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von der Gegend hier habt Ihr keine Ahnung. Die Ungläubigen muss man bekämpfen, sie kennen nur die Sprache des Schwerts! Diese Schänder sollen gefesselt und der ewigen Verdammnis unterworfen sein, in der untersten Hölle sollen sie schmoren und mit dem Teufel und allen Gottlosen leiden!“

      Die Nonne mit dem Kopftuch trat neben Walburga. Am Akzent merkte Wulfhardt, dass sie auch von dieser Insel im Norden kam. „Der heilige Paulus war ungläubig, bevor Jesus ihn bekehrte, genau wie diese Menschen. Paulus hat Erbarmen gefunden für seine Zeit im Unglauben.“

      Das Gerede der Nonne regte ihn auf. Mit ihrer verhüllten Wildheit hatte sie ihn abgelenkt, nur ihretwegen hatte er sich überhaupt in dieses Gespräch verstrickt. Er betastete das Säckchen an seinem Gürtel mit den giftigen Eibennadeln darin, mit denen man Probleme – wie diese Nonne – aus der Welt schaffen konnte. Er richtete das Schwert auf sie. „Ihr wollt mich belehren, dabei kommt ihr von weit her und gehorcht einem Bischof aus einem fremden Land. Aber wir brauchen keinen Bischof aus Rom, der uns reinredet. Ihr preist euch als Missionare, dabei bekehrt ihr nur Christen zu Christen und schützt die Ungläubigen.“

      Die Nonne wich nicht vor dem Schwert zurück. „Euer Bruder war anderer Meinung. Er wollte dem Ruf Jesu folgen und sich der einen, römischen Kirche anschließen.“

      Wulfhardt merkte, dass es ein Fehler gewesen war, sich auf die Diskussion einzulassen. Doch nun war es zu spät. Die Männer, die er auf die Lichtung geführt hatte, folgten dem Disput mit in die Hüften gestemmten Händen. Er ging zum Angriff über. „Mit eurem Hexenwerk habt Ihr meinen lieben Bruder geblendet! Aber er hatte sich längst besonnen. Nie hätte er sich dem Bischof von Rom unterworfen!“ Er deutete gen Himmel, wo sich die Wolken verdunkelten. „Dafür rufe ich meinen Bruder zum Zeugen an!“

      Walburga öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch die Nonne mit dem Kopftuch kam ihr zuvor: „Die Nachricht der Gräueltat erfüllte unsere Herzen mit Trauer um all die guten Menschen, die das Schwert der Räuber aus dem Leben gerissen hat. Wir beteten für ihre Seelen, auf dass sie Ruhe finden in Ewigkeit. Doch wer ist es, der für das jähe Ende ihrer Leiber hier auf Erden verantwortlich zeichnet?“ Über ihrer feinen Nase gruben sich tiefe Falten in die Haut. „Könnte es derjenige sein, der aus ihrem Tod den größten Vorteil zieht? Sagt, gedenkt Ihr, die Stellung Eures Bruders als Graf einzunehmen? Gott sei Euch gnädig, Bischof Wulfhardt, denn seid gewiss: Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.“

      Wulfhardt schnappte nach Luft, fassungslos darüber, dass diese Nonne mit dem Kopftuch ihm und seinem Schwert die Stirn bot − mit nichts anderem als Worten! Er zeigte mit der Schwertspitze auf die Nonne und schrie außer sich: „Bleib mir gestohlen mit deinen Weiberfabeln! Ich liebte meinen Bruder! Und nun tretet zurück, bevor der Zorn der Streiter Gottes sich auch gegen euch richtet!“

      Sechs Nonnen wichen zurück, nur Walburga und die Nonne mit dem Kopftuch rührten sich nicht. Immer noch pressten sie die Handflächen wie zum Gebet aneinander. Mit durchdringender Stimme hob Walburga an: „Gott hat seine Augen und Ohren überall, er sieht und hört alles! Auch zu dieser Stunde blickt er auf uns herab. Er sieht jede Missetat. Und er wird jeden für seine Missetaten dereinst bestrafen, ebenso wie er diejenigen, die ohne Schuld sind, belohnen wird.“ Sie reckte den Arm nach oben und streckte einen knorrigen Zeigefinger gen Himmel. „Seht Euch vor, edler Wulfhardt, denn bald wird ER seine Stimme erheben!“

      Ein Donnerschlag zerriss in diesem Moment die Luft.

      Wulfhardt fuhr zusammen. Der Schreck lähmte seine Glieder und Gedanken.

      Nur die gemurmelten Gebete der Nonnen durchbrachen die Stille.

      Wulfhardt wandte sich an seine Männer. „Streiter Gottes …“ Er merkte, dass die Stimme zitterte, und vergaß, was er sagen wollte. War der Donnerschlag, von Walburga vorhergesagt, nicht ein eindeutiges Zeichen der Götter? Zoll für Zoll dämmerte ihm die bittere Erkenntnis: Die Götter verwarfen seinen Plan, stellten die Heiden unter ihren Schutz.

