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gegenüber anderen Menschen,

      • ein Gefühl der Kontinuität des eigenen Handelns und Erlebens und

      • Fähigkeiten in der Regulation des Selbstwerts

      werden auf gelingende Anerkennungserfahrungen zurückgeführt. Daher ist elterliche Feinfühligkeit in Hinsicht auf die Bestätigung des Erlebens eines Kindes in diesem Modell besonders wichtig. Größenvorstellungen und die Verachtung anderer Menschen werden als Versuche verstanden, Störungen im subjektiven Selbsterleben auszugleichen. Die entwicklungspsychologische Dimension bietet in diesem Modell wieder eine Möglichkeit, sich probeweise mit – sonst schwierig empathisch zu verstehenden – Patienten zu identifizieren und auf diese Weise zusätzlich zu einer objektivierenden Beschreibung einen emotionalen Zugang vor allem zu narzisstisch gestörten Menschen zu gewinnen.

      Aktuelle Entwicklungen greifen selbstpsychologische und andere entwicklungspsychologische Aspekte auf. Sie untersuchen die vielfältigen Aspekte der Interaktion in der Beziehung zwischen Analysand und Analytiker mit ihren wechselseitigen Beeinflussungen. In der relationalen Psychoanalyse (Mitchell, 1988), die als eine weitere »Psychologie« der Psychoanalyse aufgefasst werden kann, sind Modelle aus der empirischen Säuglingsforschung für die Konzeptualisierung therapeutischer Interaktionen von Bedeutung. Soziale Beziehungen und Interaktionsprozesse sind in diesen Modellen grundlegend für die Entwicklung des mentalen Systems – nicht umgekehrt. Beebe und Lachmann (2004) beschreiben, wie interaktive Prozesse entstehen und zu Veränderungen führen. Forschung erfolgt hier überwiegend in dyadischen Beziehungen – Interaktionen in therapeutischen Beziehungen und dyadischen Situationen zwischen Mutter und Kind werden verglichen. In Deutschland sind mit der psychoanalytisch-interaktionellen Methode (Heigl-Evers & Heigl, 1973) zunächst in Gruppen Konzepte entwickelt worden, in denen die Gestaltung von Interaktionen im Vordergrund steht. Hier wird ein beziehungsorientierter intersubjektiver Ansatz im therapeutischen Arbeiten konzeptualisiert. Veränderungen des interpersonellen Verhaltens führen dann zu Veränderungen von inneren Mustern und Repräsentanzen.

      Die Strukturale Analyse Lacans hat keine eigene Entwicklungspsychologie entwickelt. Dennoch trägt sie mit ihrem Fokus auf symbolische, vor allem sprachliche Prozesse etwas Spezifisches zum Verstehen von Entwicklungsvorgängen bei. Die Beschäftigung mit den Theorien Lacans in diesem Buch stellt eine gewisse Zumutung für Leser dar. Sie müssen sich nicht nur in eine ungewohnte Begrifflichkeit einlesen, sondern sich auch noch mit einer nur kursorischen Darstellung des Themas zufriedengeben. So ist das »Selbst« kein von Lacan verwendeter Begriff. Er zieht ihm die Bezeichnung »Subjekt« vor. Damit grenzt er sich klar von Theorien ab, die einer Entwicklungslogik folgen, in denen frühere Entwicklungsstadien spätere begründen. Im Prinzip sind die verschiedenen Strukturen des Subjekts Ausdruck diskontinuierlicher Zustände. Die Konstituierung des Subjekts erfolgt aus Lacans Sicht sprunghaft, ohne Übergang. Infantilität begreift er wörtlich als anfängliche Sprachunfähigkeit, da »infans« im Lateinischen »stumm« sein oder »lallend« bedeutet. »Subjekt« dagegen heißt übersetzt, der Sprache unterworfen (subjicere) zu sein. Um diesen Aspekt soll es im Folgenden gehen, nämlich zu skizzieren, wie Lacan das Subjekt primär als von der Ordnung der Sprache, der symbolischen Ordnung her verfasst betrachtet.

      Ein fundamentaler Unterschied zu anderen Entwicklungstheorien liegt darin, dass Lacan das Subjekt aus der Alterität konzeptualisiert. Alterität meint hier eine »konstitutive Andersheit«. Diese konstitutive Andersheit geht dem Subjekt voraus. Die symbolische Welt existiert vor ihm, bevor das Subjekt sich seiner selbst bewusst wird, und konstituiert es. Das pointiert Lacan, wenn er sagt, das symbolisch verfasste Subjekt sei in erster Linie das Produkt einer diskursiven Erfahrung mit (einem) Anderen, bspw. zuerst repräsentiert durch den mütterlichen Anderen als Vertreter einer symbolischen Ordnung und damit von Sprache und Sprechen: Das Du geht dem Ich voraus.

