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Färbung und wurden weiß. Sie bewegten sich auch und zogen mit dem Wind über das Land. Die Sonne brach durch und erwärmte und erleuchtete die Welt, sodass das Grün der Pflanzen und die vielen Farben der Blüten und Früchte noch viel bunter erstrahlten.

      Nun sah der Alte auch wieder, wie die Sonne unterging. Aber auch da wurde es nicht völlig finster, denn der Mond leuchtete, und daneben blinkten unzählige Sterne.

      Die Welt hatte nun eine Ordnung und ähnelte schon sehr der Welt, wie der Alte sie kannte.

      »Und Gott sprach«, so diktierte er es heute seinem Neffen, »es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheinen Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so. Und Gott machte zwei große Lichter: Ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne. Und Gott sah, dass es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.«

      »Ja, so wird es gewesen sein«, bemerkte Tuka, nachdem er zu Ende geschrieben hatte. »Aber von den Menschen hast du noch nichts gesagt.«

      »Ich habe dir gesagt, was Gott mir gezeigt hat.«

      »Dann hoffe ich, er zeigt dir auch noch den Rest. Mir fehlt immer noch der Anschluss an den ersten König aus unserem Herrscherhaus.«

      »Willst du hören, wie es war, oder willst du hören, was zu deinen Plänen passt?«

      »Entschuldige, Onkel, so war es nicht gemeint.«

      »Wenn Gott mir noch mehr sagt, erfährst du es.«

      »Ich danke dir, Onkel!«

      »Nimm dir einen Becher Ziegenmilch, wenn du möchtest!«

      »Danke! Oh, da fällt mir ein, ich habe dir etwas mitgebracht.« Er kramte in seinem Beutel, stellte einen Becher auf den Tisch und legte ein kleines Säckchen aus Tuch daneben.

      »Honig. Habe ich vorhin auf dem Markt gekauft. Und ein paar geröstete Nüsse.«

      »Ich danke dir, Junge. Soll das eine Bezahlung sein für das Wissen, das ich dir weitergebe? Das ist nicht nötig. Gott gibt es mir umsonst, und umsonst gebe ich es weiter.«

      »Sieh es so: Du schenkst mir dein Wissen, und ich schenke dir diese Genüsse für den Gaumen.«

      »Wie kommst du voran mit deinen Forschungen über die alten Könige?«

      »Gestern habe ich mit Leuten gesprochen, die alte Geschichten von ihren Vorfahren überliefert haben. Leider hat man damals nichts aufgeschrieben. Diese Vorfahren waren mit dem Urgroßvater unseres Herrschers auf Schiffen gefahren. Nicht nur auf dem Euphrat, sondern weit hinaus auf das Meer. Sie bauen unten im süden große Schiffe, die vom Wind vorangetrieben werden. Erstaunliche Geschichten haben sie mir erzählt von fremden Ländern mit fremden Völkern, die anders sprechen als wir und sich doch gegenseitig verstehen, und auch anders als die Wüstennomaden. Vom gewaltigen Sturm auf dem Meer haben sie erzählt und von schaurigen Ungeheuern, die das Meer bevölkern. Viele Male waren sie in Lebensgefahr. Ich bin froh, dass ich da nicht hinmuss.«

      »Was die Leute so alles erzählen, um sich als Helden darzustellen …«

      »Ich muss gehen, Onkel. Wenn es dir recht ist, komme ich morgen wieder vorbei.«

      »Tu das!«

      Am Abend saß der Alte am Ufer des Euphrat. Einige Steine bildeten einen Weg durch das Schilf, sodass er direkt ans Wasser kam. Hinter ihm im Schilf zwitscherte ein Vogel, anscheinend auf der Suche nach einem geeigneten Nistplatz. Vor ihm im Fluss standen kleine Fische still. Als er die Hand ins Wasser tauchte, schnellten sie davon.