      Platzregen setzte ein. Er wusste, er hatte verloren. Wulfhardt wollte das Schwert in die Scheide stecken, da ging über dem nahen Wald ein weiterer Blitz nieder. Wieder zuckte er zusammen, die Schwertklinge verfehlte die Scheide. Hastig versuchte er es ein zweites Mal − und verfehlte die Scheide erneut. Er spürte alle Blicke auf sich gerichtet, die Ohren brannten vor Scham. Er fühlte sich wie nach all den Demütigungen am Grafenhof. Vor allem die Worte der Nonne mit dem Kopftuch klangen ihm in den Ohren: Richterstuhl Christi … Damit jeder seinen Lohn empfange …. Ohne es zu wollen, starrte er sie an. Sie verwandelte sich vor seinen Augen zu einer fauchenden Riesenkatze, die ihre scharfen Zähne zeigte. Er selbst kam sich vor wie ein Mäuschen, das vor ihr davonlief, aber das Mauseloch nicht fand.

      Immer noch starrte Wulfhardt sie an. Jetzt befeuchtete er die Lippen, während sich die von hervortretenden Adern überzogenen Hände um den Schwertgriff krallten. Er wandte sich ab, Michal atmete auf. Jetzt glückte es ihm, das Schwert zurück in den Gürtel zu stecken. Er schlich mit seinen Männern im Regen davon, nur mit den Ballen auftretend, wie ein Hund, der fürchtete, einen Bären aufzuschrecken.

      Dieser Mann strahlte eine Finsternis aus, die sie erschaudern ließ: der schwarze Schnurrbart, dessen Enden nach unten zeigten, die Mähne aus schwarzen Locken, von denen einige in die Stirn hingen sowie der schwarze Mantel, auf dem, an einer Halskette befestigt, ein silbernes Kreuz prangte. Sonst erfüllte sie der Anblick eines Kreuzes mit Dankbarkeit gegenüber dem Herrn, der für sie gestorben war. Doch dort, an der Brust dieses Mannes, kam es ihr vor wie eine Verhöhnung Gottes. Hatte Jesus nicht die Kinder Gottes gespeist? Wulfhardt dagegen hatte sie morden wollen wie König Herodes. Sie hatte einen Sieg gegen den Teufel errungen!, triumphierte Michal innerlich. Wäre sie nicht standhaft geblieben, wären all die guten Menschen hier Opfer des Schwertes geworden. Sie dankte Gott, dass Wido, ein junger Bursche von der Lichtung, den Häschern des Teufels entflohen war und sie, die Mägde Gottes, zu Hilfe gerufen hatte.

      Michal fing den Blick von Aebbe auf, ihrer zwanzig Jahre alten Freundin. Ihr Gesicht war noch blasser als sonst, die kornblumenblauen Augen weit aufgerissen.

      Schon in ihrer angelsächsischen Heimat, dem Königreich Wessex, war Michal zusammen mit der zwei Jahre älteren Aebbe in der Klosterschule zu Wimborne auf den heiligen Kriegsdienst vorbereitet worden, wenngleich Aebbe oft, im Gegensatz zu Michal, der Eifer gefehlt hatte, dem Pfad der Tugenden zu folgen, den die heiligen Schwestern ihr gewiesen hatten. Michal mutmaßte, dass sich dieser Gegensatz durch ihre Elternhäuser begründete: Aebbe war das siebte Kind eines Gutsbesitzers, noch als Säugling hatten die Eltern sie in das Kloster gegeben und hatten ihr sodann keine elterliche Liebe mehr angedeihen lassen. Michal hingegen hatte zeitlebens mit ihrer Mutter und mit Walburga zwei herausragende Fürsprecherinnen Gottes an ihrer Seite gehabt, die sie, so lange sie denken konnte, auf die klösterliche Zucht vorbereitet hatten.

      So schien es kein Wunder, dass Aebbe und sie in der Klosterschule getrennte Wege gegangen waren. Dies hatte sich jedoch bei ihrer Fahrt über das Meer, das die Südküste ihrer angelsächsischen Heimat von der Nordküste des fränkischen Königreiches trennte, geändert: Sie waren in einen tosenden Sturm geraten. Während die Wellen über die Reling geflutet waren und das Schiff hin und her geworfen hatten, hatten sie gemeinsam gebetet, bis der Sturm sich gelegt hatte.

      Diese Erfahrung hatte zwischen ihnen das Band der Freundschaft geflochten. Seither steckten sie, wenn sich eine Gelegenheit ergab − was selten genug der Fall war −, die Köpfe zusammen und redeten.

      Zusammen hatten sie nach der Überfahrt das Kloster Tauberbischofsheim erreicht, wo Walburga sie erwartet hatte, gemeinsam mit den anderen Nonnen, von denen die meisten bereits zwölf Jahre zuvor mit Walburga nach Franken gesegelt waren.

      Doch sie sollten nicht lange in Tauberbischofsheim verweilen, denn nach drei Wochen hatte sie die Nachricht erreicht, dass Wynnebald, der Abt zu Heidenheim und Walburgas Bruder, bald zu seinem seligen Lebensende gelangen werde. Und so waren sie nach Heidenheim gelangt, wo Walburga das Erbe ihres Bruders angetreten hatte.

      Die Heiden von der Lichtung warfen sich Walburga zu Füßen und dankten ihr, jedoch wehrte die Äbtissin ihre Danksagungen ab mit dem Hinweis, die

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