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selbstverständlich. Hauptsache ist, es wird etwas gegen dieses Weib unternommen. Mit dieser verfluchten Großherzigkeit fällt sie unsereinem in den Rücken. Wie stehen wir denn da, wenn wir es ihr nicht gleichtun!“

      „Keine Sorge“, entgegnete Küzürtüsi. „Sie wird bald ganz andere Gedanken haben.“

      Der neue Tag hatte für die Arwenacks mit der Bordroutine begonnen. Abermals zeigte sich der Himmel von seiner strahlendsten Seite, und das geschäftige Treiben im Hafen unterschied sich wenig von dem Geschehen an den Tagen zuvor.

      Es war am späten Vormittag, als die Söhne des Seewolfs mit Plymmie, der finnischen Wolfshündin, von einem Landgang zurückkehrten. Plymmie flitzte als erste an Bord, als wollte sie es sein, die hechelnd die Neuigkeit kundtat.

      Der Seewolf, der sich mit Ben Brighton auf dem Achterdeck aufhielt, strich der Hündin über den Kopf, und sie schmiegte sich an seine Stulpenstiefel.

      Sekunden später waren auch Philip und Hasard junior zur Stelle. Keuchend verharrten sie vor ihrem Vater. Der Seewolf wechselte einen Blick mit dem Ersten Offizier.

      „Da scheint sich ja eine Sensation anzubahnen“, sagte Hasard lächelnd. „Oder weshalb seid ihr so aus dem Häuschen?“

      „Da wird eine Sänfte getragen!“ rief Philip, der als erster wieder zu Atem gelangt war. „Sie nähert sich unserer Pier.“

      „Wir glauben, daß es der Besucher ist, der sich für heute vormittag angesagt hat“, fügte Hasard junior keuchend hinzu.

      „Durchaus möglich“, erwiderte der Seewolf. „Aber ihr solltet euch doch langsam daran gewöhnt haben, wie sich reiche Leute hierzulande fortbewegen.“

      „Das schon“, sagte Philip. „Aber in diesem Fall ist es etwas ganz Besonderes. So eine kostbare Sänfte hat nämlich noch keiner von uns gesehen. Da sind Hasard und ich völlig sicher.“

      Der Seewolf zog in gespielter Ehrfurcht die Augenbrauen hoch. „Nun, dann werden wir uns mal gehörig überraschen lassen, denke ich.“ Er klopfte seinen Söhnen auf die Schultern. „Gut, daß ihr uns vorgewarnt habt. Dann fallen wir wenigstens nicht vor Respekt auf die Knie.“

      „Dad, du nimmst uns nicht ernst!“ rief Hasard junior empört.

      „So viel Reichtum auf einmal ist wirklich ungewöhnlich“, fügte sein Bruder im gleichen Tonfall hinzu.

      „Ich glaube, eure Ehrenrettung vollzieht sich ganz von selbst“, ließ sich Ben Brighton vernehmen. Er wies mit ausgestrecktem Arm zum Kai, wo der Hafenbetrieb plötzlich ins Stocken geriet.

      Lastenträger blieben stehen, wichen zur Seite und ließen Kisten und Ballen zu Boden sinken. Handwerker hielten mit ihrer Arbeit inne und hoben die Köpfe. Ein Frachtfuhrmann beeilte sich, sein Pferdegespann aus dem Weg zu treiben, und Kinder erschienen lärmend in der Einmündung einer Gasse, die auf den Kai hinausführte.

      Auch die Arwenacks, auf der Kuhl der Dubas, waren jetzt aufmerksam geworden. Da ihr Zweimaster die kleineren Schiffe in der Umgebung überragte, hatten sie keine Mühe, das Geschehen auf dem Platz am Kai zu beobachten.

      Hinter dem Pulk von Kindern tauchten gemessenen Schrittes die beiden vorderen Sänftenträger auf. Ihre Kleidung war uniformartig und hatte doch zugleich den Schnitt eines außergewöhnlichen Kostüms – mit silbern durchwirktem Stoff, silberfarbenen Schnabelschuhen und einem edelsteinbesetzten Turban.

      Gleich darauf schob sich die Sänfte ins Blickfeld, und sie bildete einen wirkungsvollen Kontrast zur silbern schimmernden Kleidung ihrer Träger.

      Die Sänfte, das konnte man selbst von der Dubas aus einwandfrei erkennen, war rundum mit Blattgold belegt. Die Sonne verursachte einen rötlich-goldenen Glanz auf den gerundeten Dachkanten und den kunstvoll gedrechselten Säulen. Die Seidenvorhänge waren zurückgezogen.

      Der Mann in der Sänfte trug ein Gewand, das mindestens so kostbar war wie das Blattgold, mit dem er sich umgab. Seine Statur war imposant, doch konnte man ihn nicht als massig bezeichnen.

