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Selbstbeherrschung und harten Trainings zu verstehen. Hasard glaubte aber, etwas von dem, was Sun Lo ihm auseinandergesetzt hatte, begriffen zu haben.

      Er hechtete auf den letzten Widersacher zu, packte ihn und riß ihn mit sich zu Boden. Mit einem Hieb seiner rechten Handkante entledigte er ihn seiner Pistole. Sie wälzten sich auf dem Gang, überrollten sich, balgten sich, bis Hasard einen der Tricks anwandte, die er von Sun Lo gelernt hatte.

      Der Offizier löste sich von Hasard und prallte gegen die Gangwand zurück. Heftig schlug sein Hinterkopf gegen das harte Edelkastanienholz. Er sank mit einem Stöhnen an der Wand zu Boden.

      Hasard beschloß, die Angelegenheit zum Abschluß zu bringen. Er hob die eine Pistole auf, lief nach achtern und riegelte die Tür der Kapitänskammer auf.

      Der Bootsmann rappelte sich gerade benommen auf, wie der Seewolf im Mondlicht erkennen konnte. Er wollte nach einer Waffe greifen, aber Hasard stoppte ihn.

      „Auf die Galerie“, herrschte er ihn an. „Wird’s bald, oder muß ich nachhelfen?“

      Nein, daran war dem Bootsmann nicht gelegen. Er stolperte durch die immer noch offene Tür auf die Heckgalerie hinaus. Unterwegs strauchelte er fast über die liegende Gestalt des Ersten. Er stieß ihm die Stiefelspitze in die Körperseite, turnte über ihn weg und hielt sich mühsam in der Balance.

      Der erste Offizier, offensichtlich durch den Tritt aufgerüttelt, kam nun auch zu sich.

      Hasard scheuchte auch ihn nach achtern hinaus. Er nahm die Karaffe voll Wein mit, trat zu dem Kapitän Nuno Goncalves und leerte den edlen Vinho tinto über dessen Haupt aus. Die Wirkung trat augenblicklich ein. Der Kapitän hob den Kopf, schüttelte ihn und prustete. Verdattert schaute er sich um – und blickte in die Mündung der auf ihn gerichteten Pistole.

      „Freundchen“, sagte der Seewolf, „ich habe nur einen Wunsch, und den wirst du mir erfüllen.“

      „Seewolf“, zischte Goncalves. „Fahr zur Hölle!“

      „Später vielleicht“, sagte Hasard kalt. „Erst springst du.“

      Der Mann sah ihn ungläubig an.

      „Richtig verstanden“, sagte Hasard. „Du jumpst ins Wasser. Du und deine beiden Figuren. Ich sage das nicht noch mal.“

      Goncalves erhob sich unter dem zwingenden Blick des Seewolfs. Er trat zu dem Ersten und zu dem Bootsmann, kletterte auf die Balustrade der Galerie, sah noch einmal voll Haß zu dem Gegner – dann ließ er sich in die Tiefe fallen.

      Hasard zielte auf die beiden anderen, und auch die hatten es plötzlich sehr eilig, von Bord der „Sao Paolo“ zu gelangen.

      4.

      Die Partie im Vordeck war ebenfalls entschieden. Carberry, Smoky, Blacky, Ferris und Dan scheuchten gut zwei Dutzend Portugiesen aufs Oberdeck und zwangen sie, die Beiboote abzufieren. Verstört und mit fliegenden Fingern nestelten die Besiegten die Laschings der Boote los, hievten sie hoch, beförderten sie an den Galgen außenbords und fierten sie ungewöhnlich schnell ab.

      „Ein Zugeständnis“, sagte der Profos unwillig. „Ihr Saubande, wenn es nach mir gegangen wäre, hättet ihr nicht eine einzige müde Jolle gekriegst. Dann wärt ihr alle baden gegangen.“

      Ferris lachte und wies nach Backbord. „Einige scheinen deine Gedanken gelesen zu haben, Ed. Hörst du das?“

      Ja, Carberry vernahm es jetzt auch. Da war ein Plätschern, ein Aufwühlen des Seewassers jenseits der Bordwand der Galeone. Überrascht hob er die Augenbrauen. Er vergewisserte sich, daß die Kameraden die Portugiesen auch allein bewachen konnten, drehte sich um und trat ans Schanzkleid.

      Im Meer schwammen zehn oder zwölf Männer, der Profos bereitete sich nicht erst die Mühe, sie genau zu zählen. Nichts schien diese Burschen mehr zu interessieren, als soviel Distanz wie irgend möglich zwischen sich und die Galeone zu legen.

