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befürchten müssen. Man wollte keinen Vermissten, denn dén hat weiß Gott niemand vermisst! Das Begraben ist ein Vergraben, ein (Ver)Bannen der (Un)Geister der (Un)Toten an einen Ort. Die Leute brauchen eine Stelle, einen Ort der Beruhigung, wo sie regelmäßig hingehen und nachsehen können und sich vergewissern, dass der Leibhaftige tot ist. Mittels Gipsmarken als Bewegungsmelder wollen sie sich vergewissern. Das war eine Entsorgung. Daher die schwere Abdeckplatte. Abdeckerei mit schweren Abdeckplatten, wiederholte der Fremde nachdenklich mit blasphemischem Unterton. Die Grauer haben sich die Beerdigung des Grauens einiges kosten lassen, ein riesiges Loch und einen Zinksarg, der mit Gläsern voll in Spiritus gebetteter Missgeburten aufgefüllt wurde. Darüber gepackt Betonplatten, die beim Abbau eines LPG-Feldweges angefallen sind. Und darüber die (Un)Natursteinplatte, damit keine „Auferstehung“ möglich ist. Eine rituelle Beisetzung des Bösen. Deswegen statt des christlichen Kreuzes das Andreaskreuz, also ein Warnkreuz. Sogar der Jägerzaun wurde bewusst gewählt, weil gewissermaßen aus Warnkreuzen bestehend. Erst sollte er auf dem Friedhof begraben werden aber das hat massive Proteste ausgelöst. „Der Leibhaftige kommt mir nich auf’n GottSacker“!, haben die Gegner gesagt. (Ungesagt: Sonst zumutiert der GottSacker zum Unfriedhof.) Aber im Land herrscht ja Friedhofszwang. „Und so einem auch noch ein Denkmal setzen?“ Als einen schäbigen „Von-sich-selbst-Ablasshandel“ haben die Gegner dieses Bürger(auf)begehren bezeichnet. Es herrschte Uneinigkeit darüber, ob er ein Mensch gewesen sei. Eine sterbliche Hülle als Beweis gäbe es dafür nicht. (Das Makaberste daran: Ausgerechnet vom Präparator gibt es kein Präparat vorzuweisen. Kein arsenik-begiftetes Teufelsfell?) Es sei eine unzulässige Erweiterung des Begriffes (in diesem UnFalle des „Missgriffes“) Mensch erforderlich, um ihn dazu zählen zu können. Nur anatomische Ähnlichkeiten hätten wahrscheinlich bestanden, aber das ließe sich mangels Leiche nicht mehr nachweisen. Die wenigen Befürworter seiner Zuungehörigkeit zur (Un)Menschheit haben beispielhaft auf die Vergebenskultur der Mormonen verwiesen, deren Gebete für die Opfer auch die Täter mit einschließe. Also kein Museum? Kein Gedenkort, keine (Un)Totenburg (ab)sondern ein Vergessensort, eine Unart Abgedanken-Abort. Es soll keine Verunehrungsstätte geschaffen werden, keine Anpinkelungs- oder Schmähstätte, kein Abort, kein Abgedanken- Merdarium. (Als ob es auf einem Friedhof nicht unverschon genug Selbstbescheißecken (unver)gäbe! Wo verkämen wir hin, wenn es auf den Friedhöfen Pinkelecken gäbe, von denen ein beißender Uringestank ausgeht? In Verwirklichkeit pinkeln wir (un)anständig auf Friedhöfe, von denen wir nur nicht wissen, dass sie welche sind.) Vielleicht sehen die Leute das Ganze in hundert Jahren anders und graben die Zinkwanne mit den Präparaten aus und (ent)stellen sie als Unzeitzeugen in ein Museum. Die Monster von heute sind nicht selten die Idole von übermorgen. Die Unheilig(ver)sprechung dieses UnSchöne ist (un)längst (v)erfolgt. Der UnSchöne, jetzt ist er dem Küttler doch wieder herausgerutscht, der Name des