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Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe Paket 7
Год выпуска 0
isbn 9783954394968
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Carberry, Smoky, Blacky, Ferris und Dan hatten das Achterkastell der Galeone verlassen und kauerten sprungbereit. Sie hielten den Atem an, denn was der Seewolf in diesem Augenblick vorführte, war wirklich das Ausmaß der Verwegenheit.
Für zwei oder drei Sekunden glaubten die beiden Posten auf der Back vielleicht noch daran, den zweiten Wachmann vor sich zu haben. Sie hatten nicht erkennen können, was sich vor der Hütte abgespielt hatte. Sie hatten Sirios Partner nur verschwinden und dann sofort wieder eine Gestalt auftauchen sehen.
Jetzt sperrten sie die Münder auf.
Hasard nutzte das Überraschungsmoment eiskalt aus. Er duckte sich, sprintete los, hetzte über die Planken und steuerte genau auf das Vorkastell zu. Kurz davor stieß er sich ab.
Er federte genau in dem Moment auf die zwei Deckswachen zu, in dem diese die Pistolen zückten. Einer der beiden stieß einen keuchenden Laut des Entsetzens aus.
Hasard packte zu und kriegte sie an den Hemdaufschlägen zu fassen. Ehe sie sich wehren konnten, rammte er ihre Köpfe zusammen. Ihr ausgesprochenes Pech war, daß sie keine Helme trugen. Sie stöhnten auf und sackten zusammen. Der Seewolf klammerte sich an der Handleiste der Querbalustrade fest, zog sich endgültig hoch und rutschte über die hölzerne Barriere weg auf das Vordeck.
Der eine Posten war ohnmächtig zusammengesunken. Der andere fing sich wieder, richtete seine Pistole auf Hasard und spannte den Hahn. In seinen Augen loderte es, Haß verzerrte sein Gesicht.
„El Lobo del Mar“, stieß er hervor.
Hasard schwang auf ihn zu. Sein rechter Fuß zuckte hoch, es funktionierte auch diesmal, Sun Lo war ein hervorragender Lehrmeister. Die Pistole löste sich aus der Hand des Portugiesen, wirbelte durch die Luft und flog außenbords.
Hasard setzte nach und packte den Arm des Gegners. Der Posten hatte plötzlich das Gefühl, sein Schultergelenk würde ausgekugelt werden. Er verlor den Boden unter den Füßen, hob sich unter Hasards Griff ein Stück durch die Luft und krachte schwer gegen die Schmuckbalustrade. Besinnungslos blieb auch er liegen.
Hasard blickte sich um und entdeckte die Musketen der beiden Männer. Er griff sie, eilte zur Kuhl und warf sie von oben aus seinen wartenden Männern zu.
Carberry fing die eine Muskete auf, Dan schnappte sich die andere. Sie grinsten, nickten sich zu und stiegen als erste ins Vorschiff hinunter. Dort befand sich das Mannschaftslogis, dort mußte die entscheidende Auseinandersetzung stattfinden.
Unten, auf dem dunklen Gang, taumelte dem Profos der „Isabella“ ein schlaftrunkener Mensch entgegen. Offenbar hatte er etwas von dem vernommen, was sich auf Oberdeck getan hatte – jetzt wollte er nach dem Rechten schauen. Vielleicht war er der Decksälteste. Oder gar der Profos. Wer auch immer – Ed Carberry fällte ihn mit einem wilden Hieb. Der Sturz des Portugiesen verursachte einigen Lärm: Poltern, Rumpeln, das Schlagen von Stulpenstiefeln auf den Planken.
So wurde der eine oder andere Schläfer wach.
Überall regte sich Leben, mürrische Stimmen fragten, was los sei und ob man nicht Ruhe geben könne.
Carberry tastete sich in einen Raum vor. Er vernahm Schnarchen, Atmen, Husten. Er stupste Dan O’Flynn an, der dicht neben ihm war. Sie flankierten die Tür, lehnten sich mit dem Rücken gegen die Wand und hoben die Musketen.
Jemand schlug Feuerstein und Feuerstahl gegeneinander. Ein Funke entstand, dann glomm ein Talglicht auf. Verwirrte Mienen, liegende und halb aufgerichtete Gestalten, mindestens zwanzig an der Zahl – jawohl, sie standen im Mannschaftslogis.
„Hoch die Flossen“, sagte Carberry in holprigem Portugiesisch. „Unternehmt keinen Quatsch, ihr Bastardos, oder wir marschieren hier durchs Schiff, daß es nur so raucht. Also, schön brav sein.“
Smoky, Blacky und Ferris Tucker hatten sich inzwischen auf die übrigen Schlafräume des Vordecks verteilt. Es gab ein paar Kammern, in denen der Feldscher und ein paar andere Leute ihrer zweifellos verdienten Nachtruhe nachgingen. Für sie gab es ein höchst unerfreuliches Erwachen.
