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befahl Dario. Tatsächlich wichen die Hunde von dem Baum zurück. Dario gab seinen Kerlen einen Wink. „Festbinden, die Biester! Als Hundefutter ist mir die kleine Hure doch zu schade.“

      Die Kerle lachten und kicherten, als habe ihr Anführer den großartigsten Witz der Welt gerissen. Ja, dieser Dario war wirklich ein Teufel! Ein Satansbraten erster Kategorie! Und sein Bruder Silvestro war noch wilder und brutaler. Doch von dessen Existenz wußte das Mädchen Salome nichts. Sie hatte bislang nur Dario gesehen.

      Glucksend vor Vergnügen nahmen die Banditen die Hunde an die Leine. Ein großer, bärenstarker Kerl mit pechschwarzem Bart hielt die Tiere fest. Er hieß Brodzu.

      Dario schaute zu Salome hoch. Seine Augen fixierten das Mädchen. Sie zitterte nach wie vor heftig. Das Grauen und die Panik schnürten ihr die Kehle zu.

      „Alles in Ordnung, Dario“, sagte Brodzu.

      „Gut.“ Dario Porceddus Augen verengten sich. „Also, zum letztenmal. Komm her, Salome.“

      „Ich – habe Angst!“

      „Die Hunde werden dir nichts tun.“

      „Du willst – mich töten!“ stammelte das Mädchen.

      „Ich könnte dich erschießen, mit meinem Gewehr“, sagte Dario mühsam beherrscht. „Aber ich tue es nicht. Du weißt, warum.“

      „Nein! Nein!“

      „Ich will dich lebend“, erklärte Dario. „Den Grund dafür kennst du.“

      „Niemals!“ stieß Salome entsetzt hervor. Dann schrie sie: „Hilfe! Hilfe!“

      „Schrei, soviel du willst“, sagte Dario unbeeindruckt. „Es wird dir keiner helfen. Hier in der Nähe befindet sich kein einziges Gehöft. Wir sind die einzigen Menschen weit und breit. Wie findest du das?“

      „Du – Teufel!“ schrie sie.

      „Mir reicht’s jetzt“, knurrte Dario.

      „He“, sagte Brodzu. „Schüttel doch einfach den Baum, Dario. Dann fällt sie runter wie eine reife Olive.“

      Dario trat mit dem Fuß gegen den Baum. Salome stieß einen klagenden Laut aus. Der Bandenführer trat noch einmal zu, und sie begann zu weinen. Die Kerle lachten und hieben sich mit den Händen auf die Schenkel. Die Hunde hechelten und winselten.

      Salome klammerte sich verzweifelt fest. Aber es nützte ihr nichts. Die Panik gewann vollends die Oberhand über sie. Ihre Knie knickten ein. Mit einem spitzen Schrei kippte das Mädchen von dem Ast, auf dem sie stand.

      Sie fiel, aber Dario fing sie unten auf. Sein Atem schlug ihr entgegen und traf ihre Wange.

      „Endlich halten wir uns wieder in den Armen“, sagte er rauh. „Es wäre doch schade gewesen, wenn wir uns nie wiedergesehen hätten.“

      Brodzu stieß einen Pfiff aus. „Hoppla, was ist das? ’ne Liebeserklärung?“

      Die anderen johlten dazu.

      Dario versetzte dem Mädchen einen Stoß. Sie stürzte auf den Boden. Sein Gesicht verzerrte sich zu eine Fratze des Hasses. Plötzlich hieb er mit der Peitsche auf sie ein. Salome stöhnte und schützte ihr Gesicht mit den Händen. Sie schrie und wimmerte, als der Lederriemen immer wieder ihre nackte Haut traf.

      Dario ließ die Peitsche sinken. „Das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was dich noch erwartet!“ zischte er. „Niemand überlistet mich ungestraft!“

      Langsam wandte sich das Mädchen zu ihm um.

      „Dann töte mich“, sagte sie.

      „Das könnte dir so passen.“

      „Es ist mir lieber, wenn deine Hunde mich zerreißen“, sagte sie.

      „Ach, rede doch keinen Blödsinn.“ Er trat zu ihr und wollte sie packen. Aber sie kroch vor ihm davon – ins Dickicht.

      Dario war mit einem langen Satz bei ihr, griff nach ihrem Arm und zerrte sie vom Boden hoch.

      „Spiel doch nicht die Heldin“, sagte er verächtlich. „Das liegt dir nicht.“

      Er riß sie mit sich und stieß sie zu seinem Pferd. Brodzu reichte ihm grinsend einen schwarzen Stoffetzen, und der Anführer band dem Mädchen damit die Augen zu.

