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a. durch einen Anstieg des Leistungs- und Konkurrenzdrucks, zunehmende Arbeitsplatzunsicherheit, die Forderung nach Flexibilität, ständiger Erreichbarkeit, Arbeitsintensivierung sowie längeren Arbeitszeiten (vgl. Lenhardt u. Priester 2005).

      Als besondere Formen der psychischen Beeinträchtigung durch die o. g. Faktoren sind an dieser Stelle Angststörungen, depressive Störungen und Stress zu nennen, die zu eingeschränkter Leistung und sogar Arbeits- und Berufsunfähigkeit führen können und deren Behandlungen erhebliche Kosten für das Gesundheitswesen verursachen. Verschiedene Untersuchungen von Krankenkassen (so z. B. der DAK in 2005) zeigen einen rasanten Anstieg der ärztlich diagnostizierten Arbeitsunfähigkeit aufgrund von psychischen Störungen auf, wobei hier Stress am Arbeitsplatz, Depression sowie die Burn-out-Problematik (vgl. Hillert und Marwitz 2006) besonders im Vordergrund stehen.

      Diese Formen von psychischen Beeinträchtigungen spielen nicht nur eine wachsende Rolle in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, sondern auch in der allgemeinen Weiterbildung, da sie nicht nur sozioökonomische, sondern auch soziokulturelle und gesamtgesellschaftliche Auswirkungen haben. So führen Depressionen z. B. zu einer Minderung der Lebensqualität und des Wohlbefindens, zu sozialem Rückzug und zu schweren körperlichen Erkrankungen, von denen dann auch die Familienangehörigen, Freunde und Bekannten betroffen sind. Um die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der psychischen Beeinträchtigungen zu verdeutlichen, werden im Folgenden einige Daten und Fakten genannt (SBAA 2005):

       Jeder zehnte Deutsche erkrankt während seines Lebens einmal an einer schweren depressiven Episode.

       Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) beziffert die unternehmerischen Kosten für Depression in Europa auf 3 - 4 % des Bruttoinlandsproduktes.

       Nach Angaben der ILO gehen 10,9 Millionen Arbeitstage durch krankheitsbedingte Abwesenheit aufgrund psychischer Erkrankungen verloren.

       Die direkten Kosten von psychiatrischen Erkrankungen von Erwerbstätigen belaufen sich europaweit auf 8.246 Millionen Euro und die Kosten durch Arbeitsausfall durch diese Erkrankungen auf 72.158 Millionen Euro.

       Einer Schätzung der WHO zufolge werden Depression und koronare Herzkrankheit bis zum Jahr 2020 weltweit die führenden Ursachen vorzeitigen Todes und durch Behinderung eingeschränkter Lebensjahre sein.

       Personen, die unter psychischen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz leiden, tragen ein 2,3-fach höheres Risiko der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit in einem Zeitraum von 25 Jahren als jene ohne psychische Beeinträchtigungen.

       Besondere psychosoziale Arbeitsbelastungen, die das Depressionsrisiko erhöhen, sind: Rollenkonflikte, Aufgabenunklarheit, Innehaben von Leitungsfunktionen und Arbeitsplatzwechsel.

      Entscheidende Faktoren für diese Entwicklung sind der durch die Globalisierung verschärfte internationale Wettbewerb sowie der Strukturwandel der Gesellschaft in ökonomischer und soziokultureller Hinsicht im Zuge der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. In fast allen Berufen ist eine steigende Komplexität im Bereich der neuen Medien zu verzeichnen, Mitarbeiter und Führungskräfte unterliegen einem immer stärkeren Konkurrenzdruck und müssen zur Verbesserung ihrer Konkurrenzsituation ständig an Erhalt- und Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen.

      Ganz besondere Herausforderungen im Zuge der o. g. ökonomischen und soziokulturellen Entwicklungen liegen im Bereich der Arbeitsplatzgestaltung, des Gesundheitsmanagements sowie der Implementierung von Führungsphilosophien und Führungsstrukturen in Betrieben und Behörden, um den zuvor genannten Trends auch nur ansatzweise entgegentreten zu können.

      Besonders diese neuen „zwischenmenschlichen“ Herausforderungen führen inhaltlich zu einer weiteren Akzentverschiebung innerhalb der Bildungsmaßnahmen sowohl im beruflichen als auch im allgemeinen Bereich, von den stark fachbezogenen Angeboten hin zu den sogenannten weichen oder informellen Angeboten, wie u. a. Führungsverhalten, Kommunikationstraining, Arbeitszeitmanagement oder Stress- und Konfliktbewältigung.

