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Eber im Nebel. Francis Kirps
Читать онлайн.Название Eber im Nebel
Год выпуска 0
isbn 9783947106714
Автор произведения Francis Kirps
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Wir haben die geheimen Gurkengründe der Spreewaldpygmäen entdeckt«, flüstere ich ergriffen.
Ich möchte auf die kleinen Menschen zueilen, doch Sir Percy hält mich zurück.
»Niemand«, zischt er, »niemand, der die geheimen Gurkengründe der Spreewaldpygmäen zu Gesicht bekam, ist je wieder von dort zurückgekehrt.«
Woher will er das denn wissen, denke ich.
»Ach was, die sind total lieb, die Zwerge«, sage ich. »Sooo lieb sind die.«
Die Wildschweine schauen besorgt und ziehen sich geräuschlos ins Unterholz zurück.
Energisch zupft Sir Percy mich am Ärmel, »Kommen Sie jetzt mit, Sie Idiot. Solange es noch geht.«
Dann ist Sir Percy verschwunden. Mir doch egal.
Ich will mich gerade erheben und den Zwergen eine Begrüßung zurufen, vielleicht eine Rede halten, mir ist irgendwie danach, da bohrt sich etwas Hartes in meine Kniekehle. Ich drehe mich um. Es ist eine Lanze in Spielzeuggröße, die einer der Zipfelmützenzwerge in den Händen hält. Er ist nicht allein. Im Nu bin ich umzingelt von ungezählten Spreewaldpygmäen mit Waffen aller Art. Knüppel, Speere, Sensen, Dreschflegel, sogar eine zweizackige Harpune sehe ich.
»Hui, Frissfleiss«, lacht der mit der Lanze.
»Ei, Wonntagsbrat’n«, kichert der mit dem Zweizack.
»Hey, Leute«, rufe ich, »ich komme in Frieden.«
»Von weg’n Fried’n. Er hat unf Twerge g’nannt. Hab’t g’nau g’hört«, kreischt einer der Zwerge.
Die müssen uns die ganze Zeit über beschattet haben, fährt es mir durch den Kopf.
»Und detthalb mutt d’r Frevler fterben«, kräht der mit der Lanze. »Keiner b’leidigt ungeftraft ’n ftolten Ftamm d’r Fpreewaldpygmä’n.«
»Hurra, hurra, ’t gitt Mentsenfleiss!«, jubeln alle und werfen ihre Zipfelmützen in die Luft.
Ich drehe mich um, um zu flüchten. Wäre doch gelacht, wenn diese Winzlinge …
Ein fachkundig geworfenes Lasso schlingt sich um meinen Hals, ich werde zurückgerissen und falle in den Schlamm. Sofort sitzen Dutzende Spreewaldpygmäen auf mir drauf. Eine winzige Speerspitze zittert Zentimeter vor meinem rechten Auge.
»Keine Faptfen«, droht der Lanzenzwerg und drückt seine Waffe gegen meine Gurgel. Dann ruft er: »Einhorn! Einhorn, hierher!«
Ein plumpes Tier, groß wie ein Ackergaul, mit verfilztem Fell in schmutzigem Lila und einem meterlangen blutverkrusteten Horn auf der Stirn, kommt herangestampft. Es zieht einen altertümlichen Leiterwagen, auf dem ich rostige Ketten entdecke.
»Hau ruck, hau ruck«, skandieren die Zwerge, während sie mich am Lasso zum Karren führen. Ich habe keine Wahl, als ihnen zu folgen, mit der Schlinge um den Hals. Sie pieksen mich auffordernd mit ihren Waffen, und ich steige auf den Wagen. Es riecht nach altem Erbrochenen und frischem Einhorndung. Ein paar Zwerge hüpfen mir hinterher. Ketten schließen sich um meine Hand- und Fußgelenke. Irgendwer stopft mir eine Zwiebel in den Mund.
Unfähig, mich zu rühren, richte ich den Blick auf die Anhöhe, dorthin, wo wir hergekommen sind, und sehe mehrere Gestalten, die sich im Schatten der Bäume bewegen. »Sir Percy und die Wildschweine, sie sind gekommen, um mich zu retten«, denke ich erleichtert, »sie werden mich hier nicht allein sterben lassen.«
Nun erkenne ich die majestätischen Silhouetten der Wildschweine ganz deutlich im Schein der untergehenden Sonne. Sie haben sich in einer Reihe aufgestellt, kommen aber nicht näher heran. Der Zwerg auf dem Kutschbock lässt die Peitsche knallen, das Zugtier stößt ein rasselndes Geröchel aus, das eher nach Raucherhusten als Wiehern klingt. Dann setzt der Einhornkarren sich schwerfällig in Bewegung.