      „Auf geht’s“, sagte er. „Wir haben schon genug Zeit verloren.“

      Er hievte Salome auf den Rücken seines Pferdes. Als sie zu zappeln begann, verpaßte er ihr wieder zwei Peitschenhiebe. Dann ließ er sie von seinen Kerlen am Sattel festbinden, damit sie nicht hinunterfallen konnte.

      Dario Porceddu saß auf. Er gab seinen Begleitern ein Handzeichen, und die Meute setzte sich wieder in Bewegung. Im Galopp ging es zurück zum Schlupfwinkel. Die Hunde rannten kläffend neben den Reitern her.

      Etwa anderthalb Stunden später erreichten die Kerle ihr Versteck, ein altes, burgähnliches Gemäuer in den Bergen. Früher hatten hier einmal türkische Wegelagerer gehaust. Die Pest hatte sie dezimiert, bis keiner von ihnen mehr am Leben gewesen war. Seit dem wurde das Gebäude von den Einheimischen gemieden.

      Dario Porceddu, sein Bruder Silvestro und die Meute der Gesetzlosen, die auf ihr Kommando hörten, lebten schon seit einigen Jahren hier. Sie hatten sich so gut eingerichtet, wie es ging, und sie fühlten sich in dem düsteren, finsteren Gemäuer sicher und wohl. Etwas Besseres, darin waren sie sich einig, hätten sie für ihre verbrecherischen Zwecke gar nicht finden können.

      Die Porceddu-Brüder und ihre Kerle stammten aus Sardinien. Dort wurden sie wegen Mordes, Raubes und Totschlags gesucht. Fing man sie, würde man sie auf der Stelle erschießen.

      Diesem Risiko hatte sich die Bande nicht aussetzen wollen. Eines Nachts hatten die Kerle in einem Fischernest bei Cagliari eine größere Schaluppe entwendet und waren mit ihr auf und davon gesegelt.

      Damals hatten sie zunächst einen Abstecher nach Sizilien unternommen. Eigentlich hatten sie sich dort niederlassen wollen. Aber die sizilianischen Banditen waren schlimmer als sie. Sie duldeten keine Sarden auf ihrer Insel. Bei einem Überfall, den die Gegner geführt hatten, hatten die Porceddus und ihre Kerle Federn lassen müssen. Dann war ihnen wieder nur die Flucht geblieben.

      Dario und Silvestro gelangten zu der Erkenntnis, daß es wahrscheinlich keinen Sinn hatte, in italienischen Gefilden zu bleiben. Sie setzten mit der Schaluppe nach Tunesien über. Von dort aus ging es weiter nach Tripolis, dann zum Hochland von Barka.

      Im Anschluß daran segelten die Kerle nach Kreta. Hier gefiel es ihnen aber auch nicht – es gab nichts zu holen. Sie suchten die Ägäis auf und stießen in die Dardanellen vor. Einem Zufall war es zu verdanken, daß sie ins Marmarameer gelangten und an der Küste der Türkei landeten.

      Als erstes überfielen sie einen Kaufmann und plünderten ihn aus. Seine Leiche warfen sie ins Meer. Das Opfer hatte Gold- und Silbermünzen bei sich gehabt.

      Das gefiel den Porceddus, und auch ihre Kumpane waren begeistert. In diesem Land mußte es noch mehr solcher Münzen geben. Hier sollte man also tunlichst die Zelte aufschlagen.

      Irgendwie gelang es den Kerlen, die Schaluppe zu verkaufen. Sie besorgten sich Pferde und wagten sich immer tiefer ins Landesinnere vor. Mal überfielen sie ein Gehöft, dann wieder lauerten sie Handelsreisenden auf.

      Sie drangen in einen Harem ein und entführten Frauen. Sie verschleppten alles, was ihnen in die Finger geriet, in die Berge. Und hier stießen sie dann auf das Gemäuer.

      Die Burg des Scheitans, so nannten die Einheimischen das unheimliche Gebäude. Angeblich lastete ein schlimmer Fluch darauf. Aber all das konnte die Sarden nicht beeindrucken. Sie waren nicht sonderlich abergläubisch.

      Dario und Silvestro verstanden es, ihren Spießgesellen alle Bedenken wegen des auserwählten Schlupfwinkels auszureden. Die Türken waren allesamt Narren, einem Moslem durfte man nicht trauen. Außerdem waren sie Memmen und Waschweiber. Ein richtiger Kerl fürchtete sich auch

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