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ist. Der ungeduldige Selbstverleumder ist ungeduldet, weil er entstellvertretend an der eigen(unartig)en Unperson den Menschen verleumdet und beschmutzt. Nicht der Tabubruch ist strafbar, sondern den Tabubruch beim Namen zu nennen. Der Mensch tut so etwas nicht! (Tut sich das nicht an.) Der Mensch ist kein Unmensch! Wer Derunartiges behauptet, verleumdet das Gemein(un)wesen, die Ungesellschaft, das Erdsgebirge, die ganze Armetei! Untaten werden nur von ausgestoßenen Unmenschen begangen. Betrug ist in der vorherrschenden Gesellschafts(un)ordnung der Kleptokratie Staatsdoktrin, aber tabu. Es herrscht All-Gemeinheit, Betrug und Selbstbetrug. „Gemeinschaft schafft Gemeinheit/en.“ Und jede Gemeinschaf(f)t braucht ihre ungeisteshygienische Schmutzecke, ihr Katzen(jammer)Klo, ihre Sündenböcke und Scheusale, wie den UnSchöne. (Un)tote präparierte Sündenböcke parieren besser, können aber nicht mehr wie die lebenden um Ungnade bitten. Das zwiespältige Verhältnis der Gemeinschaft zum Sündenbock: Sie muss auf ihn hassen wie die Aussperrlinge auf die Eule, aber sie benötigt ihn für ihre (Un)Geisteshygiene. Die Gemeinheiten schaffende Gemeinschaf(f)t muss mit dem Verrohungs-Rohstoff Sündenbock besorgsam umgehen, damit sie ihn nicht zu schnell verschleißt. Will sie ihn aus den Feuchtbiotopen in die SelbstverWüstung vertreiben, legt sie ihn dazu an die Kette oder sperrt ihn in einen ungeistigen (Selbst)Käfig/ck. Will sie ihn vergiften, tut sie das in vielen kleinen stimulierenden subletalen Dosen an (Selbstbe)Drogen, wie ein Alkoholiker oder ein Arsenikesser mit sich selbst. Denn ist der Sündenbock verbraucht, wird man einen neuen (be)nötigen und potenziell könnte jeder das werden müssen, auch wenn das niemand zugeben will. Und wer sich am Gemeinschaft schaffenden Hassen nicht beteiligt, bewirbt sich damit als Kandidat für den Posten des nächsten Sündenbockes. Denn die Wüsten sind groß und können unendlich viele Sündenböcke schlucken, zum Gemein(unver)wesen in der Wüste. Also verpflegt euren UnSchöne schön und vernascht den Ungeschicketanz nicht auf einmal ganz, liebe Gemein.de! Demzu(selbst)verfolge fehlt es auch diesbeanzüglich nicht an Verschwörungstheorien, nach denen den Ungeschicken des Ungeschicketanz nicht nur von seinem einfältigen Ungeschicksal (ab)sondern auch von der Gemein.de nachgeholfen (un)würde. Daher diese beständige Ausrede, man könne nichts gegen sein perverses Treiben tun, es fehle die gesetzliche Handhabe. Verzweiflungslos war dieser UnSchöne die bemerkens(un)werteste Unperson der Region.

      Ein Bericht über ein Monster (entstellt auf der Grundlüge seiner Untaten und VerführerTagebücher) kann selbst auch nur monströs sein. Unverschon der Versuch wird zum Verfluch. Eines unschönen Tages erscheint ein befremdender Fremder in Grau. Das ganze Dorf (aus)atmet Friedhofsatmosphäre, „Nichtatmosphäre“, wie ein beklemmendes zeitloses Atemanhalten. (Caspar David Friedrich’sche UnFriedhofs-Nichtatmo-Sphäre.) Ein „Gotts-acker“ im Erdsgebirge, in der ungeistigen und öko(g)nomischen Armetei. Es könnte ungenau so ungut in Hermann Burgers Schilten sein. Hier pflügt Gott unter, beziehungsloserweise sein Entstellvertreter, der Totengräber. Am Anfang (unver)steht ein (VerMiss)Bild. Ein Mann kommt auf den verschneiten Friedhof, öffnet seinen Hosenstall und uriniert auf ein Grab. Welch eine pietätlose UnVerschämtheit! Er hat ein gelb gerandetes Loch in den Schnee gepinkelt. Der Schnee konserviert die Urinspritzer und er konserviert auch die Fußspur des Verursachers.

