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meinst, der Ruhetag ist auch von Gott? Nicht per Gesetz vom König eingerichtet?«

      »Nein. Du siehst, dass selbst bei denen, die sich andere Götter gemacht haben, noch eine Spur der Ordnung des einen wahren Gottes zu erkennen ist.«

      »Gut, ich schreibe. Sprich!«

      »So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. Und so vollendete Gott am siebten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebten Tage von allen seinen Werken. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn. So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.«

       Zu 1. Mose 12,10 - 20; 16; 21,8 - 21

      Manchmal hatte sie das Gefühl, das ganze Leben bestünde nur aus Lehm und Fliegen. Der Lehm an den nackten Füßen und allmählich auch an Beinen und Armen und überall diese Fliegen! Und dann war über allem noch die Sonne, die unbarmherzig vom Himmel brannte und ihr alle Kräfte aus den Gliedern saugte.

      Weiter treten! Immer weiter!

      Aber natürlich war da noch mehr als Lehm und Fliegen. Die Großmutter neben ihr, die auch mit ihren nackten Füßen den Lehm trat, um ihn mit dem Stroh zu durchmengen. Ihre Mutter, die in der Nähe den Lehm aus einer anderen Grube in die hölzernen Ziegelformen stampfte, die dann umkippte und den geformten Lehm zum Trocknen in die Sonne legte. Und ab und zu kam ihr Vater mit zwei Eimern Wasser vom Fluss herauf, die er an einem Joch auf der Schulter trug. Das Wasser kippte er in die Lehmgrube, nicht ohne seine Tochter mit rauer Stimme zu ermahnen: »Weiter, Kind! Schlaf nicht ein!«

      Wenn er wieder gegangen war, stampfte ihre Großmutter manchmal näher an sie heran und strich ihr wortlos über die langen schwarzen Haare. Das tat ihr gut, weil es ihr klarmachte, dass eben doch nicht das ganze Leben nur Arbeit war und Erschöpfung und Schweiß, nur Lehm und Fliegen. Da gab es noch Menschen, die ihr zwar die Qual nicht ersparen, aber mit Trost und Nähe etwas mildern konnten.

      Die Sonne war auf ihrer Barke gerade über den höchsten Punkt geglitten, da schreckte Hagar auf, weil ihre Mutter sie ansprach: »Komm, Hagar, schnell!«

      Sie stapfte zum Rand der Lehmgrube. Ihre Mutter fasste mit der Linken ihren Hinterkopf, fuhr mit der Rechten in den Lehm und schmierte ihr geschickt den dicken Brei ins Gesicht. »Mach die augen zu!«

      Hagar wusste nicht, was das für einen Sinn haben sollte, aber sie war zu erschöpft, um darüber nachzudenken. Als sie merkte, dass nicht mehr in ihrem Gesicht herumgewischt wurde, schlug sie die Augen auf. Ihre Mutter war gerade dabei, auch ihr eigenes Gesicht zu verunstalten.

      »Was machst du da?«, fragte Hagars Großmutter.

      »Siehst du ihn nicht? Den Mann des Königs? Jedes Jahr kommt er und sucht nach schönen Frauen und Mädchen für den Palast.« Dabei zeigte sie zur Straße, die in einiger Entfernung vorbeiführte, die große Fernstraße in Richtung Sonnenaufgang, über die man in ferne Länder kommen konnte, wie erzählt wurde.

      Hagar wendete ihren Blick in die Richtung, in die ihre Mutter zeigte. Da kam eine merkwürdige Gruppe heran. Sie bestand aus einem Reiter auf einem Esel und drei Mann zu Fuß. Einer der Fußgänger lief dicht neben dem Esel und hielt eine Stange über den Reiter, an dem oben ein ausgespanntes Tuch befestigt war. Offenbar hatte er die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Reiter immer Schatten hatte.

      »Du weißt nicht, was gut und was schlecht ist für das Kind!«, sagte die Großmutter. »Das Leben im Palast ist bestimmt besser für Hagar, egal, was sie dort erwartet. Es kann nicht schlimmer sein als diese Schufterei beim Ziegelmachen.« Und sie nahm Wasser aus dem Krug, der zum Trinken bereitstand, und wusch ihrer Enkelin das Gesicht wieder sauber.

      Ihre Tochter widersprach nicht. Sie setzte sich – nein, besser: Sie ließ sich fallen, vergrub das Gesicht in den Händen und weinte. Zur Erschöpfung kam die Verzweiflung, und beides zusammen war zu viel.

      Hagar verstand das alles nicht. Sie traute sich auch nicht, die weinende Mutter oder die zornige Großmutter zu fragen. So blickte sie nur den Männern entgegen, die auf sie zukamen.