      Was den Seewolf und seine Gefährten am meisten erstaunte, war die Tatsache, daß der Mann in der Sänfte mit keinem einzigen feindseligen Blick betrachtet wurde. Im Gegenteil, jene, die ihm auf seinem Weg zuschauten, bedachten ihn mit begeisterten Rufen. Und die Art, wie er ihnen zuwinkte, hatte nichts Herablassendes oder gar Blasiertes.

      Dieser Kemal Yildiz mußte ein überaus beliebter Mann sein.

      Nur um ihn konnte es sich handeln, denn seine Träger hielten auf die Pier zu, an der die Dubas vertäut lag.

      „Auf den Mann bin ich ehrlich gespannt“, sagte Ben Brighton leise.

      „Dann geht es dir nicht anders als mir“, entgegnete der Seewolf. Er wollte weitersprechen.

      Ein greller Blitz verhinderte es.

      Der Blitz zuckte aus der Sänfte, gut zweihundert Yards entfernt, und er wurde im winzigsten Bruchteil einer Sekunde vom Donner der Explosion gefolgt.

      Das schimmernde Gold der Sänfte wurde vom Gleißen des Detonationsfeuers verschlungen. Die Körper der Träger wirbelten durch die Luft. Von Kemal Yildiz war nichts mehr zu sehen. Es war, als hätte ihn das Zentrum der Detonation ebenso verschlungen wie seine kostbare Sänfte.

      Arbeiter und Handwerker, die in der Nähe gestanden hatten, wurden von der Druckwelle zu Boden geschleudert. Kisten und Ballen fielen durcheinander. Erst im Nachhall der Explosion waren die gellenden Schmerzensschreie von Verwundeten zu hören. Durcheinander entstand. Jene, die unverletzt geblieben waren, schrien ebenfalls und rannten nach allen Seiten auseinander. Einige sprangen ins Wasser, wo sie sich vor möglichen weiteren Explosionen sicher glaubten.

      In Sekundenschnelle war der Platz am Kai wie leergefegt.

      Nur die zerfetzten Leiber der Sänftenträger lagen noch dort. Die Verwundeten, die in unmittelbarer Nähe der Sänfte gestanden hatten, wälzten sich in ihrem Blut. Ihre Schreie wollten nicht enden.

      Der Seewolf überwand den Moment des fassungslosen Entsetzens als erster. Er stürmte los und war im nächsten Moment bereits an der Verschanzung.

      „Kutscher!“ brüllte er. „Mister Pellew!“ Die beiden Kombüsenmänner fungierten zugleich als Feldschere, wenn es erforderlich sein sollte.

      Und jetzt wurden ihre medizinischen Künste verdammt nötig gebraucht, wie es schien.

      Sie packten ihre Tragekisten mit den Instrumenten zusammen und eilten hinter dem Seewolf her.

      Die übrigen Arwenacks hielten sich zurück. Sie gehörten nicht zu jener Sorte, die als Gaffer immer und überall zur Stelle war, wenn sich blutiges Geschehen abgespielt hatte.

      Der Seewolf ging auf die Stelle zu, an der die Explosion stattgefunden hatte. Aus einiger Entfernung war Befehlsgebrüll zu hören. Entweder hatten sie es bei der Stadtwache selber gehört, oder ein erster Augenzeuge war bereits dort eingetroffen und hatte Alarm geschlagen.

      Die zerborstenen Bestandteile der Sänfte waren dreißig bis vierzig Yards weit auseinandergeflogen, an den Köpfen der Träger vorbei. Kemal Yildiz indessen existierte nicht mehr.

      Dort, wo ihn die Explosion zerrissen hatte, befand sich lediglich ein rußartiger Fleck auf den Pflastersteinen.

      Hasard betrachtete die Steine mit gefurchter Stirn.

      Schritte näherten sich aus einer der Gassen. Der Kutscher und Mac Pellew waren zur Stelle und kümmerten sich um die Verwundeten. Nur noch deren Schmerzenslaute waren zu hören. Die Angstschreie der Fliehenden waren verstummt. Aus der nächstgelegenen Gassenmündung erschienen Wachsoldaten im Laufschritt. Ein Offizier lief an der Spitze der Gruppe.

      Hasard konnte den Blick nicht von jenem Punkt wenden, an dem sich das Zentrum der Detonation befunden haben mußte. Dann, nach kurzem Überlegen, drehte er sich zu den Arwenacks um, die in Steinwurfweite entfernt auf der Pier ausharrten.

      „Al!“ rief der Seewolf. „Mister Conroy!“ Mit einer Handbewegung forderte er ihn auf, näherzutreten.

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