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Nils Larsen, seit Wisby als Dolmetscher bewährt, begrüßte er mit einem freundlichen Händedruck. Wie sie es nun schon von zahlreichen Gelegenheiten gewohnt waren, übersetzte Nils so fließend, daß kaum Gesprächspausen entstanden. In dieser Beziehung stand er Stenmark, der für Übersetzungen in den schwedisch-sprachigen Ostseegebieten zuständig war, in nichts nach.

      „Es sieht so aus, als ob wir unser Vorhaben ändern müssen“, sagte Arne von Manteuffel. In knappen Worten begann er seinen Bericht.

      Hasard hörte aufmerksam zu. Einige der Worte aus der deutschen Sprache verstand er bereits, doch um die Muttersprache seines Vetters selbst zu beherrschen, hätte es doch noch einiger Übung bedurft.

      Sie hatten geplant, zunächst Rügenwalde, die Heimatstadt der Freiin von Lankwitz anzulaufen. Arne wollte seine Verlobte so schnell wie möglich zu ihren Eltern bringen, die in höchstem Maße um ihre Tochter besorgt waren. Zweite Station hatte dann Kolberg sein sollen, Arne von Manteuffels Heimathafen.

      „Deshalb meine ich“, schloß er seinen Bericht, „wir sollten zunächst Hapsal ansteuern. Vorausgesetzt natürlich, du bist einverstanden.“

      Der Seewolf überlegte nicht lange.

      „Selbstverständlich. Ich glaube, in einem Punkt sind wir einer Meinung: Die Methoden, mit denen der sehr ehrenwerte schwedisch-polnische König das Bernsteinregal an sich zu reißen versucht, sind verabscheuungswürdig.“

      Arne von Manteuffel lächelte.

      „Ich weiß, daß ich dir diese Meinung nicht eingeredet habe.“

      „Nein, das war auch nicht nötig. Wenn ich mir die Halunken ansehe, die im Auftrag von König Sigismund handeln, dann läuft mir die Galle über. Angefangen mit unserem speziellen Freund Juan de Gravina, kann man sie praktisch alle in eine Reihe stellen. Dieser von Saxingen, der deine Verlobte entführte, folgt gleich an zweiter Stelle. Und der Generalkapitän Witold Woyda ist auch nicht viel besser.“

      „Galgenstricke aus der Oberklasse“, sagte Arne mit einem grimmigen Nikken, „hätten sie nicht Rang und Namen, hätte man ihnen längst das Handwerk gelegt.“

      „Was Woyda betrifft, so wird er nicht nur wegen der Bernsteinladung und seines verlorenen Flaggschiffs in Rage geraten sein. Auf die ‚Isabella‘ dürfte er immer noch scharf sein. Ich kann mir vorstellen, wie liebend gern er unsere stolze Lady nach Reval eingebracht hätte, wenn er nur eine Handhabe gehabt hätte.“

      „Du meinst also, er könnte eventuell versuchen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen? Sich die Bernsteinkisten und die Galeone zurückholen und außerdem noch die ‚Isabella‘ kapern?“

      „Warum nicht?“ Hasard zog die Schultern noch. „Er wird sich seine Chancen ausrechnen, und er hat Zeit genug, einiges auf die Beine zu stellen.“

      „In Hapsal? Da bin ich nicht ganz sicher. Woyda kann ja nicht genau wissen, ob ich das Runenzeichen der Tyndalls kenne.“

      „Trotzdem müssen wir alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.“ Hasard sah seinen Vetter einen Moment nachdenklich an. „Etwas anderes geht mir durch den Kopf: Unser gemeinsamer Freund von Saxingen hat zwar behauptet, die Freiin von Lankwitz heiraten zu wollen. Aber könnte es nicht sein, daß er sie eher für eine Erpressung benutzen wollte?“

      Arne von Manteuffel furchte die Stirn.

      „Ich kann mir nicht recht vorstellen, wie so etwas hätte ablaufen sollen.“

      „Ganz einfach. Du hast das von König Sigismund beanspruchte Bernsteinregal mit Mißachtung gestraft. Vor diesem Hintergrund wäre doch die Freiin ein hervorragendes Pfandobjekt gewesen, um dich unter Druck zu setzen.“

      Arne blies die Luft durch die Nase.

      „Ich denke, von Saxingen hat mich noch nicht richtig kennengelernt. Sonst wäre er gar nicht auf so eine Idee verfallen. Vorausgesetzt, daß er die Idee überhaupt hatte.“

      „Ich würde das nicht von der Hand weisen, Arne. Er hätte dich nicht nur zwingen können, den geheimen Bernsteinhandel aufzugeben. Er hätte dich außerdem dazu bringen können, der polnischen Krone deine Geschäftsbeziehungen und deine Bernsteinquellen preiszugeben. Der feine Graf hätte sich dadurch bei König Sigismund in ein hervorragendes Licht rücken können.“

      Arne verzog das Gesicht.