      Der Reiter schien ein vornehmer Herr zu sein, auch wenn sein Reittier nicht sehr groß war. Seine Füße erreichten fast den Boden, obwohl er nur mittelgroß und sehr dick war. Außer dem Lendentuch trug er einen leichten Umhang, mit allerlei Mustern bestickt, in verschiedenen Farben, sodass es sehr bunt wirkte. So etwas hatte Hagar noch nie gesehen. Die Kanten des Kleidungsstückes waren mit etwas verziert, das metallisch glänzte, und große Knöpfe aus Knochen oder etwas Ähnlichem waren daraufgenäht. Aber der Umhang war nicht geschlossen, er stand offen, sodass man seine behaarte Brust und darunter den dicken Bauch sehen konnte.

      Vor der Lehmkuhle hielt der Mann seinen Esel an. Die beiden Männer, die dahintergegangen waren, stellten sich breitbeinig hin und pflanzten ihre Spieße vor sich auf.

      »Komm heraus!«, rief der Dicke mit seltsam hoher Stimme Hagar an. Hagar kletterte heraus, ihre Großmutter half ihr dabei.

      »Von dir will ich nichts!«, schimpfte der Mann die alte Frau, und dann sagte er zu Hagar: »Sieh mich an!«

      Sie hob zögernd den Kopf.

      »Dreh dich um!« Hagar musste sich von allen Seiten begutachten lassen wie ein Stück Vieh.

      »Hm. Hübsch, aber noch zu jung. Im nächsten Jahr vielleicht. Notiere das!«, sagte der Vornehme zu seinem Begleiter. Der wollte den Sonnenschirm auf den Boden legen, aber sein Herr brummte ärgerlich: »Gib her!« Er hielt sich das Ding selbst über den Kopf, und der andere nahm eine Wachstafel und einen Stift aus seiner Umhängetasche und drückte einige Zeichen hinein.

      Gerade wollte der Dicke sich Hagars Mutter zuwenden, die immer noch auf dem Boden saß, da rief einer der Bewaffneten: »Herr! Sieh da drüben!«

      Alle wendeten den Blick zur Straße.

      Da kam eine Reisegruppe. Ein alter Mann ging voraus, ihm folgten mehrere Frauen. Eine kleine Schaf- und Ziegenherde wurde von Männern, anscheinend Knechten, zusammengehalten und vorwärtsgetrieben, zwei Esel trugen Teppiche und Zeltstangen, ein Eselsfüllen trippelte neben einem der Lasttiere.

      »Haltet sie auf!«, befahl der Dicke und wendete seinen Esel. Die beiden Bewaffneten liefen zur Straße und stellten sich dort breitbeinig auf, die Spieße den Ankömmlingen entgegengestreckt. Die verzögerten ihre Schritte. Nun war auch der Dicke auf seinem Esel herangekommen. Er redete auf den Mann an der Spitze der Gruppe ein. Daraus, dass er dabei mit den Händen gestikulierte, schlossen die Frauen, dass sie in unterschiedlichen Sprachen redeten und sich kaum verstanden.

      Jetzt sahen sie, dass der Dicke von seinem Esel stieg. Es schien ihn einige Mühe zu kosten. Er ging auf die Frau zu, die direkt hinter dem Anführer der Gruppe gegangen war, legte seinen Finger unter ihr Kinn und drückte damit ihren Kopf hoch. Nach einigen offenbar vergeblichen Versuchen, sich zu verständigen, und vielen Handbewegungen, stieg der Dicke mit Hilfe seiner Begleiter mühsam wieder auf sein Tier und ritt los, in die Richtung, aus der er gekommen war. Sein Helfer lief links neben ihm her, einer der Bewaffneten rechts, es folgten die Fremden, und der zweite Bewaffnete beschloss den Zug.

      Hagars Großmutter murmelte zu ihrer Tochter: »Vielleicht hätten sie dich mitgenommen, wenn nicht gerade diese Fremden gekommen wären.«

      »Vielleicht.«

      »Ist das nun gut oder schlecht?«

      Hagars Mutter antwortete nicht und wandte sich wieder ihren Ziegelformen zu. Hagar und ihre Großmutter stiegen in die Lehmgrube zurück.

      ***

      Es war ein größerer Komplex von Lehmhäusern, in dessen Innenhof sie Hagar schoben. Da waren noch andere Frauen und Männer. Eine Frau kannte sie, sie hatten einmal bei der Getreideernte zusammengearbeitet.

      Hagar ging zu ihr hin, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Doch die Frau sprach sie an: »Du auch? Du bist noch so jung.«

      Hagar nickte. »Sie haben mich einfach von zu Hause weggeholt.«

      »Ich

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