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Von Carl (Carl Theodor Hütterott, 1867–1933) hatten wir kürzlich einen lieben Brief aus Iquique u. freuen uns dass es ihm gut geht. Grüße den lieben Menschen von mir vielmals, wenn Du ihm schreibst. Auch an Georg (Georg Theodor Hütterott, 1861–1917) viele Grüße. Roeschen u. Léon grüße ich ebenso innigst und Dich liebe, liebe Tante umarme ich ganz von Herzen als Dein

       Dich sehr liebender,

       stets getreuer Neffe Georg

       Wenn Du mein Gekritzel nur lesen kannst; bei der bewegten See gings nicht besser. –

      Die Empfängerin dieses Briefes ist Johanna Susanne Emilie Hütterott (1833–1914). Mit dem „lieben Onkel, dem unvergeßlichen“ ist ihr am 10.01.1895 verstorbener Mann Theodor Georg Balthasar Hütterott gemeint, *1825. Das glückliche junge Paar sind ihre Tochter Rosalie Johanna (1863–1944 „Röschen“) und ihr Mann Léon Adolph Mathias Petry (1859–1915). Die beiden heirateten 1894.

      Briefe des Georg von Hütterott sind im Archiv äußerst wenige vorhanden. Dieser Brief wurde uns von Herrn Carl Th. Hütterott in Gütersloh zur Verfügung gestellt. Vermutlich wegen der geschilderten Begegnung mit Kaiser Wilhelm II. hat er sich in den Unterlagen der Familie erhalten. Sicherlich war er der einzige Hütterott, dem es vergönnt war, Seiner Majestät, wenn auch in unziemlicher Kleidung, gegenüber gestanden zu haben. Ich könnte mir denken, dass er diese Anekdote gerne im Kreis seiner maritimen Freunde erzählt hat. Soweit sich aus den vorhandenen Unterlagen seine Charakteristik herauslesen lässt, war er der typische Parvenü, der es genoss, die „Allerhöchsten Herrschaften“ aus der Nähe sehen zu können. Dieser Brief an seine Tante ist ein beredtes Zeugnis. Die Königin von Spanien, mit der leider kein Treffen zustande kam, war die Schwester des Erzherzogs Karl Stefan. Bei dem erwähnten Herzog von Sachsen, Coburg und Gotha handelte es sich um den österreichischen (katholischen) Zweig dieses Fürstenhauses. Es handelt sich um den Schwager von Karl Stefan, der in der österreichischen Marine den Rang eines Linienschiffskapitäns bekleidete. Der Herzog vertrat Karl Stefan 1910 bei der Beerdigung Georgs. Zur Familie Coburg unterhielt Marie bis in die dreißiger Jahre Kontakt.

      Der kaiserliche „Überfall“ auf ein Kriegsschiff einer fremden, wenn auch befreundete Macht wirft ein bezeichnendes Licht auf die Aufmerksamkeit der österreichischen Matrosen und Seeoffiziere, aber auch auf deren Organisationsgeschick bei der Unterbringung kaiserlicher Gäste im „Esszimmer“, also der „Pantry“. Dass eine Barkasse der kaiserlichen Marine mit dem Kaiser selbst an Bord ohne Admiralsstander fuhr, war in dieser Marine schlicht undenkbar! Im Übrigen war Wilhelm II. durch solche Eskapaden berüchtigt. Die Komik der Situation wirkt allerdings belustigend. Die Begeisterung Georg Hütterotts für die kaiserliche Rede in Kiel dürfte dem Zeitgeist entsprechen; Zeitgenossen schildern Wilhelms Ansprachen als hochfahrend, bramarbasierend und oberflächlich.

      Es hat sich für dieses Jahr aber auch noch ein anderes Schriftstück von Georg erhalten, ein Briefentwurf an den Hafenkapitän von Rovinj. In diesem Schreiben vom 9. November verlangt er von der Obrigkeit die Bestrafung von zwei Fischern, die mit ihren Booten in die zu seinem Besitz gehörenden Gewässer ihre Netze ausgelegt hatten. Die Fischereirechte, auf die Georg sich beruft, sind vermutlich erst durch den Kauf der Inseln durch eine Privatperson zum Tragen gekommen. Es ist vorstellbar, dass in der Zeit der industriellen Nutzung als Ölmühle und Zementfabrik niemand auf die Einhaltung entsprechender Rechte geachtet hat und die Gewässer in Inselnähe als Gemeingut angesehen wurden. Vermutlich hatte das Kloster entsprechende Rechte besessen, die von den Mönchen (sofern sie den Fischfang nicht selber ausübten) gegen Naturalienlieferung (einen Teil des Fanges) an die Fischer abgetreten haben. Diese Rechte dürften aber mit der Errichtung der „Illyrischen Republik“ (1805-1817) erloschen sein. Nach drei Generationen waren solche zurückliegenden Beschränkungen bei der Bevölkerung in Vergessenheit geraten. Georg Hütterotts Auftreten in dieser Angelegenheit lässt ihn als Feudalherren erscheinen. Anderseits fühlte er sich den Fischern durchaus verbunden, denn in seiner Zeit als Abgeordneter in Wien setzte er sich für die sozialen Belange dieser Berufsgruppe ein und bemühte sich um die Errichtung einer Kranken- und Altersversicherung.

