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Sozialgerichte, Finanzgerichte oder vor das Bundesverfassungsgericht.

      Die für das Zusammenleben der Menschen geltenden Rechtsbestimmungen beruhen auf dem vom gemeinsamen Rechtsbewusstsein getragenen Willen der Bürger. Sie sind meist in Gesetzen und Verordnungen niedergeschrieben. Im Einzelnen unterscheidet man folgende Rechtsquellen:

      1.1.4.1 Europäische Rechtssetzungsakte

      Die Organe der Europäischen Union setzen Recht durch allgemein gültige Verordnungen, die in den EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar gelten, durch an die Mitgliedsstaaten gerichtete Richtlinien, deren Ziele von innerstaatlichen Stellen rechtverbindlich umgesetzt werden müssen, sowie durch Beschlüsse, die nur für den jeweiligen Adressatenkreis verbindlich sind (vgl. Art. 288 AEUV).

      Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (Verbraucherschutzrichtlinie).

      1.1.4.2 Grundgesetz

      Ranghöchste nationale Rechtsquelle ist das Grundgesetz (Verfassungsrecht). Gegen seine Bestimmungen darf bei der Gesetzgebung durch die Parlamente nicht verstoßen werden; insbesondere sind die in Art. 1 bis 19 GG niedergelegten Grundrechte und die Staatszielbestimmungen der Art. 20, 20a und 28 GG zu beachten. Darüber wacht das Bundesverfassungsgericht.

      Art. 2 Abs. 1 GG: Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

      1.1.4.3 Gesetze

      Gesetze sind von den Gesetzgebungsorganen des Bundes und der Länder (Bundestag, Bundesrat, Länderparlamente) erlassene Rechtsnormen.

      Sie kommen auf dem von den Verfassungen vorgesehenen Weg zustande und werden zur Kenntnisnahme für jedermann verkündet.

      Bürgerliches Gesetzbuch, Handelsgesetzbuch, Polizeigesetz BW, Gemeindeordnung BW.

      1.1.4.4 Rechtsverordnungen

      Rechtsverordnungen sind Rechtsbestimmungen, die von den Stellen der ausführenden Verwaltung (z. B. Ministerien) erlassen werden.

      Sie bedürfen jedoch im Einzelfall einer Ermächtigung durch das gesetzgebende Organ (Art. 80 Abs. 1 GG).

      Einkommensteuerdurchführungsverordnung, Allgemeine Durchführungsverordnung zur Baunutzungsverordnung.

      1.1.4.5 Autonome Satzung

      Autonome Satzungen sind die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Rahmen ihrer Befugnisse aufgestellten Regeln.

      Räum- und Streupflichtsatzung der Stadt Nürtingen, Benutzungssatzung für öffentliche Einrichtungen der Gemeinde Bad Wörishofen, Bebauungsplan der Stadt Stuttgart.

      1.1.4.6 Gewohnheitsrecht

      Gewohnheitsrecht entsteht durch lang dauernde tatsächliche Übung, die von der Gemeinschaft als Recht empfunden und anerkannt wird und regelmäßig nicht niedergeschrieben ist.

      In der heutigen Zeit umfassender gesetzlicher Regelungen ist das Gewohnheitsrecht von geringer Bedeutung.

      Auf Gewohnheitsrecht beruht z. B. die Befugnis des Wanderers, im Wald Beeren pflücken und Pilze sammeln zu dürfen, obwohl diese nach dem Gesetz (§ 953 BGB) eigentlich dem Grundstückseigentümer gehören. Lediglich gewohnheitsrechtlich anerkannt ist der „Scheinkaufmann“ im Handelsrecht.

      Es ist bekannt und wird vielfach beklagt, dass sich die Juristen oft einer für den Laien schwer verständlichen Sprache bedienen. Es ist dies vielleicht auch einer der Gründe, weshalb die Bürger dem „Recht“ meist hilflos, unsicher und voll Misstrauen gegenüberstehen.

      Versuchen Sie, den § 164 Abs. 2 BGB bei einmaligem Lesen zu verstehen:

      „Tritt der Mangel des Willens, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.“

      Dieser Rechtssatz könnte verständlicher auch folgendermaßen ausgedrückt werden:

      „Wer als Stellvertreter nicht deutlich macht, dass er für eine andere Person handeln will, kann sich hinterher, wenn er selbst in Anspruch genommen wird, dem Geschäftspartner gegenüber nicht auf seine angebliche Vertreterposition berufen.“

      Der eigene Sprachgebrauch der Juristen hat aber sicher nicht seinen Grund darin, dass man sich nicht so leicht in die Karten schauen lassen und Juristerei als Geheimwissenschaft betreiben will. Vielmehr sind mehrere einsichtige Gründe dafür anzuführen, dass die Juristensprache nicht leicht zu verstehen ist:

      > Gesetze müssen abstrakt formuliert sein, um mit möglichst wenig Worten möglichst viele Sachverhalte erfassen zu können. Je konkreter eine Vorschrift formuliert ist, desto weniger Anwendungsfälle hat sie.

      Bei der Regelung des Kaufvertrags (§ 433 BGB) spricht das Gesetz abstrakt vom „Verkäufer einer Sache“ und erspart sich damit die konkrete Einzelaufzählung der Personen, die etwas verkaufen können (Autohändler, Kaufhausinhaber, Bäcker usw.) wie auch der einzelnen Gegenstände, die man kaufen und verkaufen kann (Pkw, Kleider, Brötchen usw.).

      > Im Recht muss mit inhaltlich klar definierten Begriffen gearbeitet werden, um eine Verständigung auch in komplizierten Rechtsangelegenheiten zu ermöglichen. Solche Begriffe werden im Sprachgebrauch der Bevölkerung oft mit abweichender oder unklarer Bedeutung verwendet.

      Hausbesitzer ist im Rechtssinne derjenige, der ein Haus tatsächlich bewohnt und somit „besitzt“ (vgl. § 854 BGB: Besitz = Innehabung der tatsächlichen Herrschaft). Dies trifft auch für den Mieter zu. Ein Hausbesitzer muss demnach nicht unbedingt auch der „Eigentümer“ sein, der Eigentümer des Hauses andererseits auch nicht zwingend zugleich unmittelbarer Besitzer, nämlich dann nicht, wenn er nicht selbst darin wohnt (zum Begriff des Eigentums vgl. § 903 BGB.).

      Ein „Leihwagen“, für dessen Benutzung etwas bezahlt werden muss, ist im Sprachgebrauch des Gesetzes tatsächlich ein Mietwagen, weil nur die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung Leihe (§ 598 BGB), die Gebrauchsüberlassung gegen ein Entgelt aber Miete ist (§ 535 BGB). Der gelegentlich verwendete Begriff „Leihgebühr“ ist deshalb ein Widerspruch in sich selbst.

      > Die heute geltenden Gesetze sind zum großen Teil noch im letzten Jahrhundert erlassen worden (BGB, HGB, ZPO) und sprechen deshalb zwangsläufig die Sprache ihrer Zeit, die heute nicht immer leicht verstanden wird.

      § 1924 BGB: „Abkömmlinge“ des „Erblassers“ – gemeint sind die Kinder und Enkel eines Verstorbenen.

      Trotz dieser Schwierigkeiten beim Verstehen der Rechtssprache ist es von Vorteil, wenn man sich um die Rechtsbegriffe und ihre Inhalte bemüht und möglichst viele davon kennenlernt. Dann kann man im Recht „mitreden“ und vermeidet Missverständnisse.

      Bis zur

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