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Ahnung, er hat keinen Namen genannt. Aber es war ein Mann. Er hat Durán verlangt, wusste aber die Zimmernummer nicht. Als dort niemand abnahm, hat er mich gebeten, es noch einmal zu versuchen. Er hat gewartet, aber es ging keiner ran.«

      »Hatte er schon einmal angerufen?«

      »Durán hat ihn ein paarmal angerufen.«

      »Ein paarmal?«

      »Ich hab die Liste. Sie können sie sehen.«

      Die Telefonistin war sichtlich nervös, bei einem Mordfall glauben alle, dass man ihnen etwas vorwerfen will. Durán sei sehr charmant zu ihr gewesen, zweimal habe er sie eingeladen, mit ihm auszugehen. Sofort dachte Croce, dass Durán irgendetwas von ihr wollte. Deshalb hatte er sie eingeladen, sie konnte ihm Informationen besorgen. Doch aus Rücksicht auf die Familie Belladona hatte sie die Einladungen ausgeschlagen.

      »Wollte er etwas Spezielles von dir wissen?«

      Die junge Frau schien sich zu verkriechen, sich einzurollen, wie der Geist in Aladins Wunderlampe, von dem nur noch ein roter Mund zu sehen war.

      »Er wollte wissen, mit wem Luca telefonierte. Das hat er mich gefragt. Aber ich konnte ihm nicht helfen.«

      »Hat er bei den Belladonas angerufen?«

      »Ein paarmal«, antwortete Coca. »Meistens hat er mit Ada telefoniert.«

      »Wir werden die Schwestern anrufen. Ich möchte, dass sie herkommen und den Toten identifizieren.«

      Die Telefonistin wählte die Nummer der Belladonas. Sie machte das zufriedene Gesicht von jemandem, der einer besonderen Situation als Protagonist beiwohnt.

      »Hallo, ja, hier ist das Hotel Plaza«, rief sie in den Hörer. »Ein Gespräch für die Señoritas Belladona.«

      Am späten Nachmittag trafen die Schwestern ein, verstohlen, als hätten sie sich nur ausnahmsweise dazu durchgerungen, das Tabu oder den Aberglauben, der sie jahrelang daran gehindert hatte, Seite an Seite im Dorf aufzutauchen, zu durchbrechen. Sie wirkten wie zwei Repliken und glichen sich so sehr, dass ihre Symmetrie fast unheimlich war. Croce und die Schwestern hatten ein sehr vertrautes Verhältnis zueinander, das weit über den normalen Umgang im Dorf hinausging.

      »Wer hat euch informiert?«

      »Staatsanwalt Cueto hat mich angerufen«, antwortete Ada.

      Sie gingen nach oben, um die Leiche zu identifizieren. Mit dem weißen Laken sah sie aus wie ein Möbelstück. Saldías hob das Laken an. Das Gesicht des Toten hatte einen ironischen Ausdruck angenommen und war bereits sehr blass und starr. Keine der beiden Schwestern sagte ein Wort. Was auch nicht nötig war, sie sollten den Mann bloß identifizieren. Er war es. Alle wussten, dass er es war. Sofía schloss ihm die Augen und trat ans Fenster. Ada schien geweint zu haben, aber vielleicht lag es auch nur an dem Straßenstaub, der sich auf ihre entzündeten Augenlider gelegt hatte. Zerstreut betrachtete sie die Gegenstände im Zimmer, die offenen Schubladen. Eins ihrer Beine zuckte nervös, es sah aus, als schnellte eine Feder in die Luft. Das Zucken hatte nicht die geringste Bedeutung, aber als er es bemerkte, musste der Kommissar an Regina Belladona denken, Lucas Mutter. Dieselbe Bewegung mit dem Bein, als bündelte sich die ganze Verzweiflung in ihrem Körper. An einem Punkt ihres Körpers. Der Sprung in einem Glas. Plötzlich kamen ihm diese sonderbaren Sätze in den Sinn, als diktierte sie ihm jemand. Selbst das Gefühl, dass ihm irgendwer etwas diktierte, war für ihn eine absolute Gewissheit. Seine Gedanken schweiften ab, und als er in die Realität zurückkehrte, hörte er Ada etwas sagen. Sie schien auf eine Frage des Sekretärs zu antworten. Es hatte etwas mit dem Anruf bei der Fabrik zu tun. Sie hätten nicht gewusst, dass Durán mit ihrem Bruder telefoniert habe. Keine von ihnen habe Nachrichten von ihm. Croce glaubte ihr nicht, aber er hakte auch nicht nach. Er vertraute darauf, dass ihm seine Eingebungen zur rechten Zeit weiterhelfen würden. Er wollte lediglich ein paar Einzelheiten über Tonys Besuch bei ihnen zu Hause in Erfahrung bringen.