Erwähnensunwerten! Wer kann es den Leuten verdenken? Diese Unperson hat eine ganze Region in Verruf gebracht, die ganze Armetei, welche um sich zu reinigen alle Schmach auf das Erdsgebirge abwälzt, und die Erdsgebirg(l)er auf den Gau Densche und die Denscher auf das grauenvolle Grau und die Grau’er auf den Unzuchthof. Auch der (Ver)Missbegriff Unschönheitsfarm hat sich als Synonym für Gnomodrom als Neo(un)logismus eingebürgert, zumal dem UnSchöne nachversagt wird, er habe die Eröffnung eines solchen beabsichtigt, um in seinem Etablissement Unschönheitsoperationen wie beispielsweise Fetteinspritzungen, erotogene Implantate, Mundverbreiterung durch Wangenschlitzung oder das Einziehen von Nasenringen zum ungebesserteren an der Nase herum Verführen anzubiedern. Für Geld war er ja zu jeder Untat bereit, dieser Untotenschänder, dieser Herr von Unbetragen und Unbesiegfried-Besieger in seiner Niegelungenversage. Grau als eine Unart SauPerle der Armetei und des Erdsgebirges. Der hat den ganzen Gau Grau rufschädigend voll zu Sau gemacht, jaunwohl, dieser Heimatschänder! Voller Grauen haben sich die Grauer gewehrt gegen dieses „Gehnie“. Es kann ihnen niemand übelst nachreden, sie hätten nicht fast alles unternommen, um ihn heraus zu ekeln aus ihrem Dorf. Mit Sonntags-Demonstrationen, Verschweigemärschen, Unhappenings, Gewaltmärschen, Ammenmärchen, verübelnster Nachrede, übelsten Vorab-Nachrufen, Morddrohungen, sogar Drohungen ihn leben zu lassen, und nicht so weiter!, haben sie diesem Kuckucksnestbeschmutzer sein Hierbleiben noch geschmackloser als sein Verschwinden zu machen versucht. Unter dem Eindruck des VerVolkszornes hat der UnSchöne in Verfolge dessen zwar mehr als bisher gegen sich unternommen, aber noch zu wenig, viel zu inkonsequent, zu unentschlossen. Regelunrecht zugrunde gerüchtigt habe er sich, der UnSchöne mit seinen kauzigen Allüren. Annahmen verstetigen die Regel. Was soll nun mit diesem Gnomodrom geschehen, diesem animalischen Ausschwitz? Diesem Abgedanken-Unkonzentrationslager. Soll es dem Erdboden ungleich gemacht werden, weil eine Gleichmachung leider unmöglich ist? Oder soll eine Gedenkstätte errichtet werden, ein Unzucht-Museum? Wie geht man mit diesem degenerierten Erbe um? Mit diesem Erb(un)Gut, dieser ent(un)arteten Unkunst, dieser Selbstverfolgklore. Wollt ihr die Gleichmachung als eine dem Erdboden-Gleichmachung? Als Einebnung, als Verflachung. Wollt ihr etwa zur Beseitigung aller Spuren unser Erdsgebirge planieren? Wenn ihr die Heimat zu Platitüde plätten wollt, wo wollt ihr dann jodeln, haben die Bedenkenträger argumentiert. Also hat man sich unentschließlich auf die únterirdische Entsorgung des verirrten Schafes im Wolfspelz geuneinigt. Das Schlimmste an der ganzen Unsittuation war vielleicht, dieser Untäter hat in seinem Unzuchthaus mehr oder weniger ganz legal und leger an seinen scheußlichen, untierverachtenden Diotraumen basteln können. „Unfreiheit, Ungleichheit, Unbrüderlichkeit!