Hasard nahm sich im Alleingang ein paar Offiziere vor, die sich gerade anschickten, das Achterkastell zu verlassen. Er hätte sich eher um sie kümmern können, aber es war ihm das Wichtigste gewesen, zuerst die Deckswachen auszuschalten.
„Zwei Kerle“, sagte im Mannschaftslogis soeben einer der Portugiesen. „Und sie haben nur zwei Schuß. Überwältigen wir diese Hunde.“
Dan blickte zum Profos. „Ed – ohne Waffengewalt, hat der Seewolf gesagt.“
„Glaubst du, ich bin taub?“
„Nein, ich wollte dich bloß noch mal daran erinnern“, sagte Dan grinsend.
Die ersten Portugiesen sprangen aus ihren Kojen. Zweifellos hatten sie bereits eine Ahnung, wer ihre Gegner waren, und sie wollten sich auf Teufel komm raus Lorbeeren verdienen. Denn auf die Ergreifung des Seewolfes und seiner Crew war eine Belohnung ausgesetzt, eine Kopfprämie, deren Höhe Philipp II. von Spanien höchstpersönlich festgelegt hatte.
Carberry drehte seine Muskete um und benutzte sie als eine Art Dreschflegel. Den Hahn der Waffe hatte er gar nicht erst gespannt, sie konnte also nicht losgehen. Er mähte vier, fünf Angreifer nieder, dann ließ er die Muskete los und fing an, „durch das Schiff zu marschieren“, wie er angekündigt hatte.
Wenig später tobte der Kampf sowohl im Vor- als auch im Achterschiff.
Hasard und seine Männer teilten großzügig Schläge und Tritte aus, sie bedienten sich wieder der Methoden, die Sun Lo ihnen beigebracht hatte. Der Seewolf hatte allein vier Mann gegen sich, aber dank der einzigartigen Verteidigungsweise hielt er sie sich vom Leib.
Hasard trat einem wutschnaubenden Offizier unters Kinn, setzte mit der Faust nach und schickte ihn mit einem Schlag zu Boden. Den Hieb eines anderen Gegners blockte er mit der Handkante ab, dann packte er zu und verdrehte dem Mann den Arm, daß er quer durch den Gang des Achterkastells flog und ein paar Yards weiter hart auf den Planken landete.
Er tauchte unter einem sirrenden Degen weg, ließ wieder seinen Fuß hochschnellen und entwaffnete den Gegner. Konzentriert schlug und trat er abwechselnd, paßte aber auf, keinen der Angreifer durch zu harte Abwehr lebensgefährlich zu verletzen.
Einen derart ausdauernden Faustkampf hatte der Seewolf bisher noch nicht ausgetragen. Und nie hatten sich die Männer der „Sao Paolo“ einer so wehrhaften kleinen Streitmacht gegenübergesehen, nie hatte man sie im Kampf auf Deck dermaßen in Verlegenheit gebracht.
Ein einziger Tag im Bergkloster von Formosa hatte nicht ausgereicht, um Hasard und seine Männer in alle Geheimnisse der mysteriösen Kampfweise einzuweihen. Sun Lo hatte ihnen aber versichert, daß sie die Grundzüge der waffenlosen Verteidigung recht gut verinnerlicht und in die Praxis umgesetzt hätten.
Was aber Sun Los Mönche zu vollbringen vermochten, war sehr viel erstaunlicher. Hasard hatte auf dem Hof vor dem Tempel der Großen Vollendung gesehen, wie ein Schüler mit der bloßen Faust einen Stapel von zwölf gebrannten Tonziegeln zertrümmert hatte. Er war dabeigewesen, wie zolldicke Bretter mit der Handkante gespalten worden waren. Weiter gab es Konzentrations- und Meditationsübungen, die den Mönchen neue Erkenntnisse eröffnen sollten, die sie immer wieder an die Basis der Gewaltlosigkeit erinnerten, auf der ihre Lehre eigentlich beruhte. Die Mittel, mit denen man sich gegen eine Invasion wandte, wurden durch den Zweck geheiligt, sie erwuchsen aus der Not. Aber Sun Lo wies immer wieder darauf hin, daß er keine hirnlosen Kraftprotze fördern wolle.
Sun Lo hatte Hasard erzählt, daß er manchmal mit den Klosterschülern zum Fluß hinuntersteige und sie dort lernten, wie man auf dünnen, schmalen Brettern über das Wasser laufe. Sie konnten mit Nagelschuhen Mauern hochrennen, über Kohlen und Glasscherben gehen und noch viele andere erstaunliche Demonstrationen vollführen.
Dies alles gehörte zu den harten, entbehrungsvollen Prüfungen, die Sun Lo allen