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Zeit lagen ständig tote Nagetiere, Amphibien und Singvögel auf der Fußmatte. Die erbeuteten Tierchen bereitete ich für die Katze in der Fritteuse zu.

      Einmal befand sich sogar eine Blindschleiche unter der Jagdstrecke, worauf die Katze besonders stolz zu sein schien. Die Blindschleiche wirkte ziemlich tot, aber nicht so ganz – bei Blindschleichen ist die Grenze zwischen Leben und Tod ja recht verschwommen –, und ich wilderte sie im Nachbargarten wieder aus und wünschte ihr viel Glück auf ihrem weiteren Lebensweg. Dann nahm ich eine Prise Afterbite und wankte zurück ins Haus. Die Sonne dröhnte viel zu laut in meinen Ohren.

      »Der Katze geht es prächtig«, schrieb ich an diesem Abend auf Facebook, Zigarette im Mundwinkel, den Afterbite-Stick, mittlerweile mein ständiger Begleiter, griffbereit neben der Tastatur, »sie frisst mit gutem Appetit und spielt viel draußen.«

       Tag zwei

      »Hast du die Katze nach Zecken abgesucht?«, schrieb meine Schwester zurück, das undankbare Ding. »Natürlich«, log ich, zog mir einen Hauch Afterbite rein und fing die Katze ein, die insgesamt etwas träge wirkte. Sie verdaute wohl noch an der mit Raclettekäse überbackenen Nilgans, die wir uns zum Frühstück geteilt hatten. Ich zurrte die Katze auf der Werkbank fest und suchte sie nach Zecken ab. 27 Stück, das war neuer Rekord.

      Die Zecken warf ich nicht ins Klo, wie sonst immer. Ich wollte sie ein wenig beobachten, sie wirkten fast wie außerirdische Lebensformen, mit den prallen planetenförmigen Hinterkörpern und dem quirligen Krabbelkopf. Vielleicht waren es ja wirklich Aliens, und wenn man genug beisammen hatte, würden sie sich ein Raumschiff bauen, um auf ihren Planeten zurückzukehren …? Oder einen Staat bilden. Ich brachte die Zecken im alten Aquarium unter, wo Alfred, unsere Wasserschildkröte, gewohnt hatte, bis er im gesetzten Alter von dreißig Jahren verstorben war, vermutlich an Langeweile. Das Aquarium roch immer noch ein wenig nach Alfred, leicht moderig und reptiloid. Ich überließ die Zeckenpopulation sich selbst und ging raus zum Briefkasten. Die Sonnenstrahlen fühlten sich klebrig auf meiner Haut an, als würde ein blinder, hirnloser Gott mich mit geschmolzenem Camembert beträufeln. Der Himmel klaffte wolkenlos blau über mir wie eine offene Wunde. Der Fliederstrauch fragte mich, wie mein Tag war. Drosseln brüllten mir ins Ohr. Was war nur mit dem Wetter los, mit der Natur? Schnell zurück ins Haus, eine Dosis Afterbite, linkes Nasenloch, ahhh, rechtes Nasenloch, uhhh!

      In der Post fand ich ein Schreiben der Gemeinde, dass das Wasser knapp sei, wegen des ausbleibenden Regens, und dass man sparsam mit Trinkwasser umgehen solle. Kein Problem, dachte ich, schließlich befand sich ein gut sortierter Weinkeller im Haus.

      Wie es der Katze gehe, fragte meine Schwester schon wieder. Als würde sie mir nicht mal zutrauen, auf eine harmlose Katze aufzupassen. Nach meinem Befinden erkundigte sie sich dagegen nicht. Sie hatte sich sehr zum Unguten entwickelt, seit sie Jura studierte und keine Dreadlocks mehr besaß. Früher war da mehr Bewunderung für mich, ich erinnerte mich noch gut an die Zeit, als sie mich für allwissend hielt. Gut, da war sie auch erst sieben. Um sie zu ärgern, beschloss ich, nun doch keinen Text über Katzen zu schreiben, wie ich es vorgehabt hatte, sondern stattdessen etwas über Hasen. Oder Kaninchen. Hasenartige halt.

      Nach einer erfrischenden Champagnerdusche und ein paar Nasen Afterbite fiel mir ein guter Titel ein: Der Mann mit den Pinselohren.

      In der Geschichte ging es um einen Mann, der sich für ein Kaninchen hielt. Und alle lachten über ihn, auf der Arbeit, im Büro, in der Freizeit, im Tennisclub. Am Ende stellte sich dann heraus, dass er tatsächlich ein Kaninchen war, und alle, die ihn ausgelacht hatten, standen ganz schön dumm da.

      Aber halt, Pinselohren, hatten Hasenartige überhaupt Pinselohren? Ich googelte und stieß auf den Wikipedia-Artikel über den Luchs. Luchse hatten Pinselohren. Neuerdings waren wieder Luchse in der Eifel gesichtet worden, las ich, und im Rothaargebirge. Rothaargebirge? Nie davon gehört. Ich navigierte weiter zum Artikel über das Rothaargebirge, von da kam ich zum Pfälzer Wald, und als ich auf verschlungenen Wegen bei der Kryptozoologie, genauer gesagt, beim Ogopogo, der angeblich im Okanagan Lake lebenden Seeschlange, gelandet war, war es auch schon wieder Abend geworden. Ich sah nach, was die Katze heute erjagt hatte, und beschloss, dass es zum Abendessen Froschschenkel à la française geben würde, als Beilage Brekkies rot-weiß.

