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gewesen wäre. Und er hatte sich selbst geschworen, dass dies der Fall war.

      Seit dieser furchtbaren Nacht stapfte er zwischen den Ausläufern der Chiricahua-Berge umher, begleitet von Bucky, Popper und einem Muli namens Arschloch, welches Pardue zuerst erschossen und gegessen hatte, hauptsächlich, um sich des faulen Gemüts des Tieres zu entledigen, da es sich stur geweigert hatte, sein Gepäck zu tragen. Er hatte das Maultier demokratischer Neigungen verdächtigt oder vielleicht hatte es dem Symbol dieser politischen Partei für Pardues Geschmack einfach zu ähnlich gesehen. In einem Akt posthumer Rache hatte das alte Tier noch dazu fürchterlich geschmeckt, selbst nach der Zugabe großzügiger Mengen getrockneter Chilischoten aus seinen Vorräten. Pardue war beinahe eine Woche schlecht gewesen, nach nur zwei Portionen des zähen Fleisches.

      Zu streng im Umgang mit illegalen Einwanderern, das war es, was ihm vorgeworfen wurde. Profiling hatten sie es genannt. Timon Pardue sah sich selbst und die loyalen Mitglieder seiner Abteilung als die letzte Verteidigungslinie der Vereinigten Staaten gegen eine Invasion von Kriminellen, die von Sonora, Mexiko, nach Norden rollte. Erweiterte Grenzpatrouillen wie in San Diego und El Paso waren in Cochise County noch nicht veranlasst worden, beziehungsweise waren sie nicht sehr erfolgreich gewesen, obwohl die Zoll- und Grenzschutzbehörde, Customs and Border Protection, der größte Arbeitgeber in der Stadt Naco war. Pardue glaubte, dass das CBP mehr zur Zufriedenheit des Kongresses in Washington als zur Effektivität an der Grenze ausgelegt war.

      Als Sheriff hatte Timon Pardue also alle seine Männer mit der Aufgabe betraut, sämtliche verdächtigen Personen anzuhalten, mit besonderem Augenmerk auf Dokumentations- und Einwanderungsstatus der fraglichen Personen. Das Problem mit den illegalen Einwanderern war nicht neu, die Anschuldigungen der Voreingenommenheit hingegen schon. Die ganze Geschichte wurde schließlich in den Medien wieder aufgekocht, als die neu ernannte Vorsitzende des Bezirksgerichts bei einer Routinekontrolle festgenommen worden war und ein langes Wochenende im Gefängnis von Bisbee verbracht hatte, bevor irgendjemand begriffen hatte, wer sie war, abgesehen von sauer und hispanisch.

      Die ehrenwerte Richterin war vom diensthabenden Polizisten nämlich für eine Prostituierte gehalten worden, trotz der Tatsache, dass er sie nahe einer einsamen Landstraße aufgegabelt hatte, fern von jeglicher potenzieller Kundschaft. Sie schwor dem Polizisten, dass ihr Teleskop, welches sie für ihr Hobby der Amateur-Astronomie verwendete, gleich hinter dem nächsten Hügel stand. Ihre Jacke, in der sich ihr Ausweis befand, lag gleich daneben. Sie hatte sich nur kurz vom Teleskop entfernt, um sich zu erleichtern. Es war diese kompromittierende Position, in der der Polizist sie schließlich entdeckte, nachdem er von dem Rancher, der das Grundstück besaß, auf einen Herumtreiber aufmerksam gemacht worden war.

      Ebenso wie das Teleskop und ihre Jacke mit dem Ausweis war auch ihr Lexus LX zum Zeitpunkt ihrer Festnahme nicht zu sehen gewesen. Trotz der empörten Proteste der Richterin hatte der Beamte es abgelehnt, auf der zweifellos vergeblichen Suche nach diesen Gegenständen im Dunkeln herumzutappen. Vasquez‘ Behauptung, eine Richterin zu sein und keine Prostituierte, wurden letzten Endes bestätigt, als ihr Lexus am folgenden Montagmorgen auf dem Abschlepphof des Bezirks eintraf und der Fahrzeugschein von einem Mitarbeiter überprüft wurde, der manchmal Telemundo schaute.

      Zu Pardues Bestürzung hatte Richterin Vasquez viele gute Freunde bei der örtlichen Niederlassung des spanischen Fernsehsenders. Sie war außerdem gut befreundet mit dem obersten Staatsrichter des Gerichtshofs von Arizona, der sie damals ins Amt erhoben hatte. Ihre Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den Medien, sogar bei Fox News, die Sheriff Pardue daraufhin förmlich unter den Zug warfen und ihn diffamierten, um selbst weniger als Sprachrohr der Koch-Brüder und Rupert Murdoch zu erscheinen. Pardue wurde daraufhin an den Pranger gestellt. Das war acht Monate her. Die daraus resultierende Abstimmung verlief nicht gut für ihn. Oh, man, sie würden Timon Pardue noch vermissen. Er hatte nur noch keine Ahnung, wie sehr.

