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meldete sich der Wecker bei ihr. Sie wollte gern noch weiterschlafen, doch dann begriff sie, dass sie ihr geliebtes Bett verlassen musste.

      Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie ihren schweren Kopf. Schnell ging sie zum Kühlschrank und trank eine Flasche Wasser.

      Der Alkohol vom letzten Abend machte sich bemerkbar und sie schluckte eine Aspirin-Tablette. Susi war kotzübel, völlig verkatert nahm sie sich vor, niemals mehr so viel zu trinken, schon gar nicht, wenn sie am darauffolgenden Tag arbeiten musste.

      Mutz stand pünktlich acht Uhr morgens an der Tür.

      Sie gab sich sehr freundlich und begrüßte ihn wie einen Gott. Er fühlte sich geschmeichelt und stieg zu ihr ins Auto.

      Zu aller Vorsicht hatte sie ihren Mund mit Pfefferminzbonbons gefüllt, denn er sollte keinesfalls ihre Alkoholfahne wahrnehmen und Kaugummi war im Dienst nicht erlaubt – ganz klar!

      Viel Make-up hatte sie aufgetragen, um die Spuren vom letzten Abend zu vertuschen.

      Der Tag war sehr anstrengend für Susi. Mutz sprach die ganze Zeit über kaum ein Wort.

      „Tun Sie so, als wäre ich nicht da!“ wiederholte er ständig. Sie dachte: ‚Das wäre mir auch viel lieber, Du Arsch!‘ Dieses sinnlose Schleimen vor diesem Kotzbrocken ging ihr schon lange auf die Nerven, aber nun war es extrem geworden und sie musste sich verdammt zusammenreißen, um nicht zu explodieren. Sie hatte es satt, auf diese Art und Weise ihr Geld zu verdienen.

      Von einer Praxis fuhren sie zur nächsten und die Zeit blieb beinahe stehen. Wenn Susi allein unterwegs war, verging der Tag dagegen wie im Flug. Schließlich forderte er sie auf, mit ihm in ein Cafe zu gehen, um über ihre Umsatzzahlen sprechen zu können.

      Nun erwartete sie den allerschlimmsten Teil des Tages, das wusste sie nur zu gut.

      Also begann er mit seiner Predigt: „Ja, Frau Reuther, in Ihrem Gebiet sind die Verkaufsergebnisse nicht zufriedenstellend. Wissen Sie, eigentlich müsste ich Sie entlassen!“ und schaute sie fragend an. Susi traute ihren Ohren nicht.

      ‚Das darf nicht wahr sein‘ dachte sie ‚ich verliere meinen Job!?‘ Fassungslos sah sie ihn an, es herrschte Stillschweigen. Völlig geschockt saß ihr der Schreck in allen Gliedern.

      Bis Mutz dann endlich wieder begann: „Okay, Frau Reuther, eine letzte Chance gebe ich Ihnen noch! Doch Sie müssen mehr Eigeninitiative zeigen und verantwortungsbewusster mit dem Ärztepotenzial umgehen. Werden Sie sich endlich mal bewusst, welche Position Sie in unserem Unternehmen einnehmen! Sie vertreten unsere Firma an der Basis und Sie können unseren Umsatz stark beeinflussen. Ich erwarte Fleiß, Einsatz und Zielstrebigkeit von Ihnen. Denken Sie nach und kommende Woche möchte ich nochmal mit Ihnen darüber sprechen, dann sehen wir weiter. Klar? Noch Fragen?“

      Susi wirkte niedergeschlagen und antwortete kaum hörbar: „Okay, Herr Mutz!“

      Daraufhin trennten sich ihre Wege.

      Mit allen hatte sie gerechnet, aber damit …? Sie verabscheute diese direkte Art von Mutz. Ihre letzte Chance musste sie nutzen, nur wie? Was könnte sie tun, um den Umsatz zu steigern? Oder sollte sie sich eher nach einem anderen Job umsehen? Immerhin hatte sie schon lange die Lust an dieser Schinderei verloren.

      Auf alle diese Fragen fand Susi wieder keine Antworten, genauso im privaten Bereich wusste sie nicht, wie es weitergehen sollte. Was war nur los mit ihr?

      Um aus diesem Loch rauszukommen, musste sie etwas tun. ‚Positiv Denken‘ hieß das Buch, welches sie sich zulegte und mit großer Begeisterung las. Von jetzt an wollte Susi nicht mehr negativ sein. Also, der Herr Mutz ist gar nicht so unfair zu ihr gewesen, schließlich hätte er sie schon lange aus der Firma schmeißen können.

      Ihre Arbeit hatte viele Vorteile und ihr Einkommen konnte sich wirklich sehen lassen. Sie sollte mehr als zufrieden sein.

      Susi ergriff das dringende Bedürfnis, sich jemanden anzuvertrauen. Daher beschloss sie, ihre Freundin Imke anzurufen, die stets ein offenes Ohr für sie hatte.