      Carberry grinste. „Ausgekniffen, was? Das große Sausen gekriegt, wie? Ho, das haben wir gern. Feigheit vor dem Feind und Fahnenflucht – deswegen könnte euer Kapitän, dieses Rübenschwein, euch glatt vors Kriegsgericht stellen.“

      Er wandte sich um und sah den Seewolf, der gerade vier Männer aus dem Achterkastell auf die Kuhl trieb. Reichlich verunstaltet sahen die Dons aus, und ihre Mienen drückten allen Jammer der Welt aus.

      „Sir!“ rief Carberry. „Einen Teil des Haufens haben wir glatt in die Flucht geschlagen.“

      „Um so besser, Ed.“

      „Sollen wir die Hundesöhne jetzt in die Boote abentern lassen?“

      „Natürlich, was denn sonst?“

      Smoky schaute zu Carberry und lachte. „Willst du dich von den Dons verabschieden?“

      Der Narbenmann schnitt eine Grimasse. „Ja, es tut mir richtig leid, daß sie abhauen. Hatte mich schon an sie gewöhnt.“

      „Ab durch die Mitte“, sagte Blacky zu den Portugiesen. Er beherrschte ihre Sprache gut, hundertmal besser als Carberry. Sie verstanden ihn denn auch sofort und drängten sich vor den Jakobsleitern, die Carberry hatte ausbringen lassen. Sie konnten gar nicht schnell genug in ihre Boote steigen.

      „Ferris und Dan“, sagte der Seewolf. „Ihr durchsucht jetzt die Schiffsräume. Wenn ihr etwas findet, das wir mitnehmen können-bitte. Aber laßt Pulver und Munition liegen, wir haben noch genug Vorrat an Bord.“

      „Aye, Sir“, erwiderte Ferris. Er drehte um, Dan folgte ihm, und sie verschwanden unter Deck.

      Etwas später hatten die Portugiesen mit den Booten von der Bordwand abgelegt. Ferris und Dan kehrten zu Hasard zurück und zeigten ein paar besonders wertvolle, reich verzierte Pistolen vor, die sie entdeckt hatten.

      „Die stammen aus einer Kammer des Achterdecks“, erklärte Dan O’Flynn. „Ich fände es schade, wenn wir die hierlassen würden. Ich weiß, wir nehmen kein Boot, wir schwimmen an Land zurück, um keine Spuren zu hinterlassen. Aber ich könnte die Dinger auf einem Plankenstück festzurren, damit sie nicht naß werden.“

      „Meinetwegen“, entgegnete Hasard. Er blickte Ferris an. „Und was hast du gefunden?“

      „Werkzeuge, Sir.“ Ferris grinste von einem Ohr zum anderen.

      „Auch einen Bohrer?“

      „Na klar, Sir.“

      „Was stehst du dann noch herum? Du weißt ja, was du zu tun hast.“

      Ferris Tucker verließ wieder das Oberdeck. Er stieg tief in den Schiffsbauch der stolzen, schönen „Sao Paolo“ hinunter und begab sich mit den Beutewerkzeugen an eine Arbeit, die er nicht zum erstenmal ausübte. Er wußte, wo die besten Stellen waren, um den Bohrer anzusetzen, und wie viele Löcher erforderlich waren, um das Kriegsschiff in relativ kurzer Zeit auf den Grund der See zu befördern.

      Schon nach kurzer Zeit lief er wieder zur Kuhl hoch. Die Werkzeuge hatte er im untersten Schiffsraum zurückgelassen.

      „Wir können das Schiff jetzt verlassen“, meldete er seinem Kapitän.

      Hasard warf noch einen Blick nach Backbord und sah den Booten nach. Es waren drei, zwei große und eine kleinere Jolle. Das am weitesten nach Westen versetzt dahingleitende Boot wurde in diesem Moment von seinen Insassen gestoppt. Sie hatten den Kapitän, den ersten Offizier und den Bootsmann entdeckt, hielten auf sie zu und nahmen sie an Bord.

      Hasard grinste.

      Natürlich durften sie es nicht bemerken, wie die Seewölfe jetzt heimlich die „Sao Paolo“ verließen. Die Portugiesen mußten denken, daß ihre Gegner das Schiff besetzt hielten, ja, daß sie sogar die Geschütze luden und sich auf einen Gegenschlag vorbereiteten.

      Wenn der Capitán und seine Mannen bemerkten, daß man sie getäuscht hatte, würde es bereits zu spät sein. Dann konnten sie nicht mehr an Bord der Galeone zurückkehren, die Lecks

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