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Jimenez hat sofort nach ihrer Inhaftnahme verlangt, Anwalt Larivière zu verständigen.

      »Larivière kenne ich seit zwanzig Jahren. Er hatte schon windige Kontakte zur CIA, als ich noch beim FBI gearbeitet habe. Eine kleine Drogenkurierin, die sich bei Sonia Rykiel einkleidet und die Adresse eines CIA-Verbindungsmanns hat … Aber Larivière hat es offenbar abgelehnt, sich mit dem Fall zu befassen. Das war noch, bevor Sie aufgetaucht sind, Romero. Sehen wir uns die Mutter an.« Daquin überfliegt zwei Blätter. »Auch nicht schlecht. Vor einer Woche hatte sie Besuch von Maître Astagno, der erklärte, er sei ihr Anwalt. Kennen Sie Astagno?«

      »Natürlich.« Romero ist entschieden unwohl.

      »Gerissener Anwalt, Haus- und Hofverteidiger der Dealer, die wir in Frankreich dann und wann zu fassen kriegen. Hat letztes Jahr die Freilassung eines Schatzmeisters des Medellín-Kartells erwirkt, der Riesensummen auf neun Luxemburger Nummernkonten verwaltete. Es ließ sich offenbar nicht beweisen, dass das Geld unmittelbar aus Drogengeschäften stammte. Finden Sie es normal, dass Astagno sich für eine kolumbianische Dealer-Oma interessiert? Und sie binnen drei Tagen freikriegt?«

      »Nein, natürlich nicht. Chef, ich gestehe, was immer Sie wollen. Ich war unvorsichtig, ich habe einem hübschen Mädchen vertraut, schnell war ich auch nicht, und ich bin mit schuld an ihrem Tod. Was machen wir jetzt?«

      »Wir lassen schleunigst die Finger davon. Das Ganze riecht oberfaul. Vermutlich ein fingierter Drogendeal seitens der Amerikaner, eine gute Werbung just vor dem Pariser Weltwirtschaftsgipfel, der für die internationale Drogenbekämpfung einen historischen Wendepunkt markieren soll. Paola befördert eine Kostprobe, um die Abnehmer zu ködern. Aus einem uns nicht bekannten Grund läuft die Operation schief. Paola wird festgenommen, vielleicht haben die Amerikaner sie selber hochgehen lassen, zumal Larivière es ablehnt, sich um den Fall zu kümmern. Als Sie sie zurück ins Spiel bringen, wittern die Abnehmer etwas, erkundigen sich bei der Mutter und exekutieren das Mädchen. Zudem müssen französische Polizisten in der Sache mit drinhängen. Also Vorsicht. Sie legen eine Akte an, Romero, und wir warten ab.«

      Agathe, Jubelin und Nicolas treffen gemeinsam am Eingang des kleinen Hôtel des Maréchaux an der Place de l’Étoile ein. Sie mussten zu Fuß kommen, denn das ganze Viertel befindet sich im Belagerungszustand. In nicht mal einer halben Stunde beginnt die Jubliäumsparade des 14. Juli anlässlich des 200. Jahrestags der Französischen Revolution. Auf der Freitreppe empfängt sie ein strahlender Perrot. In der Eingangshalle der unverändert elegante Domenico Mori in Begleitung von drei Italienern. Perrot macht miteinander bekannt: Enzo Ballestrino, Moris Finanzberater, Michele Galliano und Giuseppe Renta, die in München Tochtergesellschaften des Mori-Konsortiums leiten.

      Dann nimmt er alle mit auf Besichtigungstour durchs Haus. Prachtvolle Räume im ersten Stock: hohe Decken, Versailles-Parkett aus blonder Eiche, große Rundbogenfenster zur Place de l’Étoile, Wände und Decken mit Täfelungen und Stuckverzierungen. Keinerlei Möblierung, nur mehrere mit vielerlei Getränken und Köstlichkeiten beladene blumengeschmückte Buffets gegenüber den großen Fenstern. Zwischen den Buffets Fernseher, die gleich die Parade übertragen werden. Eine Etage höher wiederum leere Räume, Fenster zur Place de l’Étoile, überladene Buffets und Fernseher.

      Perrot wendet sich an die Italiener: »Dank meinem Freund Jubelin und der PAMA konnte ich dieses Haus vor einem Monat kaufen. Es ist bereits weiterverkauft an eine japanische Versicherungsgesellschaft, zum höchsten Quadratmeterpreis im gesamten Goldenen Dreieck. Nach Abzug der Kosten erziele ich damit binnen drei Monaten einen Gewinn von fünfzehn Prozent.«

      »Und indem sie die Transaktion versichert«, übernimmt Jubelin, »bekommt die PAMA in Japan einen Fuß in die Tür, ohne einen Sou auszugeben. Verschaffen Sie mir viele solcher Geschäfte, und wir werden gute Freunde bleiben.« Gelächter.