      »Er hat mit deinem Vater gesprochen.«

      »Er hat uns besucht, weil mein Vater ihn kennenlernen wollte.«

      »Es ging auch um die Erbschaft.«

      »Scheißkaff«, stieß Ada mit einem zarten Lächeln hervor. »Alle wissen, dass wir die Erbschaft jederzeit, wenn wir Lust dazu haben, unter uns aufteilen können, weil unsere Mutter verhindert ist.«

      »Juristisch gesehen«, ergänzte Sofía.

      »In letzter Zeit wurde er oft mit Yoshio gesehen, ihr kennt die Gerüchte.«

      »Uns ist egal, was die Leute treiben, wenn sie nicht bei uns sind.«

      »Und die Gerüchte interessieren uns auch nicht«, fügte Ada hinzu.

      »Genauso wenig wie der ganze Klatsch.«

      Wie ein Blitz durchzuckte Croce die Erinnerung an ein Sommerfest. Die beiden Schwestern hatten mit zwei neugeborenen Katzen gespielt. Die Mädchen mochten fünf, sechs Jahre alt gewesen sein. Sie hatten sie in einer Reihe aufgestellt, und die Kätzchen krabbelten über die von der Nachmittagssonne aufgeheizten Fliesen. Erst streichelten und liebkosten sie die Katzen, dann packten sie sie am Schwanz und begannen, sie sich hin und her zu reichen. Ihr Spiel wurde immer schneller und wilder, trotz des kläglichen Maunzens der Kätzchen. Natürlich hatte er von Beginn an ausgeschlossen, dass sie es gewesen waren. Sie hätten ihn eigenhändig getötet, etwas so Persönliches hätten sie nicht von jemand anderem erledigen lassen. Von Frauen verübte Verbrechen, dachte Croce, sind eine persönliche Angelegenheit, etwas, das sie niemand anderem anvertrauen. Saldías fuhr mit seinen Fragen fort und machte sich Notizen. Ein Anruf aus der Fabrik. Um die Gewissheit zu haben, dass er auch da war. Um dieselbe Uhrzeit. Das konnte kein Zufall sein.

      »Sie kennen meinen Bruder, Kommissar, er hat ihn garantiert nicht angerufen«, sagte Sofía.

      Ada erklärte, nichts von ihrem Bruder Luca gehört und ihn schon ewig nicht mehr gesehen zu haben. Sie hätten sich zusehends auseinandergelebt. Niemand habe ihn mehr gesehen, fügte sie hinzu, er lebe eingeschlossen in seiner Fabrik, umgeben von seinen Erfindungen und Träumen.

      »Und was jetzt?«, fragte Sofía.

      »Nichts«, erwiderte Croce. »Wir bringen ihn ins Leichenschauhaus.«

      Es war ein merkwürdiges Gespräch, mit dem Toten auf dem Boden, Saldías, der sich weiterhin Notizen machte, und dem erschöpft wirkenden Kommissar, der die Zwillingsschwestern freundlich ansah.

      »Dürfen wir gehen?«, fragte Sofía.

      »Oder stehen wir unter Verdacht?«, sagte Ada.

      »Wir stehen alle unter Verdacht«, entgegnete Croce. »Geht lieber hinten raus und tut mir den Gefallen, niemandem zu erzählen, was ihr hier gesehen habt oder worüber wir gesprochen haben.«

      »Natürlich«, sagte Ada.

      Als der Kommissar anbot, sie zu begleiten, lehnten sie ab. Sie würden allein gehen, er könne sie jederzeit anrufen, wenn er sie brauche.

      Croce setzte sich auf das Bett, er wirkte müde, zerstreut. Er fragte Saldías nach seinen Notizen und begann, sie in aller Ruhe zu studieren.

      »Gut«, sagte er abschließend. »Hören wir uns an, was diese Gauner uns zu sagen haben.«

      Ein Großgrundbesitzer aus Sauce Viejo gab an, das Geräusch einer Kette in Duráns Zimmer gehört zu haben. Danach habe er ganz deutlich eine Stimme vernommen, die nervös geflüstert habe: Ich kauf es für dich, und du zahlst, sobald du kannst. Die Worte hätten sich ihm eingeprägt, weil sie ihm wie eine Drohung vorgekommen seien oder wie ein Scherz. Er könne nicht sagen, wer gesprochen habe, aber es sei eine sehr helle Stimme gewesen, eine verstellte Stimme oder die einer Frau.

      »Verstellt oder von einer Frau?«

      »Wie von einer Frau.«

      Einer der Handelsreisenden, ein gewisser Méndez, behauptete, beobachtet zu haben, wie Yoshio über den Flur geschlichen sei, bevor er sich vor Duráns Zimmertür gebückt habe, um durch das Schlüsselloch zu spähen.

      »Seltsam«,

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