      „Wenn ich darüber nachdenke, fange ich an zu kochen, obwohl es so schlimm gottlob nicht geworden ist.“

      „Wie auch immer.“ Hasard schnitt mit der flachen Hand durch die Luft. „Ich halte es für richtig, daß wir den Kerl erst einmal gründlich aushorchen. Da wir sowieso beigedreht haben, könnten wir die Gelegenheit gleich jetzt nutzen. Vielleicht ließe sich sogar in Erfahrung bringen, welche Maßnahmen von der polnischen Krone noch zu erwarten sind.“

      Arne von Manteuffel schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.

      „Himmel! Wir hätten längst daran denken sollen, von Saxingen zu verhören. Aber wahrscheinlich liegt es an der Entdeckung der Bernsteinkisten, daß ich den Knilch vorübergehend aus meinem Bewußtsein gestrichen habe.“

      Graf Hugo von Saxingen hatte die erste Phase, wie er sie für sich bezeichnete, überstanden. Diese erste Phase war grenzenlose Wut gewesen – Wut in all ihren Erscheinungsformen. Er hatte getobt, gebrüllt, mit den Fäusten gegen das Schott der Vorpiek gehämmert. Und er war in die Ecke gekrochen, hatte gezittert vor Zorn und fortwährend versucht, seine vibrierenden Nerven zur Ruhe zu bringen.

      Als ihm dies endlich gelungen war, stand für ihn fest, daß die zweite Phase begonnen hatte. Letztere wurde bestimmt von kühler, sachlicher Überlegung. Ja, er empfand sogar Stolz darüber, dazu fähig zu sein.

      Wichtig war vor allem, daß er sich von den äußeren Umständen nicht länger unterkriegen ließ. Was bedeutete es schon, in dieser verdammten Vorpiek eingesperrt zu sein? Was bedeutete es, in einem finsteren, muffig riechenden Loch ohne einen einzigen Lichtstrahl zu hocken?

      Von Saxingen lachte in die Stille hinein. Es bedeutete vor allem eins: Daß er noch am Leben war und seine fünf Sinne funktionierten. Solange das der Fall war, mußte er imstande sein, eine Lage in den Griff zu kriegen, mochte sie auch noch so hoffnungslos aussehen.

      Immerhin war er ein Mann von Rang und Namen, kein tumber Nirgendwer. Vor sich selbst hatte er die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das unter Beweis zu stellen. Und er durfte sich nicht mehr in Selbstvorwürfen darüber ergehen, daß es ausgerechnet dem elenden von Manteuffel gelungen war, ihn zu überrumpeln.

      Da gab es trotz alledem einige Pluspunkte, die er, Graf Hugo von Saxingen, auf sein Konto verbuchen konnte. Erstens hatte er keine Verletzungen davongetragen, abgesehen von ein paar Schrammen und Beulen. Zweitens hatte man ihm die Fesseln abgenommen, nachdem er in die Vorpiek von Witold Woydas Flaggschiff gesperrt worden war. Ganz und gar hilflos war er also nicht.

      Aber allein gegen eine Übermacht.

      Von Saxingen grinste. Dieser Nachteil war nicht zu hoch zu bewerten. Er hatte die Fähigkeit, sich gegen ganze Heerscharen von einfältigen Untertanen durchzusetzen. Man mußte nur die richtigen Tricks kennen, um sie im Griff zu behalten. Das größere Problem war in diesem Fall schon eher das verriegelte Schott. Er hatte keine Chance, sich aus eigener Kraft zu befreien. Das war der ganze Haken der Geschichte.

      Also konnte es nur mit einer List funktionieren.

      Er horchte auf, als eine plötzliche Veränderung in den Geräuschen des Schiffes vor sich ging. Das gleichmäßige Rauschen der Fluten um den Bug ließ nach, und das Knarren und Ächzen der Verbände verfiel in einen langsameren und unregelmäßigen Rhythmus. Angestrengt versuchte von Saxingen, sein Zeitgefühl wachzurufen. War es möglich, daß sie bereits einen Hafen anliefen?

      Schritte waren von den Decksplanken zu hören, das Geräusch pflanzte sich fort, da der Bauch des Schiffes wie ein Resonanzkörper wirkte. Dann vernahm von Saxingen das Dröhnen einer Trosse, die gelöst wurde. Ein Anker rauschte in die Tiefe, unverkennbar.

      Also kein Hafen. Nein, natürlich

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