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er zum Achterdeck. Dort stand der Capitán mit unbewegtem Gesicht, als habe er nichts bemerkt. Aber er hob unauffällig Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hoch. Das bedeutete, daß noch zwei Mann gebraucht wurden.

      Der Profos stand einen Augenblick stramm und verschwand dann erneut, um auch noch die zwei beiden fehlenden Leute zu pressen.

      Diesmal schnappten sie ein liederliches Bürschchen von sechzehn oder siebzehn Jahren, das an den Kais herumlungerte und hungrig in die Welt blickte. Das Bürschchen hatte eine sehr verderbte Visage und sah den beiden Männern mißtrauisch entgegen. Der Profos überlegte, wie er wohl in spanischer Uniform aussehen würde. Seine Visage würde das wohl kaum ändern, doch das tat nichts zur Sache.

      „Da stehen zwei Wachsoldaten in der Nähe“, raunte Pedro. „Gib acht, daß wir mit denen keinen Ärger kriegen.“

      „Im Gegenteil“, sagte Virgil. „Ich bin sicher, daß sie uns noch helfen werden.“

      Er ging dicht an dem Kerl vorbei, drehte sich dann um, packte blitzschnell seinen Arm und hielt ihn fest. Mit der anderen Hand gab er ihm eine saftige Ohrfeige.

      „Hier treibst du dich also ’rum, du Lumpensohn!“ brüllte er. „Wer hat dir erlaubt, das Schiff zu verlassen, was? Das wird dir noch leid tun, verdammter Lümmel!“

      Das Kerlchen wand sich und begann zu kreischen. Die beiden Wachsoldaten wurden aufmerksam und rückten näher.

      „Was gibt es?“ fragte der eine herrisch.

      „Er ist heimlich von Bord verschwunden und hat vorher die Kameraden beklaut“, empörte sich der Profos. „Nicht genug damit, er hat auch noch seine Uniform verhökert und das Geld versoffen.“

      „Ein Deserteur etwa?“

      „So kann man es nennen.“

      „Und dann treibt er sich hier am Hafen herum?“ fragte der eine mißtrauisch.

      „Er ist noch nicht lange an Bord. Der Kerl dachte wohl, daß man ihn ohne Uniform nicht mehr erkennt. Sieht ja auch reichlich abgerissen aus, der Strolch.“

      „Ich war noch nie auf einem Schiff“, brüllte das Bürschchen voller Wut. „Und den Mann habe ich nie gesehen.“ Offenbar ahnte der Bengel schon, welche Tour hier lief, denn daß man kurzerhand ein paar Leute preßte, war durchaus üblich.

      „Wenn er desertiert ist, bringen wir ihn in den Kerker“, sagte der Soldat streng und wollte nach dem Bürschchen greifen.

      „Dann fehlt uns ein Mann“, sagte der Profos. „Ich bin der Profos jener Karavelle dort drüben. Dem Kommandanten wird es nicht recht sein, wenn der junge Dachs in den Kerker wandert. Wir brauchen jeden Mann, und Don José de Zavallo wird ihn schon wieder zur Räson bringen, wenn er erst an Bord ist. Bringt ihn lieber zum Schiff hinüber.“

      Die beiden Soldaten fackelten nicht lange.

      „Ich will nicht aufs Schiff“, schrie der Schmächtige. „Die Kerle wollen mich pressen, ich kenne sie überhaupt nicht!“

      „Immer die gleiche Leier“, sagte der Profos abfällig. „Immer die gleichen faulen Ausreden. Er heißt Alberto Juarez, und jetzt gibt er vor, uns nicht zu kennen.“

      „Ich heiße nicht Alberto!“ schrie der Junge wild.

      „Jaja, das kennen wir. Komm jetzt mit, sonst gibt es Senge. Das kannst du alles an Bord erzählen.“

      So geschah es, daß der Profos und sein Steckenkecht heimlich grinsend, aber sonst mit ernsten Gesichtern, nur hinter den beiden Soldaten herzugehen brauchten. Die hatten den angeblichen Deserteur in die Mitte genommen und schleppten ihn an Bord.

      „Wir haben den Deserteur wieder eingefangen, Señor Capitán“, meldete der Profos.

      „Lumpengesindel“, sagte de Zavallo kopfschüttelnd von oben herab. „Sperren Sie ihn in die Vorpiek. Er wird in Eisen gelegt und soll seine Lektion erhalten.“

      Die beiden Soldaten salutierten stramm, lieferten den tobenden Kerl ab und empfahlen sich. So hatte alles seine Ordnung, und das brüllende Bürschchen verschwand ebenfalls in dem dunklen Verlies.