      Mit einem ganz anderen methodischen Ansatz trägt die Bindungstheorie zum Verstehen von Entwicklungen bei. Sie wurde stärker als die vorangegangenen Theorien von der akademischen Entwicklungspsychologie rezipiert und hat diese ihrerseits bedeutend beeinflusst. Die Bindungstheorie und ihre Weiterentwicklungen zählen zu den psychoanalytischen Theorien, auch wenn dies nicht in der gesamten psychoanalytischen Welt so gesehen wird (z. B. Fonagy & Campbell, 2015, dt. 2017). Sie geht von dem Bedürfnis kleiner Kinder nach Sicherheit in der Beziehung zu ihren Müttern aus. Die Sicherung dieser Beziehung, auf die Kinder existentiell angewiesen sind, hat Vorrang vor anderen Bedürfnissen. Die Fähigkeit, sich über Bindungen Sicherheit zu verschaffen, ist über das ganze Leben für die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben bedeutsam. Hilfe von anderen Menschen zu gewinnen und anzunehmen, bleibt ein wichtiger Schutzfaktor. In der Bindungstheorie wird beschrieben, wie Kinder sich an das Verhalten ihrer Mütter anpassen. Dies ist ein wechselseitiger Prozess. Der Begriff der »mütterlichen Feinfühligkeit« beschreibt, wie gut oder schlecht eine Mutter die Signale ihres Kindes versteht, geeignete beruhigende Verhaltensweisen findet und die Reaktionen des Kindes angemessen bewertet. Auch die Bindungstheorie ist aus der klinischen Arbeit entstanden. Ihre Konzepte wurden dann aber rasch empirisch geprüft und weiterentwickelt. Beobachtungen an Kindern und Vergleiche mit Befunden der Verhaltensforschung an Tieren zeigten überzeugend ein eigenständiges Bedürfnis nach Bindung. Kinder versuchen, Bindung über unterschiedliche Strategien und in Anpassung an das Verhalten der Mutter zu sichern. Experimentell lassen sich unterschiedliche »Typen« von Bindungsverhalten beobachten. Eine »sichere Bindung« wird als gute Grundlage für die weitere Entwicklung eines Kindes angesehen. Sie bietet die Möglichkeit, vergleichsweise frei zwischen dem Erkunden der Umwelt (Exploration) und dem Erleben der Eltern als »sicherer Hafen« hin und her zu pendeln. Exploration kann daher relativ angst- und konfliktarm und mit einer Rückversicherung durch die Eltern geschehen. Wenn sich die Mutter oder der Vater nicht ausreichend an die Bedürfnisse ihres Kindes anpassen, entwickeln Kinder Strategien, mit denen sie »über Umwege« eine gewisse Sicherheit erreichen können. Diese Beziehungsmodi werden als »unsicher-ambivalent« oder »unsicher-vermeidend« beschrieben (image Kap. 4). Sie sind mit stärkeren Konflikten, erhöhter Angst und mehr Stress verbunden und gelten als Risikofaktoren für spätere Störungen. Dennoch gelingt es Kindern auch hier, sich an die Bedingungen ihrer Umwelt so anzupassen, dass sie sich ein Bild von den zu erwartenden Reaktionen ihrer Bindungspersonen machen können. Sie erleben diese daher in der Regel als verlässlich. Gelingt eine solche Anpassung nicht, wird dies als »Desorganisation« im Bindungsverhalten beschrieben.

      Dieses Modell hat einen erheblichen Einfluss auf Entwicklungen in Kindergärten und Krippen. Mit einem besseren Verständnis für Übergänge vom Elternhaus in die Krippe, von dort in den Kindergarten und vom Kindergarten in die Schule entwickelten sich Eingewöhnungsmodelle, in denen darauf geachtet wird, eine angemessene Lösung von den Bindungspersonen zu schaffen. Eine solche zeitweise Trennung erfordert dann, dass Kinder eine andere Person in der Krippe oder im Kindergarten so kennenlernen, dass sie diese als Bindungsperson annehmen. Auf diese Weise kann Angst und Stress gemindert werden.

      Die aufgeführten Modelle schließen sich nicht gegenseitig aus. Sie eignen sich für unterschiedliche Entwicklungsphasen und zum Verstehen unterschiedlicher Menschen unterschiedlich gut und können sich in der Annäherung an ein Gesamtbild ergänzen. Zu Darstellungen wichtiger Vertreter psychoanalytischer Entwicklungstheorien und ihrer Beiträge siehe Streeck-Fischer (2018).

      2.3 Ordnungsversuche und »Bilder vom Kind«

      In der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie bleibt bis heute die Bezugnahme auf eine vertikale Perspektive dominierend: Die Eltern, in der weiteren Entwicklung der psychoanalytischen Theorien überwiegend die Mutter, und die Beziehung des Kindes zur Mutter bzw. den Eltern werden betrachtet. Beziehungen zu Geschwistern, Freunden, Liebespartnern spielten für die Konzeptualisierung und Konstruktion von Entwicklungen eine vergleichsweise geringere Rolle. Ein solcher Fokus auf einer »dyadischen« Zwei-Personen-Beziehung dient zunächst der Verringerung von Komplexität. Dies ist für Forschung an Grundlagen ein sinnvoller Weg. Klinisches Denken und Verstehen kann durch die Übernahme von solchen »empirisch gesicherten« Modellen aber auch eingeschränkt werden. Schon das Denken in triadischen Perspektiven, mit »ödipalen«

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