      Der Abend war ruhig, ruhiger als sonst, man hörte fast gar kein nerviges Froschgequake mehr. Die Katze hatte gute Arbeit geleistet und alle Gartenteiche in der Nachbarschaft entvölkert.

      Vor dem Schlafengehen gönnte ich mir ein entspannendes Rotweinbad, ich nahm dafür nur die ältesten Weine, die waren sowieso bestimmt nicht mehr gut. Morgen war ein harter Tag, ich würde das Haus nämlich verlassen müssen, raus in die Sonne, um meine Afterbite-Vorräte aufzustocken, die gingen bedenklich zur Neige.

       Tag drei

      Ich hatte nicht so gut geschlafen wie gehofft, draußen war die ganze Nacht ein Gefauche und Gekreische gewesen, wie von einem Hexensabbat, der außer Kontrolle geraten war. Offenbar hatte die Katze die Sheba-Köder gegen einen hungrigen Marder verteidigt. Abgekämpft, aber siegreich war sie am Morgen heimgekehrt, eine Marderpfote zwischen den Zähnen. Ich setzte ihr das an einer Sehne herabbaumelnde Auge wieder ein und befestigte das abgerissene Ohr mit Tesafilm am Kopf, dann verschwand sie zum Jagen.

      Wenn ich in die Apotheke fuhr, musste ich unbedingt ein Mittel gegen Nasenbluten kaufen, meine Nase blutete neuerdings die ganze Zeit. Bestimmt vom Ozon. Und ich hatte Kopfschmerzen, aber dagegen half Afterbite zuverlässig.

      In der Apotheke von Walferdingen kaufte ich den Restbestand von fünf Afterbite-Sticks auf, danach stattete ich den Apotheken von Steinsel und Mersch einen Besuch ab, sogar bis nach Ettelbrück fuhr ich, dort gab es zwei Apotheken. Die Sonne grinste zahnlos vom Himmel herab, als habe sie es auf mich persönlich abgesehen. Deshalb kaufte ich in der zweiten Ettelbrücker Apotheke ein paar Jumbotuben Sonnencreme und schmierte das Auto damit ein.

      Die Reise war lang und beschwerlich, ich verbrauchte fast einen ganzen Stick Afterbite. An einem sprudelnden Bächlein in der Gegend von Colmar-Berg machte ich Rast. Während mein braver Golf ein Sonnenbad nahm, fing ich ein paar Forellen mit der Hand, um etwas Diversität in unseren Speiseplan zu bringen. Meine Idee, die zappelnden Viecher gleich hier auf dem Autodach zu grillen, verwarf ich, die Katze sollte auch etwas davon abbekommen, das hatte sie sich verdient, schließlich hatte sie in den letzten Tagen für unser Essen gesorgt.

      »Forelle Müllerin«, erklärte ich der Katze, die auf der Fritteuse saß und interessiert zusah, wie ich, in Mehlstaubwolken und Afterbite-Schwaden gehüllt, die Forellen durch die fingerdicke Schicht Mehl rollte, die ich großzügig auf der Anrichte und dem Küchenboden verteilt hatte.

      »Altes Bauernrezept: pro Forelle ein Kilo Mehl und ein Kilo Butter. Dann noch jeweils ein Pfund Butter für die Füllung.«

      Die Katze nickte und deutete fragend mit der Vorderpfote auf die Zitronen, die stellenweise aus dem Mehlgebirge herausragten wie erloschene Vulkane aus einer Mondlandschaft. »Zitronen sind optional«, sagte ich. »Sie machen es leichter verdaulich für Leute mit einer Butterintoleranz.«

      »Du denkst doch daran, die Katze jeden Tag nach Zecken abzusuchen?«, durchbrach meine Schwester zwei Stunden später mein verträumtes Verdauungssurfen auf Facebook. »Problem gelöst«, schrieb ich zurück, während das Mehl nur so aus der Tastatur staubte.

      Einer meiner Facebook-Freunde hatte nämlich gepostet, dass Kokosnussöl das wirksamste Mittel gegen Zecken sei. Kokosöl hatte ich zwar keins im Haus, aber zur Not würde es sicher auch Olivenöl tun, befand ich. Ich füllte einen Eimer mit ein paar Litern Olivenöl, gab auch noch etwas Kräuter der Provence, Pfefferkörner und Lorbeerblätter dazu, rundete das Ganze mit einem Schuss Balsamico-Essig ab und tunkte die Katze hinein.

      »Es ist nur zu deinem Besten«, erklärte ich dem zappelnden Tier und hielt es gut fest, damit die Marinade sich auch schön auf der Haut verteilte und in alle Poren einsickern konnte. Nachdem die Behandlung beendet war, schüttelte die Katze sich, warf mir einen bösen Blick zu und zog von dannen.

      Die

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