      Unter den Inselgästen sind besonders zu erwähnen der Erzherzog Ludwig Salvator mit seiner Yacht „Nixe“ (Näheres zu ihm im Personenregister) sowie die Familie Minutillo. Franz Freiherr von Minutillo war der Hafenadmiral und Kriegshafenkommandant von Pula und somit auch geschäftlich für Hütterott interessant.

      Erstmalig taucht auch ein Fritz Küchler auf, dessen persönliche Entwicklung im Gäste-Buch zu verfolgen ist: vom Theologie- und Philosophiestudenten zum Kandidaten der Theologie. Nachdem er sein Studium, vermutlich 1898, beendet hat, kommt er nicht mehr nach Rovinj. Als einer der wenigen Besucher bleibt er meistens ein bis zwei Wochen auf der Insel.

      In diesem Jahr wird auch zum ersten Male erwähnt, dass die Familie in der See badet. Ein Vergnügen, das zu dieser Zeit nicht unbedingt als „gesellschaftsfähig“ bezeichnet werden kann. Hinsichtlich der Bauten auf der Insel wäre zu überprüfen, ob die steinernen Kabinen an dem Steg zu Mascin zu dieser Zeit errichtet wurden und somit schon ein richtiges „Seebad“ vorhanden war. Mit diesen Bauten könnten auch die Pläne Hütterotts, Rovinj zu einem Seebad auszubauen, ihren Anfang genommen haben.

      Die noch heute vorhanden Badekabinen

      Zu den erwähnenswerten Archivalien gehört ein Brief von Carla Attems, der „Oberhofmeisterin der k.u k Hoheit Durchlauchtigster Frau Erzherzogin Maria Josepha“, der Mutter des letzten österreichischen Kaisers. Da sie Marie Hütterott duzt, ist ein freundschaftliches Verhältnis der beiden Damen anzunehmen. Da es der einzige erhaltene Brief der Verfasserin ist, lässt sich die spätere Entwicklung dieser Verbindung leider nicht verfolgen. Gandussi-Giardo bedankt sich äußerst devot für eine Einladung zum Essen in der „Villa Adele“ in Triest. 1906 wird er als Bürgermeister von Rovinj genannt. Die christliche Vereinigung „Töchter Marias“ bittet Georg um eine Spende für die Erneuerung ihrer Versammlungsräume. Leider wissen wir nicht, ob er dieser Anfrage nachgekommen ist, aber er wird sich solchen Anfragen wohl nicht haben entziehen können und entsprechende Großzügigkeit an den Tag gelegt haben. Durch entsprechende Zuwendungen soll sich die Familie Hütterott in Rovinj aber ein hohes Ansehen erworben haben.

       1896

      Blatt 16

      Nur eine Texteintragung, die von Georgs Kur in Marienbad und einer Reise nach Salzburg berichtet. Und als einziger Gast Erzherzog Ludwig Salvator. Nicht einmal der „Dauergast“ Karl Stefan scheint der Insel einen Besuch abgestattet zu haben. Das kann mit der Krankheit und Kur von Georg Hütterott in Verbindung stehen. Aber die Ereignisse sind eigenartig, und es drängt sich ein Verdacht auf, den ich hier kurz wiedergeben möchte. Ich bin mir aber auch bewusst, einer Spekulation Tür und Tor zu öffnen.

      Hütterott bringt seine Tochter Hanna in ein „Institut“ nach Dresden. Es handelt sich um das Institut des Frl. von Rabenhorst, sicherlich um ein „Institut für höhere Töchter“. Die Schulakten der Stadt Dresden geben uns die Auskunft, dass Frl. von Rabenhorst nicht die Befähigung zur Leitung einer Ausbildungsstätte besaß. Sie musste darum eine befähigte Lehrerin einstellen. Aus diesen Informationen können wir schließen, dass es sich nicht um ein besonders renommiertes Institut handelte. Vermutlich war es sich eine mittellose Adelige, die ihr ererbtes Haus in dieser Weise für ihren Lebensunterhalt nutzte. Sie dürfte nicht mehr ganz jung gewesen sein, da sie sonst keine Genehmigung erhalten hätte. Aber dass sie im Adressbuch von Marie v. Hütterott als „Fräulein“ tituliert wird, ist wohl aussagekräftig genug. Aber warum nach Dresden? Neben einer Ausbildung zur Dame dienten solche Internate auch dem Aufbau von Beziehungen für das spätere Leben. Im Falle der Hütterotts wäre es sicherlich vorteilhafter gewesen, die Tochter nach Wien, in die Nähe des Hofes, zu bringen, oder aber nach Frankfurt, wo die Großeltern lebten und um somit noch einen Familienkontakt zu halten. Dresden war zu dieser Zeit zwar eine nicht unbedeutende Kunst- und Kulturstadt, Leipzig und Weimar waren aber sicher bedeutungsvoller. Es hat den Anschein, als ob Hanna dem Blickfeld der Triestiner Gesellschaft in der Zeit der Schwangerschaft der Mutter entzogen werden sollte.

      

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