      Der Totengräber Küttler gräbt auf Verdacht, ins Blaue (ins Schwarze) hinein. Er bevorzugt die „Kür“, die freiwillige Arbeit. Gestorben wird immer. Es wird sich schon jemand finden für die Grube, an der er gerade arbeitet. Unter dem Schnee ist der Boden bis auf eine dünne Oberschicht frostfrei. Er nimmt einen Schluck UnLauterer Luft aus einer Grabvase und flucht, dabei die versehentlich hineingefallenen Erdkrümel ausspuckend, leise vor sich hin. „Gottvordammich! Gottvordammmich!“ Man könnte das durchaus als Gebet verstehen, um Gott aus der Reserve zu locken, ihm endlich ein Zeichen seiner Existenz abzunötigen. Mit dieser UnArt der UnGlaubensausübung, Gott wie Hiob mit Widerworten und Selbstvernachlässigung zu provozieren, scheint der Totengräber erfolgreicher als der Pfarrer zu sein. Vielleicht sind die Ketzer die größten Religionsfanatiker. Vielleicht kann man sein wie von einer nie vergehenden Beschämung dauerhaft wie ein Paviangesäß gerötetes Antlitz als eine Gottesstrafe (ver)gelten lassen.

      Es schien ihm plötzlich so als sei eben jemand auf dem von Koniferen halb verdeckten Weg um die Kirche herum gelaufen. Vielleicht der Pfarrer, der sein Trinken, Fluchen und die Entweihung der Grabvasen und der Grabsteine, über die der Küttler wenn er sich in Hitze gearbeitet hat, auch (unver)schon mal seine Jacke hängt, sehr missbilligt. Aber diese unrühmliche Knochenarbeit will für so wenig Geld niemand machen und sie ist ohne Schnaps dauerhaft nicht zu ertragen. Das kann der Pfarrer weder nachvollziehen noch ignorieren. Deshalb (unver)steht einem Totengräber im Gegensatz zu den hierzulande ausgestorbenen echten Bergleuten kein akzisefreier Trinkbranntwein („Kumpeltod“) zu. Aber deren Hauptaufgabe war das Ausgraben, beim Totengräber das Eingraben, der deswegen eher ein VerBergmann ist. Nun drückt auch noch die Blase und der Schnee würde die Spuren des Urinierens auf geweihter Erde verräterisch konservieren. Also besser das Unangenehme mit dem Nützlichen verbinden und ein paar Schritte gehen. Hinter der Kirche gibt es einen Durchbruch in der Mauer. Dahinter ist der von einem Jägerzaun eingegrenzte Lagerplatz für die Friedhofsabfälle, wo keine Gefahr besteht, geweihte Erde zu entweihen. Ein dort befindliches Grab zählt nicht. Früher hat man die Selbstmörder außerhalb der Friedhofmauer vergraben, denn sie sind zweifellos, wenn auch nicht verzweiflungslos, Mörder. Es ist aber trotzdem eine Inkonsequenz weil eine Ungleichbehandlung gegenüber den zahlreichen verschleppten Suiziden, die nur weniger auffällig sind, weil sie sich über Jahre bis Jahrzehnte hinziehen. Den UnFriedhof nennt der Küttler diesen von ihm als Abort missbrauchten Ort. Von dort kommt tatsächlich eine frische, trotz schwachem Schneefalls noch deutliche Fußspur, die in Richtung Haupteingang des Friedhofes weist. Vielleicht kommen sie auch aus der Kirche oder der Verursacher hat die Kirche umrundet. Dieses abseits am Komposthaufen