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erzeugt werden können“.

      Dies entspricht exakt dem Kern des in dieser Arbeit deskriptiv-strukturierend zu begründenden Konzeptes des emotional-archetypischen Deutungslernens, welches darauf aus ist, eine Reflexion der kognitiven, emotionalen und archetypischen (was an späterer Stelle genauer erläutert wird) Deutungsmuster beim Teilnehmer einer erwachsenenpädagogischen Maßnahme dadurch zu ermöglichen, indem es Kompetenzen, die ein Erwachsenenpädagoge für professionelles Handeln, benötigt sowie mögliche Wege, um diese Kompetenzen zu erhalten, beschreibt. Gerade an diesem Punkt berührt das Konzept emotional-archetypischen Deutungslernens zwei weitere Begriffe erwachsenenpädagogischer Betrachtung: die Professionalität und die Kompetenz.

      Gieseke (2010, o. S.) definiert Professionalität als „einen differenzierten Umgang mit Forschungsbefunden, die Nutzung von Handlungsinstrumenten und ihre eigenständige Interpretation, die Deutung von Handlungssituationen sowie ein flexibles, vernetztes Handeln“, wobei Professionalität hierbei nicht als „Zustand, der erreicht werden kann, sondern eine Kompetenz, die sich situativ immer wieder neu als berufliche Leistung zu bewähren und weiterzuentwickeln hat“, verstanden wird. Das Konzept emotional-archetypischen Deutungslernens beinhaltet konkretes wissenschaftliches Wissen sowie Forschungsbefunde, über die ein Erwachsenenpädagoge verfügen sollte, wenn er die psychischen Fehlbelastungen bei Teilnehmern an erwachsenenpädagogischen Maßnahmen berücksichtigen und bei einer Reflexion der ggf. zugrunde liegenden emotional-archetypischen Deutungsmuster behilflich sein möchte, ohne die Grenze zur Psychotherapie oder psychischen Beratung zu überschreiten.

      Darüber hinaus bietet das Konzept des emotional-archetypischen Deutungslernens konkrete Handlungsinstrumente auf der Basis von erwachsenenpädagogischen Ansätzen (so z. B. dem des Deutungslernens oder der Reflexion in der pädagogischen Praxis) an, welche die Professionalität von Erwachsenenpädagogen im Umgang mit emotional-archetypischen Deutungsmustern bei Teilnehmern erhöhen können. Gleichzeitig bietet das emotional-archetypische Deutungslernen die Möglichkeit die Professionalität der Teilnehmer – hier am Beispiel der Führungskräfte – zu erhöhen, da auch sie sich das von den Erwachsenenbildnern flexibel und erfahrungsorientiert angebotene wissenschaftliche Fachwissen, Forschungsbefunde und die dazugehörigen Handlungsinstrumente aneignen können, um so professioneller mit den eigenen Mitarbeitern, deren psychischen Fehlbeanspruchungen und emotional-archetypischen Deutungsmustern umzugehen, bei Beachtung der ethischen und fachlichen Grenzen.

      In dieser Arbeit soll es darum gehen, ein erwachsenenpädagogisches Konzept darzustellen und kritisch zu reflektieren, welches durch ein Zusammenwirken von praktischem Erleben auf der einen Seite sowie einer wissenschaftlichen Reflexion auf der anderen Seite entstanden ist. Das hier vorgestellte erwachsenenpädagogische Konzept des emotional-archetypischen Deutungslernens verfolgt den Ansatz, psychologische Erkenntnisse (sowie Erkenntnisse der Neurobiologie und Neuropsychologie) als Bestandteile von kognitiver Wissens- sowie pragmatischer Handlungskompetenz (oder didaktisch-methodischer Kompetenz) zu nutzen. Fraglich ist hierbei jedoch, inwiefern die Berücksichtigung von psychologischen Elementen – oder anders gesagt, die Berücksichtigung von psychischen Merkmalen des Lernenden – bereits Eingang in die Erwachsenenpädagogik gefunden hat. Wichtig ist hervorzuheben, dass es nicht um die psychologischen Fragestellungen des Lernens Erwachsener allgemein geht, sondern vielmehr um den Umgang von Erwachsenenpädagogen mit psychischen Fehlbelastungen und den ggf. daraus resultierenden psychischen Erkrankungen bei ihren jeweiligen Teilnehmern in Lehr- und Lernveranstaltungen.