      Soziale Qualifikationen oder „Soft-Skills“, die auf eine Berücksichtigung der Gefühle, Meinungen und Kompromissfindung unter Berücksichtigung der betrieblichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abzielen (vgl. Damm-Rüger u. Stiegler 1996), „überschwemmen“ den Markt der beruflichen und allgemeinen Weiterbildung. Ziel ist hierbei immer die Erweiterung der persönlichen sozialen Kompetenzen.

      Fraglich ist jedoch im Hinblick auf diese Entwicklungen im Bereich sowohl der betrieblichen als auch der allgemeinen Erwachsenenbildung, welche Bildungstheorie/​welches Bildungsideal diesen Weiterbildungsangeboten explizit oder zumindest implizit zugrunde liegt. Grünewald (1997) konstatiert, dass das „zentrale Ziel der betrieblichen Weiterbildung (…) die Erhöhung der Arbeitsproduktivität der eigenen Mitarbeiter ist“. Wie lässt sich solch ein „materialistisch-ökonomisches“ Bildungsprinzip ethisch vertreten und dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz immer stärker werden und die daraus resultierenden psychischen Beeinträchtigungen zu immer mehr krankheitsbedingten Ausfällen führen?

      Kann die berufliche Erwachsenenbildung tatsächlich „Handlanger“ der wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen sein? Die Antwort auf diese Frage hängt vom Blickwinkel des Betrachters ab. Aus emanzipatorisch-empathischer Sicht (vgl. Blankertz 1968) – orientiert an der Bildungsphilosophie der Aufklärungsidee – ist Bildung ein Prozess der Emanzipation und der Befreiung des Einzelnen aus den Zwängen tradierter Sozialstrukturen gemäß der „vocation commune“ (Jean Jacques Rousseau in Emile) und sollte nicht auf das Maß des jeweils ökonomisch Notwendigen beschränkt bleiben. Eine ausschließlich an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientierte Entwicklung der Bildungsmaßnahmen wäre dementsprechend sehr kritisch zu betrachten. Maßnahmen der Erwachsenenbildung hätten hier im humanistischen Sinne die Aufgabe, die Teilnehmer aus den Zwängen des „Hamsterrades“ zu befreien.

      Ziel dieser Arbeit ist es, ein didaktisches Konzept der Bildung darzustellen und zu begründen, das dazu dienen soll, den Tätigen in der Erwachsenenbildung zu helfen, den o. g. besonderen psychosozialen Herausforderungen für sich selbst und für den Teilnehmer begegnen zu können.

      Die o. g. Fakten verdeutlichen die gesamtgesellschaftliche Relevanz der psychischen Beeinträchtigungen und somit auch die Relevanz für die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie für die Erwachsenenpädagogik allgemein. Es ist unschwer zu erkennen, dass Erwachsenenpädagogen die Kompetenz besitzen müssen, in Lehr- und Lernsettings die Phänomene der psychischen Belastung wahrnehmen und gebührend berücksichtigen zu können. Eine solche Form der Erwachsenenpädagogik würde also beinhalten, den Teilnehmern zu helfen, die psychischen Auswirkungen der Umwelt auf das Selbst sowie Reaktionsmechanismen zu reflektieren und Bewältigungsstrategien zu entwickeln, die es ermöglichen, den beruflichen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen und dabei die seelische und körperliche Gesundheit zu bewahren.

      In dieser Arbeit soll ein erwachsenenpädagogisches Konzept vorgestellt und begründet werden, anhand dessen Erwachsenenpädagogen psychosoziale Reflexionen sowie die Entwicklung von emotionalen Kompetenzen bei Teilnehmern, sowohl beruflicher als auch allgemeiner Maßnahmen der Erwachsenenbildung, ermöglichen können.

      Wie weiter unten aufgeführt, wird eine psychische Belastung erst dann zu einer psychischen Beeinträchtigung (mit dem Risiko seelischer und körperlichen Erkrankungen), wenn die eingehenden Reize subjektiv als bedrohlich oder unangemessen eingestuft werden. Diese Interpretation der eingehenden Reize beruht auf den sogenannten Deutungs- und Gefühlsprogrammen (DGPs) (vgl. Arnold 2008) eines jeweiligen Menschen, auch als kognitive und emotionale Deutungsmuster bezeichnet. Das erwachsenenpädagogische Konzept, welches in dieser Arbeit hermeneutisch begründet werden soll, basiert auf der Annahme, dass die Reflexion der eigenen DGPs dazu führen kann, besser zu verstehen, warum der Einzelne bestimmte Situationen als Bedrohung empfindet und wie somit diese Situationen zu einer psychischen Belastung führen können.

      Dieses Verstehen wiederum eröffnet Chancen, geeignete Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Ein erwachsenenpädagogisches Konzept müsste eine stufenweise Reflexion

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