“ Es könnte sein, Sie arbeiten manchmal auch als Untotengräber?, sagte der Fremde und grinste. (Als Abdecker, auf einem Untierfriedhof? Dem ExperimentierTierfriedhof des Unseligen?) Ich schwöre, es gibt diesbe(an)züglich keine Verschwörungstheorien, erwiderte der Totengräber. Aber könnte es nicht sein, dass die Legenden um die Untaten des UnSchöne nur von viel schlimmeren „Normalitätlichkeiten“ im Dorf ablenken sollen? Von der noch viel schlimmeren Untatsache, dass man sich gar nicht mehr bewusst ist, dass der Tabubruch die Normalität ist und die Aufdeckung des Tabubruches, und noch mehr seiner Normalität, gnadenlos verfolgt wird? Únd da sammelt dieser Befremdende (un)heimlich Informationen über angeblich zweifelhafte Todesfälle im Dorf, bei denen er den Verdacht unterstellt, dass „Sterbehilfe geleistet wurde“. Er versucht nicht nur den Totengräber dazu auszufragen. Die Leute wollen vergessen, und da (unbe)kommt so ein Ungläubiger und legt (unan)ständig unreine Finger in die Wunden! Da braucht er sich nicht zu wundern, wenn man ihn hasst wie einen Zuwideraufunverstandenen! Das ist unnachweisbar, sagt sinngemäß der Totengräber. Natürlich gibt es keine natürlichen Tode! Aber hier legt man nur selten selbst Hand an, nur wenn sich der Sterbekandidat als gar zu uneinsichtig oder zu ungeschickt herausstellt. Dann leistet man ihm manchmal (un)rein aus Humanität ein wenig Sterbehilfe. Hier erteilt man, wenn der Betroffene nicht selbst spürt, dass es Zeit für ihn ist und die Konsequenz zieht, sinngemäß den Befehl „Stirb!“ und überlässt es dem in Ungnade gefallenen Delinquenten, eine für ihn geeignete Todesart zu finden. Was auf den ersten Blick unmenschlich erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine große persönliche Freiheit und Chance, den eigenen Abgang selbst zu bestimmen! Wie ein Woodoo-Priester, wie ein Schamane oder Indianerhäuptling erteilt die größte Respektsperson im Dorf den Befehl „Stirb!“ Manche gehen innerhalb kürzester Zeit vor Angst zugrunde oder erleiden einen Herzinfarkt oder missachten in ihrer Todesfurcht die einfachsten Vorsichtsmaßnahmen und erliegen einem Unfall. Sie laufen in ein Auto oder verlieren, weil sie aus Angst vor dem Überfahren werden sich selbst ans Steuer setzen, die Gewalt über das Fahrzeug. Oder es nimmt jemand eine Überdosis der Droge, die ihn vergessen lassen soll, dass sein Sterbebefehl schon erteilt wurde. Jemand, der weiß, dass er zu viel weiß und deshalb sterben muss und der mittels der Droge seine Ignoranz stärken will. Oder er nimmt eine Überdosis einer Substanz, die ihm eigentlich helfen und sein Leben verlängern soll. Oder er/sie (unbe)nimmt eine Überdosis (Un)Wahrheiten oder tötet zu plötzlich zu viele seiner Überlebenslügen auf einmal ab und erleidet einen Schock. Beziehungsloserweise er weiß zu viel und dieses zu viel wissen sei ja gerade das Sterbenmüssen auf Befehl. Die Kenntnis der Sterblichkeit verkäme der Vertreibung aus dem Paradies der Langeweile gleich. Es habe noch nie jemanden gegeben, bei dem sich der Sterbebefehl nicht erfüllt habe, sagte der Totengräber mit vieldeutigem Lächeln. Es (unver)möge darunter auch UnFälle gegeben haben, in denen die Befolgung des Sterbebefehls erst nach Jahrzehnten erfolgt ist, oder in denen bei Nichtbefolgung (un)heimlich Nachhilfe geleistet werden musste. Aber das sind eher Ausnahmen und das zählt nicht im Bewusstsein der Leute. Daher ist der Befehl „Stirb!“ für den Betroffenen mit einem

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