geschildert wird. Er stellte sie sich nach der biblischen Überlieferung als stetiges, verlässliches, nachhaltiges, oft unmerkliches Wirken vor (so lese ich etwa Johannes 3,34). Heilige Geist war für ihn Geist der Wahrheit (Johannes 14,17). Sie ereignet sich also schlicht da, wo Menschen die Wahrheit Gottes und seines Christus erkennen und wo sie demzufolge ehrlich, redlich und wahrhaftig sind und entsprechend miteinander umgehen (also mit Paulus zu sagen: als Geist der Liebe, 1. Korinther 4,21). Als Ereignis der Geist Gottes galt es Jesus, wenn den Seinen das richtige Wort und Verhalten zur rechten Zeit in den Sinn käme (auch so dürfe man, denke ich, etwa Matthäus 10,20 lesen). Ihm war Heilige Geist Tröster (Johannes 14,26 u.ö.), Mittler. Wenn also ein Mensch in schier hoffnungsloser Lage zuversichtlich bleibt, wenn Trauernde schliesslich getröstet sind, wenn Menschen spontan und für sie selbst unerwartet tröstlich wirken, dann ist das für Jesus Christus Ereignung der Geist Gottes. In ganz stillen, unspektakulären Geschehnissen also ereignet sich ihm und erwartet er das Wirken der Geist Gottes. Ähnlich sieht es der Apostel Paulus1, der ausführlicher als Jesus Christus über die Geist Gottes gehandelt hat. Auch Funktionen, die er der Geist zugeschrieben hat, sind in den nachfolgenden Geschichten zu orten. Wenn wir es ebenso sehen wie Jesus Christus und sein Apostel Paulus, dann ist es mit der verzerrten Sichtweise und Erwartungshaltung im Bezug auf die Geist Gottes endlich aus. Die Gefahr enttäuschter Erwartungen wird reduziert. Die Freude an Gott, an Gottes Geist, ist damit programmiert. Denn wir werden nun vielfältige Ereignungen Gottes in unserem Leben erkennen. Auch wenn unsere Freude dann immer noch nicht vollkommen sein sollte, so wird sie doch spürbar und tragend sein.

      Von unspektakulären Ereignungen, die sehr wohl Wirkungen der Geist Gottes sein könnten, handeln also die Geschichten dieses Buches. Bei der Mehrheit dieser Geschichten handelt es sich um meine eigenen Erlebnisse. Ein kleinerer Teil gibt Erlebnisse anderer Menschen wieder, die mir diese erzählt haben. Ich weiss dabei im Einzelnen nicht mehr, um wen es sich dabei handelt, kann also die Quelle nicht nennen. Die Geschichten sind mir einfach eindrücklich gewesen und somit im Gedächtnis haften geblieben. Einmal erzähle ich auch eine unter Theologen sehr bekannte und im Umlauf befindliche Anekdote (22, S. 116f). Ich habe die Geschichten in jedem Fall verfremdet, um die Identität der Erzähler und des „Personals“ dieser Geschichten nicht preiszugeben. So habe ich Namen und Schauplätze verändert. Wo ich einen Namen nicht verändert habe, habe ich ihn einem anderen Schauplatz zugeordnet, in einen anderen „Rahmen“ gesteckt (mit zwei Ausnahmen, die ausdrücklich angemerkt sind!). Manchmal habe ich auch verschiedene Charaktere und Ereignisse zu einer einzigen Geschichte verwoben. Und nicht überall, wo, wie man so sagt, „’Ich’ draufsteht“, bin ich selbst drin, während wo ‚Er’ oder sogar ‚Sie’ „draufsteht“, eigentlich ich selbst drin bin. Aber bei all dem gilt doch: Die Figuren meiner Geschichten sind verfremdet, aber nicht verfälscht. Ich habe die Geschichten durchkonstruiert, aber nicht frei erfunden. Die für mein Thema entscheidenden Teile hat immer das Leben selbst geschrieben.