      Später erwischten sie auch den zehnten Mann, ebenfalls einen abgerissenen Kerl, der halb betrunken und Arm in Arm mit einer Hafenhure durch die Gassen schaukelte. Der Mann wußte gar nicht, wie ihm geschah, und begriff nicht, was die beiden von ihm wollten.

      Die Hafenhure floh kreischend, der Mann wurde zusammengeschlagen und an Bord der „Goldenen Henne“ verfrachtet.

      Damit war die Crew vollzählig.

      Eine halbe Stunde später meldete sich de Zavallo bei Don Lope und erklärte stolzgeschwellt, daß die Mannschaft komplett sei und das Schiff auslaufen könne.

      Er erntete ein wohlwollendes Schulterklopfen, erhielt seine Order und konnte auslaufen.

      Natürlich legte ihm Don Lope de Sanamonte noch einmal dringlich ans Herz, daß er Wert auf eine guteingespielte Mannschaft lege. Er sprach auch von Manneszucht und Ordnung und von Verantwortung dem Vaterland gegenüber.

      Das ging dem jungen Stutzer wie warmes Öl runter. Er hatte verstanden. Der Kommandant von St. Augustine würde sehr zufrieden mit ihm sein.

      Sehr zackig verabschiedete er sich. Die Aufbringung der „Goldenen Henne“ war ihm ohnehin in den Kopf gestiegen, und jetzt fühlte er sich dazu berufen, den Feind in Scharen zu treiben und Ruhm an seine Flagge zu haften. Außerdem mußte er Don Lope beweisen, was für ein Kerl er war – nämlich ein Held. In Bälde würden die Feinde Spaniens bereits zittern, wenn sie nur seinen Namen hörten!

      Im Geiste sah er eine glorreiche Laufbahn vor sich, die er schon jetzt als Admiral abschloß. Daß er noch sehr viel lernen mußte, sagte ihm leider keiner.

       2.

      Noch vor Einbruch der Dämmerung lief die Karavelle südwärts mit Kurs auf die Straße von Florida aus. Dort sollte sie Aufklärung fahren und Wachdienst versehen.

      Jean Ribault und seine Männer, die zwangsweise mit dem Ausheben eines Wehrgrabens beschäftigt waren, sahen, wie die „Goldene Henne“ auslief und auf Südsüdost-Kurs ging. Sie knirschten vor ohnmächtiger Wut mit den Zähnen. Hilflos sahen sie ihrem Schiff nach, das jetzt unter spanischer Flagge segelte.

      Auf dem Achterdeck der Karavelle stand Don José de Zavallo in der Pose des großen Admirals. Er kontrollierte den Rudergänger und blaffte ihn an, weil das Schiff nicht haargenau auf Kurs lag.

      Auf dem Achterdeck befand sich auch der ehemalige Bootsmann Vicente Torres, der jetzt in Ermangelung von anderen geeigneten Offizieren als Erster fuhr.

      Er fühlte sich unter dem Kommando dieses Schnösels absolut nicht wohl, denn der war so vom Ehrgeiz zerfressen, daß er unbedingt etwas beweisen wollte.

      Die Schikanen gingen auch gleich darauf los, wie Torres ganz richtig erwartet hatte. Dieser Stiesel hatte jetzt ein recht gemischtes Völkchen an Bord, was ihn allerdings nicht im geringsten anfocht.

      Er war ein Vertreter jener Gattung, die da glaubte, das faule Schiffsvolk würde nur dann spuren, wenn es kräftig kujoniert würde. Diesen Standpunkt vertrat das aufgeputzte und überhebliche Bürschchen mit unglaublicher Hartnäckigkeit.

      „Profos aufs Achterdeck!“ schnarrte er.

      Als der Profos auf dem Achterdeck erschien, musterte de Zavallo ihn von oben bis unten.

      „Purren Sie alle Kerle hoch“, befahl der Capitán mit herrischer Stimme. „Alle, ohne Ausnahme. Ich verlange von jedem, daß er innerhalb einer Stunde rasiert und in Uniform an Deck erscheint. Ich dulde keine Stachelbärte, überhaupt keine Bärte. Es sind genügend Uniformen an Bord, um jeden einzukleiden. Vollzugsmeldung in einer Stunde. Wer nicht sofort pariert, erhält ein halbes Dutzend Hiebe. Vollzugsmeldung in einer Stunde auf dem Achterdeck. Abtreten!“

      Der Profos salutierte

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