      1.5.1 Unterscheidung von Therapie, Beratung und Erwachsenenbildung: Einführung in das Thema

      In einem Kapitel des Studienbriefes „Persönlichkeits- und Kreativitätsförderung“ reflektiert der Autor Markus Höffer-Mehlmer die schwierige Unterscheidung zwischen Erwachsenenbildung und Therapie, welche für das Thema dieser Arbeit (Umgang von Erwachsenenpädagogen mit psychischen Fehlbelastungen, Burn-out, Depression etc. bei Teilnehmern oder Durchführung von Schulungen für Führungskräfte zu den o. g. Themengebieten) sehr wichtig ist. Als Ausgangspunkt der Frage nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Erwachsenenbildung und der Therapie sieht Höffer-Mehlmer die sogenannte „reflexive Wende“ (Höffer-Mehlmer 2003, S. 79) und die damit einhergehende „stärkere (…) Konzentration auf die Erwachsenen als lernende Subjekte“ (ebenda) im Gegensatz zur Hervorhebung der Qualifizierung von Mitarbeitern (realistische Wende) im Rahmen von Maßnahmen der Erwachsenenbildung an.

      (Zur Subjektorientierung in der Erwachsenenbildung vgl. u. a.:

       Adam, E. (1988): „Das Subjekt in der Didaktik. Ein Beitrag zur kritischen Reflexion von Paradigmen der Thematisierung von Unterricht“

       Holzkamp, K. (1993): „Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung“

       Hoppe, H. (1996): „Subjektorientierte politische Bildung. Begründung“

       Meueler, E. (1998): „Die Türen des Käfigs. Wege zum Subjekt in der Erwachsenenbildung“

       Holzbrecher, A. (1999): „Subjektorientierte Didaktik. Lernen als Suchprozess und Arbeit an Widerständen“

       Bender, W. (2004): „Lernen und Handeln – Thesen aus subjektorientierter Sicht“

       Ludwig, J. (2005): „Modelle subjektorientierter Didaktik“)

      Im Kontext dieser reflexiven Wende war nach Höffer-Mehlmer ein starker Zuwachs an psychosozialen Weiterbildungsmaßnahmen zu verzeichnen, welcher wiederum die Frage der Legitimierung und der Qualität solcher Maßnahmen durch Erwachsenenpädagogen hervorrief.

      Die Erörterung dieser Frage in der Erwachsenenbildungslandschaft führte nach Höffer-Mehlmer zunächst lediglich in den Ausschreibungen von Weiterbildungsveranstaltungen zu einer Abgrenzung zwischen Therapie (als Behandlung von Krankheiten und Störungen) auf der einen Seite und Erwachsenenbildung als niedrigschwelligem Angebot zur Persönlichkeitsförderung auf der anderen Seite. Faktisch jedoch nahmen der „Psychoboom“ (ebenda, S. 82) und das damit einhergehende ständige Anwachsen von quasi-psychologischen Angeboten in der Weiterbildungslandschaft bis heute rasant zu, parallel zum ständig anwachsenden Bedürfnis nach Therapie oder therapieähnlichen Angeboten. Die Frage danach, wo genau verantwortliches Handeln von Erwachsenenpädagogen endet und „professionelles“ therapeutisches Handeln beginnt, ist also noch immer von sehr hoher Relevanz für die Erwachsenenpädagogen selbst, aber auch für die „Kunden“ (ebenda, S. 83), welche sich einer sehr großen und unübersichtlichen Vielfalt von Weiterbildungs-, Beratungs- und Therapieangeboten gegenübersehen, von denen Bach und Molter schon 1979 beispielhaft einige aufführen: „Psychoanalyse, Selbstanalyse, Psychodrama, Urschreibtherapie, Gestalttherapie, transaktionale Analyse, Hypnose, Selbsthypnose, Bioenergetic, Rolfing, Konzentrationstraining“ (zitiert in ebenda, S. 82).

      1.5.2 Unterscheidung von Therapie, Beratung und Erwachsenenbildung: am Beispiel von Enno Schmitz

      Diese Vermischung von teilweise therapeutischen Ansätzen, Beratungsangeboten und klassischen Maßnahmen der Weiterbildung scheint zu bestätigen, was Enno Schmitz 1983 in seinem viel zitierten Artikel „Zur Struktur therapeutischen, beratenden und erwachsenenpädagogischen Handelns“ als Kernthese zusammenfasst und zu begründen versucht:

      „Die These lautet, dass man eine Unterscheidung zwischen Therapie, Beratung und Erwachsenenbildung a priori gar nicht treffen kann; denn das, was ein Therapeut, ein Berater oder ein Erwachsenenpädagoge praktisch tut, enthält in jedem Fall zugleich Elemente therapeutischen, beratenden und erwachsenenpädagogischen Handelns. Unterschiede ergeben sich lediglich dadurch, dass in den einzelnen Typen intervenierenden Handelns eines dieser Elemente überwiegt“ (Schmitz 1983, S. 56). Worin jedoch bestehen diese unterscheidungsrelevanten Elemente nach Enno Schmitz genau, die letztlich darüber bestimmen, ob es sich bei einem Angebot konkret um ein therapeutisches oder erwachsenenpädagogisches Angebot handelt?

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