gelegene Grab zählt eigentlich nicht. Es ist ein namenloses Unpersonengrab, ein Denkmal, genauer ein Mahnmal, eine Entsorgungsstätte. Man sagt, es enthält nur zerfetzte Kleidung. Oder Gläser mit in Alkohol eingelegten und ausgestopften Missgeburten, wird behauptet. Ein unzweifelhafter Tod, aber ohne Leiche. Genaueres will auch niemand wissen. Ein Tabugrab. Die Spur kommt tatsächlich von dort. Aber es führt merkwürdiger Weise keine Spur dahin! Der Form und Größe der Schuhe nach war es ein Mann. Ich bin schon ganz schön besoffen, ich werde besser nach Hause gehen und schlafen. Es gibt keinen Termindruck. Ich habe vorgearbeitet, dachte Küttler. Mit den Fußspitzen zum Grab hat er gestanden und auf die Grabplatte gepinkelt. Also zweifellos ein Mann. So eine Pietätlosigkeit ist dem Pfarrer nicht zuzutrauen und das würde vermutlich niemand im Dorf wagen. Ein wenig abergläubisch sind sie alle. Eine Art Rune hat er in den Schnee gepinkelt. Die gelben Ränder zeichnen sich scharf ab. Als hätte er ein Wort oder einen ganzen Satz pinkeln wollen, aber der Blaseninhalt hat nur für den ersten Buchstaben gereicht, vermutlich ein U. Was er mit einem Zweig in den Schnee gekritzelt hat ist aber unleserlich. Es beginnt mit „Un“. Dann führt die Spur vom Grab weg. Küttler nahm die fast leere Schnapsflasche aus der Jacke und goss den Rest in seinen Schlund. Keine Spur hin! Der kaum nennenswerte Schneefall kann sie nicht verwischt haben. Als ob er den Weg zum Grab rückwärts gehend zurückgelegt hätte. Aber das sähe man doch! Wenn man nüchtern wäre würde ein Delirium tremens vorstellbar sein, aber man hat ja das gewohnte Quantum intus. Entweder ich bin verrückt oder die Grabplatte. Spinn „ich“ spirituos, spiritistisch oder (un)tatsächlich, ursächlich oder endämlich verrückt? Hat Gott mein Fluchen erhört und hat um mir ein Zeichen zu geben den Herrn der Fliegen auf(un)verstehen lassen? Hat der Herr mir ein Wunder angetan? Aber ich bin ein ungläubiger Thomas, der sich selbst, selbst wenn er die eigenen Finger in die eigenen Wunden (unüber)legt, längst nicht mehr alles glaubt. Man kann sich schließlich nicht alles glauben. Wo verkäme man(n) hin, wenn man sich alles glauben (selbstverübel)unwürde? Unmutmaßlich in ein Selbstgefängnis der totalen Befangenheit? In eine totale Selbstdiktatur? In eine selbstverneinende Selbstver(miss)ächtung? Und die Maus, die ich vorhin gesehen habe war auch nicht weiß. Und ich wähne mich auch nicht wie ein verirrter Wenjuschka Jerofejew auf dem (Ver)Ro(h)ten Platz. Misshandelt es sich bei meinem Unwissen um all diese Undinge um Bildung oder Einbildung oder eine unselige Verknüpfung beider? Um Pfropfbastarde von Realitätlichkeiten und Verwunschvorentstellungen? Ich werde mir das morgen mal nüchtern ansehen und die Spur vielleicht fotografieren. Es muss eine (Un)Sinnes(ent)täuschung sein, ein Selbstbetrug. Als ob man nicht schon mehr als genug

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