      KAPITEL 3

      Blackshaw hatte keine Ahnung, wohin er wollte. Er hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, wo er nicht sein wollte. Zum ersten Mal in seinem Leben kam ihm die Chesapeake Bay wie ein Sumpf vor. Er konnte seine eigene Abscheu überhaupt nicht verstehen … diese neue Geringschätzung seiner wunderschönen Heimat. Vielleicht war der Grund auch viel simpler, als ihm lieb war. Alles, was er kannte, jeder, den er liebte, und jeder Ort, der sich tröstend und lebensspendend für ihn anfühlte, war nun von seinen eigenen Gefühlen der Reue verschmutzt.

      Er richtete Miss Dotsy nach Südwesten. Der Himmel war klar und die Wellen schwappten mit einer behutsamen Schaukelbewegung, die ihn immer weiter ins Unbekannte trieb. Dann fiel Blackshaw auf, was passiert war. Irgendwann in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er sich offenbar selbst in den Einsatz geschickt, und das ganz ohne irgendwelche Befehle von oben. Er war anscheinend auf der Suche nach Ärger.

      Der Windy Point Jachthafen in Calvert County, Maryland, brummte, obwohl es ein Wochentag war. Zur Zeit war Hochsaison. Der Hafenvorsteher hatte aber noch einen Platz für die Saison frei und Blackshaw zögerte nicht lange. In einem Büro gleich neben dem Jachtausrüster, ein äußerst übertriebener Name für den Windy Point Köderladen, schälte Blackshaw vor dem Manager Geldscheine von einem Bündel, bis Miss Dotsys Unterbringung für den Sommer und den Herbst beglichen war. Mit der Anweisung, Miss Dotsy winterfest zu machen, sollte er sich bis November nicht gemeldet haben, ließ er noch mehr Bares springen. Und er hinterlegte außerdem einen Umschlag. Falls er bis zum nächsten Frühling nicht zurück sein sollte, enthielt dieser Umschlag ein Blatt Papier mit einem Namen und einer Telefonnummer. Die darauf genannte Person war bevollmächtigt, Miss Dotsy nach Begleichung jeglicher offener oder unerwarteter Rechnungen abzuholen. Abgesehen von den Standard-Nachlassdokumenten der Navy war Blackshaw noch nie so nahe daran gewesen, für den Fall seines Ablebens vorzusorgen, wenn man die paar Minuten vergaß, in denen er in das gefährliche Ende einer geladenen Flinte gestarrt hatte.

      Nun, da Miss Dotsy in guten Händen war, benutzte Blackshaw das Telefon des Managers, um ein Taxi zu rufen. Er schwang seinen Rucksack wieder über seine Schulter, lief zum Eingang des Jachthafens und wartete dort. All das, während er sich größte Mühe gab, sich nicht mit seinem Vater zu vergleichen.

      KAPITEL 4

      Bucky schmeckte ganz okay nach Timon Pardues Einschätzung, aber trotzdem würden Chili-Pferdesteaks niemals an die Köstlichkeiten von Sammys Hot Dog Company an der Bundesstraße 92 herankommen. Seine Feldflasche voller Jack Daniels half ihm beim Herunterspülen. Im Exil, auch im selbstauferlegten Exil, waren Annehmlichkeiten zu genießen und gewisse Standards dennoch aufrechtzuerhalten.

      Er hatte sich gut ausgerüstet, bevor er in die Wildnis gezogen war, und hatte sich deshalb nicht neu bevorraten müssen. Der Mangel an menschlichem Kontakt, selbst so geringem, wie er einem beim Schnapskaufen widerfuhr, machte sich mit der Zeit deutlich bemerkbar. Pardue redete mittlerweile schon mit seinen schwindenden Tieren und dachte sich nichts weiter dabei. Mit genug Jack Daniels würde es nicht mehr lange dauern, bis er seine Hosen hochkrempelte und die Sterne anschrie, überzeugt davon, den ungesehenen Massen undokumentierter Eindringlinge aus dem Süden Angst einzujagen. Bevor er das Bewusstsein verlor, murmelte er etwas an die undankbaren Bürger von Cochise County und widmete ihnen ein Gebet, in dem er ihnen die Beulenpest und andere Demütigungen an den Hals wünschte.

      Da das übliche Ziel des Abends schon fast in Reichweite war, brauchte Pardue ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass diese neue Stimme nicht seine eigene war, und auch um seine Glock zu ziehen.

      Auf nichts Bestimmtes zielend, lallte er mürrisch: »Wer ist da? Zeig dich gefälligst!«

      Die Antwort, gedämpft von dazwischenliegenden Felsen, die der Sprecher wohlweislich zwischen sich und den bewaffneten, betrunkenen Pardue platziert hatte, kam sofort. »Ich bin’s, Timon. Sam Wimble. Nicht schießen, bitte! Nimm die Waffe runter, okay?«

      »Zeig mir deine Hände«, knurrte Pardue. »Und komm schön langsam ins Licht, wo ich dich sehen kann.«

      Es war beinahe Schlafenszeit für Pardue. Er hatte das Feuer deshalb runterbrennen lassen.

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