      Imke war ihr persönlicher Mülleimer. Stets musste sie Susis Leben analysieren, und allen Abfall in sich reinschlucken. Von daher konnte man sie als ihren Psychiater betrachten.

      Also rief sie sie an, und schilderte ihre Sorgen in allen Einzelheiten. Imke war stets ein guter Zuhörer und schlug vor, gemeinsam in eine Kneipe zu gehen. Ebenso alt wie Susi, lebte auch sie allein und kinderlos. Sie sah toll aus und trug ihr langes, lockiges Haar meist offen, welches von Natur aus blond war. Im ständigem Wechsel, was Haarfarbe und Liebhaber angingen, war sie für alles Neue offen und damit eine ausgeflippte Type. Imke hatte – im Gegensatz zu Susi – schon viele Männer vernascht. Immer hübsch einen nach dem anderen, denn sie hielt es nie lange bei ein und demselben aus. Ohne jegliches Tabu, wenn es nur aufregend genug war. Gelegentlich schlief sie mit Frauen, liebte Gruppensex oder feierte Orgien bei fragwürdigen Gastgebern! Wirklich alles hatte sie schon ausprobiert. Sie arbeitete in der Pathologie, sprach aber niemals darüber, trennte stets Beruf und Privatleben voneinander.

      Susi und Imke konnten unterschiedlicher nicht sein.

      Beide kannten sich seit der Schulzeit, waren gute Freundinnen geblieben, auch wenn sie mal monatelang nichts voneinander hörten, diese Freundschaft hielt Stand und war somit etwas ganz Besonderes. Beide trafen sich vor einer kleinen, gemütlichen Eckkneipe in der Innenstadt, in der Imke ab und zu versackte.

      Die restaurierte Fassade schillerte in verschiedenen Farben, stilvoll präsentierten sich viele bunte Blumen und belagerten üppig die Fensterbänke. Über dem Eingang des Lokals hing ein altes, eisernes Logo. Es zeigte eine Straßenlaterne mit einem daneben liegenden (wahrscheinlich besoffenen) Kerl und den Namenszug: Zum Penner!

      Aus der offen stehenden Tür plättscherte Musik aus den 70er Jahren, die beide sehr liebten und an die Jugendzeit erinnerte.

      Während sie an der Bar miteinander plauderten, füllte sich die Kneipe mehr und mehr mit Männern. In ganzen Scharen stolperten diese herein. Plötzlich bekamen die Frauen vom Wirt ein Glas Sekt vor die Nase gestellt, mit der Bemerkung: „Von dem Herrn da gegenüber, bitte!“ Beide erschraken förmlich, guckten sich verwundert an und kicherten zusammen, wie schon lange nicht mehr.

      Sie erhoben die Gläser und an der anderen Seite der Bar hielt ein großer, starker Kerl mit schwarzen Locken seinen Kelch in die Luft. Er prostete den Damen zu, und schien etwas zu sagen, doch bei dem Lärm war nichts zu verstehen. Die Beatles im Radio gaben noch ihren Teil dazu. Hier war scheinbar ein Männerabend angelaufen.

      Dies realisierten die beiden, schauten sich in der Runde um, und lachten drauf los.

      Alle Ängste schienen verflogen und der Alkohol stimmte sie fröhlich. Sie amüsierten sich köstlich und kicherten immerzu, fast so wie früher, wenn sie zusammen etwas ausgefressen hatten und dabei erwischt wurden. Plötzlich sagte Imke: „Wo sind wir hier, vielleicht im Klub der einsamen Herzen?“

      Susi hielt sich die Hand vor den Mund und schüttelte mit dem Kopf vor Lachen. Tränen rollten über ihr Gesicht.

      Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal so lustig war. Imke hatte in der Menge einen interessanten Mann entdeckt. Er musste so um die Fünfzig sein und erwiderte, mit offenbar großem Interesse, ihre Blicke.

      Susi bemerkte dies sofort: „Naaaa, brauchbares Material gefunden?“ Imke erwiderte spontan: „Ja, es scheint so! Was meinst Du, ob das was für mich ist?“

      „Er sieht sehr gut aus, könnte mir auch zusagen!“ so Susi. „Meine Fantasie flüstert mir, dass er ein Tiger im Bett ist. Da er meine Entdeckung ist, habe ich die älteren Rechte. Aber Du kannst ihn gerne kriegen, wenn ich ihn satt habe, sprich: vielleicht schon morgen, hihihi!“ kicherte Imke.

      „Du wirst Dich auch nie ändern, Imke. Die armen Kerle!“ lachte sie. „Alle Männer benutzen ihre Frauen und später werden sie einfach gegen eine andere ausgetauscht. Findest Du das fair? Ich zeige der Welt, dass es auch anders herum funktioniert. Einen Kerl verrückt zu machen, das finde ich cool und aufregend. Das Ende der Beziehung lege ich dann fest, indem er den Laufpass bekommt, bevor es

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