Sir Percys Stimme schallt über die Ebene: »One, two, three, four.«
Und die Wildschweine beginnen, im Chor zu grunzen:
»When you walk through a storm
Hold your head up high
And don’t be afraid of the dark
At the end of a storm
There’s a golden sky
And the sweet silver song of a lark
Walk on through the wind
Walk on through the rain
Though your dreams be tossed and blown
Walk on, walk on
With hope in your heart
And you’ll never walk alone«
DIE BESCHWERDE
Sehr geehrter Herr Funny van Dannen,
ist »van Dannen« eigentlich Ihr richtiger Name?
Das ließe darauf schließen, dass Sie Holländer sind, also kein Muttersprachler (was vielleicht Ihren eher saloppen Umgang mit der deutschen Sprache erklären würde), ich hoffe aber mal, Sie verstehen trotzdem genug Deutsch, um das Folgende rezipieren zu können. Ich werde versuchen, so sachlich und konzis wie möglich zu bleiben, selbst wenn’s schwerfällt.
Ich wende mich auf diesem Weg an Sie, um mich zu beschweren.
Es geht um Ihren Song »Okapiposter«, den mir der Jens, mein Pfleger, neulich auf YouTube vorgespielt hat. Um mich zum Lachen zu bringen. Aber so lustig fand ich das, ehrlich gesagt, nicht.
Zwar habe ich durchaus Humor, und niemand weiß einen guten Witz mehr zu schätzen als ich. Selbst wenn er auf meine Kosten geht. Man soll sich nicht allzu ernst nehmen, dafür ist das Leben viel zu kurz. Oder wie der Jens immer zu mir sagt: »Plummy, ohne dich wäre es nur halb so lustig hier im Zoo.«
Humor ist ja, wenn man trotzdem lacht, aber wenn ich so etwas wie das hier höre, dann hört für mich der Spaß auf:
»Ich wollte ein Okapiposter,
und was schenkst du mir?
Das ist kein Okapi. –
Das ist ein Schabrackentapir!
Jetzt ist der Geburtstag im Eimer, das ist dir ja hoffentlich klar.
Wenn das mal kein schlechtes Omen ist
für das ganze nächste Jahr!«
Sie ahnen es vielleicht bereits: Ich bin ein Schabrackentapir. Und ich bin not amused. Au contraire, ich muss Ihnen leider in aller Deutlichkeit sagen, dass ich diesen Text ziemlich verletzend, ja geradezu ehrabschneidend finde. Für mich, für alle Schabrackentapire auf der Welt!
Mal ganz davon abgesehen, dass es sehr unhöflich ist, ein Geschenk auf diese Art zurückzuweisen – und das auch noch in aller Öffentlichkeit, die Person hat es doch sicher nur gut gemeint –, also mal abgesehen vom eklatanten Mangel an guter Kinderstube, der sich hier offenbart: Was bitte hat ein Okapi, das ein Schabrackentapir nicht hat?
Okapis sind doch nichts weiter als zu klein geratene Giraffen ohne Hals, die farblich daherkommen, als hätte ein expressionistischer Maler im Absinthrausch mit seiner Palette nach ihnen geschmissen.
Was glauben Sie denn, warum diese Behelfsgiraffen erst vor 100 Jahren von den Menschen entdeckt wurden? Weil sie nicht entdeckt werden wollten, darum! Minderwertigkeitskomplexe haben sie, und das mit Grund. Jahrtausendelang trauten sie sich nicht hinaus auf die Savanne, wo alle Bewohner, von Schuppentier bis Warzenschwein, über sie gelacht hätten. Stattdessen hielten sie sich im tiefsten Dschungel versteckt, aus Scham, keine vollwertigen Giraffen zu sein, sondern ein gründlich danebengegangener Scherz der Evolution.
Ausgerechnet Okapis. So ein missglücktes Geschöpf einem schönen Schabrackentapir