      Wie es seine Gewohnheit war, wenn er etwas Schönes sah, dankte er seinem Gott in einem stillen Gebet. Da war es ihm wieder, als säße er nicht hier am Flussufer, sondern als schwebte er über der Welt, wie sie vor langer Zeit war. Er hörte die Stimme des Schöpfers und beobachtete, wie das tote Wasser sich mit Leben füllte: Würmer und Schnecken, Seepferdchen und Seesterne, Krebse und Muscheln, und Fische in allen Größen, Formen und Farben. Und über dem Meer, am Ufer und auch über dem Land entstand Bewegung: Vögel flatterten nervös oder schwebten majestätisch durch die Luft. Das Pfeifen und Zwitschern, das Klappern und Schnattern wurde übertönt von einem Befehl, der laut war und Gehorsam heischend, aber zugleich merkwürdig sanft, als teilte er sich den Wesen gar nicht über die Ohren mit.

      »Du wirst noch etwas warten müssen«, sagte der Alte am nächsten Tag zu seinem Neffen. »Noch kann ich dir nichts von den Menschen berichten. Aber von Tieren des Meeres und der Luft. Schreibe: Und Gott sprach: Es wimmele das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. Und Gott schuf große Walfische und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllt das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich mehren auf Erden. Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.«

      Zu dieser Jahreszeit ließ der Alte meistens seine Ziegen draußen grasen. Jetzt wuchs überall Grün, das niemandem gehörte: an den Wegrändern und an den Ufern des Flusses. Er musste nur in der Nähe sein, um auf sie aufzupassen, sonst würden sich die Tiere verlaufen.

      So saß er auf einem Sandhügel, blickte ab und zu auf, ob seine Ziegen noch in der Nähe waren, und schnitzte an einem Schilfrohr, das er am Ufer geholt hatte. Tuka hatte ein Messer aus diesem seltsamen Material, das man aus Feuer gewann, und das fest war und glänzte. Das hatte der Alte nicht, er brauchte es auch nicht. Ihm reichte der scharfkantige Stein.

      Zur Mitte des Tages hin hatte er die Flöte fertig. Er setzte sie an die Lippen und blies hinein. Ein sanfter Ton erklang. Wenn er die zwei Löcher mit den Fingern verschloss, veränderte sich der Ton.

      Er lauschte dem Klang nach, als wäre es die Stimme eines geliebten Menschen. Als könnte er ihn sehen, den Klang, wie er über die Weite schwebte, mal langsam und traurig, dann wieder fröhlich auf und nieder hüpfend. Zwei seiner Ziegen, die das Flötenspiel ihres Hirten schon kannten und liebten, ließen sich davon anlocken und kamen heran. Sie stapften um ihn herum und stießen ihn sogar an. Die anderen zweiundzwanzig schienen den Ton gar nicht zu hören.

      Der Alte beachtete seine Tiere nicht. Er folgte dem Flötenton auf seinem Flug in die Weite. Und da war er wieder in einer anderen Zeit. Sah Dinge, die andere nicht sahen, weil sie ihm direkt in den Kopf eindrangen, ohne den Umweg über die Augen zu nehmen.

      So hatte er seinem Neffen wieder etwas vorzusagen, als der ihn besuchte. »Schreibe wörtlich auf, was ich dir sage, Tuka! Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so. Und Gott sah, dass es gut war.

      Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

      Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.«

      Zwei Tage dauerte es, bis Tuka wieder in der Hütte erschien.

      »Ich grüße dich, Onkel! Gestern war der Tag der Ruhe und des Feierns. Darum musste ich mit dem königlichen Hof im Tempel sein und konnte nicht kommen. Aber vielleicht hast du mir sowieso nichts mehr zu diktieren, weil die Menschen ja nun nach deinem Bericht auf der Erde sind und anfangen, sie zu beleben. Oder kannst du mir etwas von dem ersten König erzählen?«

      »Nein, Tuka. Die Schöpfung ist vollendet. Du kannst aber dem Bericht noch etwas hinzufügen. Denn etwas hat Gott noch geschaffen.«

      »Was?«

      »Den siebten Tag. Den Ruhetag. Den Tag, an dem die Menschen

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