      Beim kleinsten Teil meiner Geschichten handelt es sich um solche, die ich mir – den Auffassungen Jesu Christi und des Apostels Paulus über das Wirken der Geist Gottes angepasst und ihnen entsprechend – ausgedacht habe. Dennoch sind auch diese Geschichten nicht einfach frei erfunden. Denn auch sie ranken sich um einen Tatsachenkern herum. Sie sind konstruiert, aber um einen wahren Kern herum konstruiert.

      Sie, liebe Leserin, lieber Leser, werden, vermute ich, beim Lesen wahrscheinlich jeder Erzählung denken: „Ja, so etwas könnte tatsächlich so oder ähnlich geschehen sein oder geschehen; das ist absolut vorstellbar“. Und ebenso wahrscheinlich werden Sie bei der einen oder anderen Geschichte erkennen: „Ja, von Solchem oder Ähnlichem habe ich auch schon gehört!“ Oder gar: „Ja, das ist mir selbst so oder ähnlich auch schon passiert.“ Das hiesse dann: Auch Sie haben schon Erlebnisse gehabt, die sehr wohl tatsächlich eine Erfahrung mit der Geist Gottes gewesen sein könnten. Und das, obschon Sie kein Pfarrer sind. Denn dass die Exponenten meiner Geschichten meistens Pfarrer sind, ist ein Zufall bzw. hat mit mir und meinem Umfeld zu tun. Keineswegs ist es so, dass derlei Geschichten nur oder auch nur vorwiegend Pfarrern geschehen würden.

      Es könnte sich also in den vorliegenden Erzählungen wirklich sehr wohl um tatsächliche Erfahrungen mit der Geist Gottes handeln. Garantiert ist das freilich nicht. Darum sage ich im Untertitel dieses Buches (siehe S. 3) statt „So ist es. Punkt!“ nur: „könnte“. Allerdings auch „sehr wohl“ und „tatsächlich“, was die Sache schon bestimmter macht; ich bin ziemlich überzeugt davon. Mir ist freilich bewusst, dass Menschen, die in den geschilderten Ereignissen nicht die Geist Gottes am Werke sehen und sie anders deuten, geneigt sein könnten, mir entgegenzuhalten, wenn ich in diesen Geschichten die Geist Gottes orte, dann höre ich nur das Gras wachsen und die Flöhe husten. Müssten jene, die das meinen, dann aber nicht wenigstens redlicherweise einräumen, dass es genauso gut möglich sein könnte, dass sie den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen? Man kann das, was ich in den folgenden Kapiteln schildere, hirnphysiologisch erklären und deuten – oder schlicht den Zufall als Erklärung anführen. Aber ist das zwingend? Ich denke nicht. Genau so gut, mit gleichem Recht, kann man deuten und erklären wie ich: Heilige Geist könnte sich in den geschilderten Ereignissen manifestiert haben. Eine, wie ich finde, überaus ermutigende Erklärung und Deutung.

       So, und nun lesen Sie bitte diese Geschichten. Und entscheiden Sie dann selbst, ob diese „randvoll mit Himmel“ seien und ob es sich bei ihnen jeweils um einen „gewöhnlichen Dornbusch“ handle, in dem „Gott brennt“, oder nicht. Wenn Sie befinden: eher ja als nicht, dann wird es darum gehen, ob Sie „drum herum sitzen und Brombeeren pflücken“ oder aber … Ihre „Schuhe ausziehen“ … Ich denke, Sie wissen, was ich damit meine!

      Hilterfingen am 11. September 2013

Achtundzwanzig Geschichten zur Heiligen Geist

       Die Namen in dieser Geschichte sind nicht verändert worden. Und der Ich-Erzähler bin wirklich ich selbst.

      Es ist mal wieder soweit. Das Schreiben der Predigt will nicht gelingen. Wieder einmal, wie schon so oft, ist es eine mühsame Angelegenheit. Es geht und geht nicht vorwärts. Halbstundenlang passiert nichts als dass ich grübelnd auf das leere Blatt Papier starre, das in meiner kleinen Reiseschreibmaschine steckt. Und wenn es doch einmal vorwärtsgeht und ich unüberzeugt und quälend harzig ein paar Buchstaben auf die jungfräuliche Seite hämmere, so

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