      Die geladenen Gäste treffen grüppchenweise ein. Als gegen 22 Uhr die Parade beginnt, drängen sich rund hundert Geschäftsleute und Mitglieder von Ministerialkabinetten »mit Gattin« an den Fenstern der beiden Stockwerke. Der Festzug hat sich in der Avenue Foch formiert und umrundet den Arc de Triomphe, wobei er genau unter den Fenstern des Hôtel des Maréchaux vorbeikommt, bevor er auf die Champs-Élysées einbiegt. Man hört das unablässige Dröhnen der Trommeln und ab und zu den grellen Klang der Dudelsäcke.

      An der Spitze des Zugs, unter einem großen »Wir machen weiter«-Transparent, erinnern eine schweigende graue Kolonne und ein Paradewagen mit auf halbmast gesetzter Flagge an die begrabenen Hoffnungen vom Tian’anmen-Platz.

      Deluc hakt Agathe und Nicolas unter. »Das Schaulaufen der Verlierer ist immer öde.«

      »An deinen Zynismus kann ich mich nicht gewöhnen.«

      »Lieber Freund, ich bin nicht zynisch. Nur realistisch. Und ich für meinen Teil verwechsle nicht Show mit Politik.« Er zieht sie zu einem Buffet. »Champagner für alle. Diese Parade der Superlative zur Feier unseres ganz persönlichen Jahrestags. Ihr wisst doch noch? Vor genau zwanzig Jahren haben wir Rennes verlassen und sind nach Paris gegangen. Das gehört gefeiert.«

      Agathe blendet zurück zu jenem letzten Abend in Rennes. Deluc floh, sie stürzte, wurde von den Bullen geschnappt, aufs Kommissariat geschleppt, von einem Inspektor gevögelt … Muss man auf diese glorreiche Nacht Champagner trinken? Sie lässt den Blick über die Party schweifen. Was vergangen ist, ist vergangen, und zum Champagnertrinken ist jeder Anlass recht.

      Die Gäste pendeln zwischen Buffets und Fenstern, zwischen erstem und zweitem Stock. In den schallisolierten Hinterzimmern Musik aus einer Hi-Fi-Anlage, einige Paare tanzen.

      Auf der Place de l’Étoile ziehen nach den französischen Provinzen jetzt Amerikaner, Russen, Schotten zum Klang von Drehleiern, Querpfeifen, Dudelsäcken und unter unentwegtem Trommelgedröhn vorbei.

      Agathe hat sich wieder zu Jubelin und seinen italienischen Freunden gesellt. Ballestrino berührt Rentas Arm und sieht ihn an. Stummes Zwiegespräch. Renta verneigt sich förmlich vor Agathe. »Darf ich Sie um einen Tanz bitten?«

      Er ist etwa fünfunddreißig, mittelgroß, dunkles gegeltes Haar. Taillierter grauer Alpakaanzug, blassgraues Seidenhemd und eine sehr farbenfrohe breite Krawatte. Agathe findet ihn eine Spur ganovenhaft und nimmt amüsiert den ihr gebotenen Arm. Sie gehen zu den Hinterzimmern.

      Als sie weg sind, begibt sich Mori mit Ballestrino, Galliano und Jubelin zu einem Buffet in einer wenig frequentierten Ecke. Sie machen sich über die kalten Platten her und reden übers Geschäft. Ein paar Bemerkungen über die zurückliegende Hauptversammlung. Und über die Entwicklungsaussichten der PAMA. Tour d’Horizon. Schnell ist man wieder bei Japan. Die Transaktion mit dem Hôtel des Maréchaux ist ein erster Kontakt mit dem Pazifikraum. Bevor man aber eine Strategie entwickelt, wie man im Fernen Osten mitmischen kann, gehört zunächst das Europa-Geschäft konsolidiert. Mori nickt zustimmend.

      »Übrigens«, sagt Ballestrino, »mein Freund Galliano hat mir von einem hübschen Deal erzählt, der in München zu machen ist.«

      Jubelin an Galliano gewandt: »Worum handelt es sich?«

      »Um die A.A. Bavaria, eine mittelgroße Versicherung, ein gesundes, in der Region gut eingeführtes Familienunternehmen, das Geschäftsbeziehungen zu bestimmten ostdeutschen Kreisen unterhält, und das ist Gold wert jetzt, wo sich im Ostblock langsam etwas bewegt.«

      »Sogar in der DDR?«

      »Viel mehr, als man hierzulande meint. A.A.-Aktien notieren gegenwärtig ziemlich hoch, könnten aber, wenn wir das wollen, in den kommenden Monaten signifikant fallen. Und eine Übernahme leicht und zugleich rentabel machen.« Hintersinniges Lächeln. »Das ist kein Geschäftsangebot, sondern ein Gefallen.«

      »Warum machen Sie es nicht selbst, Mori?«

      »Mein Konzern ist industriell ausgerichtet. Auf dem Versicherungssektor genügt mir meine Beteiligung an der PAMA.«

      Jubelin wendet sich Galliano zu und zückt seinen Terminplaner. »Vereinbaren wir noch ein Treffen vor Ihrer Abreise nach München?«

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