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breitete plötzlich die Arme aus, stürzte kopfüber auf die Palisaden und spießte sich auf. Aber er war schon vorher tot, von einer Musketenkugel getroffen.

      Aus dem Achterdeck der Fleute rasten die beiden Kapitäne, Beeveren löste sich, sprang auf die Kuhl hinunter und stürmte über die Stelling an Land.

      „Überfall!“ brüllte er. „Alarm! Schießt zurück, ihr verfluchten Hunde! Schießt!“

      Und er rannte zu dem Tor. Doch es war verschlossen. Wie ein Irrer hämmerte er gegen die Bohlen.

      „Aufmachen, ihr Idioten!“

      Die Fleute sackte nach Backbord. Auf dieser Seite hatte sie ein Loch in der Bordwand – genau in der Wasserlinie. Der Kapitän tobte auf dem Achterdeck herum. Auf seinem Schiff herrschte totale Wuhling.

      Aus dem Gebäude des Kastells stürmten die Kerle, zum Teil halb angezogen. Einer öffnete das Tor. Beeveren rannte ihn über den Haufen, faste zu einem Wehrturm und verschwand darin. Auf der Plattform erschien er wieder und begann an einer Kanone zu hantieren.

      Fast gleichzeitig hoben Batuti und Big Old Shane ihre Langbogen, visierten und ließen die Pfeile los.

      Pieter Hendrik Beeveren, mehrfacher Mörder und Frauenschänder, lebte noch genau fünf Sekunden. Er bäumte sich auf, als beide Pfeile in seinen Rücken fuhren, torkelte über die Plattform, geriet zwischen zwei Zinnen und stürzte in den Innenhof ab.

      Die Kerle heulten auf.

      Einige stiegen auf den Wehrgang, Musketen in den Fäusten, andere besetzten Drehbassen oder erschienen auf den Wehrtürmen bei den Kanonen, um sie schußfertig zu machen und zu richten.

      Doch da zischten ihnen lange Dinger zwischen die Beine, und diese Dinger explodierten. Und da taumelte einer herum und umkrampfte einen Pfeil, der in seiner Brust steckte. Da, noch einer! Doch dem steckte der Pfeil im Hals. Und einer stürzte vom Wehrgang!

      Die Galeone hatte gehalst und fuhr ihren zweiten Angriff.

      Ihre Breitseite, jetzt von Backbord, brüllte auf und hieb ihr Eisen in das Kastell. Palisaden flogen davon wie dünne Hölzchen, Mauerwerk barst, Schreie, Flüche, Kreischen.

      Die Kerle auf der Fleute rannten davon. Ihr Schiff krängte fast bis zum Schanzkleid. Irgendwann würden die Leinen brechen oder die Poller aus den Verankerungen reißen. Und dann würde das Schiff an der Pier absaufen – eine Schmach für ein Schiff, denn Schiffe sterben auf See – im Kampf gegen die Elemente oder im Gefecht mit dem Gegner.

      Der Kapitän blieb auf dem Achterdeck, wenigstens der. Und er schüttelte drohend die Faust zu dem fremden Schiff. Eine Musketenkugel riß ihn herum, er rutschte über das schräge Deck und kippte außenbords.

      Die Pfeile der beiden tödlichen Schützen holten einen nach dem anderen ein. Und als sie sich in den toten Winkel verkrochen, fielen Flaschen in den Innenhof, die explodierten und ihre furchtbaren Ladungen verstreuten wie Blunderbusse mit Trichtermündungen.

      Beim dritten Angriff flog das Tor auseinander, die ersten Palisaden begannen zu brennen. Das Kastell verwandelte sich in ein rauchendes Trümmerfeld. Und der fremde Gegner gab und gab nicht auf. Er war erbarmungslos und zerhämmerte das Kastell Stück um Stück.

      Wer durch das Tor zu fliehen versuchte, der gelangte nicht weit – die Pfeile waren schneller …

      Gegen vier Uhr morgens nahm die „Santa Barbara“ die beiden Schaluppen an der Bucht der Insel Sarangani auf. Zu diesem Zeitpunkt stand eine Flammensäule im Südwesten, und eine Detonation rollte über die See. Da war der Pulverturm des Kastells in die Luft geflogen.

      Die drei Schiffe steuerten nordwärts.

      Am Nachmittag brachte Don Juans Schaluppe die acht jungen Badjao-Frauen und die fünf anderen an Land, dort, wo Igna und seine Leute standen und winkten.

      Dann setzten die drei Schiffe ihre Fahrt nach Davao fort. Don Alonso de Figuiera, der Kommandant des kleinen Stützpunktes, fiel Hasard buchstäblich um den Hals. Und am Abend wurde gefeiert. Auch die zwölf befreiten weißen Gefangenen waren dabei. Sie würden im Stützpunkt bleiben, um sich zu erholen. Und später würden sie die beiden Schaluppen bemannen, denn es waren Seeleute eines spanischen Handelsseglers, der von der Beeveren-Bande geentert, geplündert und versenkt worden war. Sie waren die einzigen Überlebenden.

      Don Alonso bat Hasard, die Gewürze mitzunehmen, die sich in Davao stapelten, und nach Manila zu bringen, wo sie längst hätten sein sollen.

      „Gern“, erwiderte Hasard höflich. „Es wird mir eine Ehre sein, Señor Capitán.“

      Sie übernahmen die Gewürze und verließen am nächsten Tag den kleinen Hafen von Davao. Da stand die ganze „Einwohnerschaft“ an der Pier und schwenkte die Tücher. Und die Arwenacks winkten zurück.

      Im Golf fragte Ben Brighton seinen Kapitän: „Willst du nach Manila segeln, um das Zeug abzugeben?“

      „Ich? Bin ich verrückt?“

      Ben verstand überhaupt nichts mehr. „Aber wieso …“

      „Gar nichts ‚wieso‘, mein Guter. Die Gewürze empfinde ich als Belohnung für unsere guten Taten, und die Leute in Manila werden vergeblich auf die Gewürzladungen aus Davao warten. Denn wir segeln ja nach China, nicht? Und da können wir das Zeug vielleicht gegen schönes Feuerwerk eintauschen. Oder nicht?“

      „Das ist Betrug!“

      „So?“ sagte Hasard schnippisch, legte die Hände aufs Kreuz und marschierte zur Steuerbordseite …

      ENDE

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       1.

      De Canares blickte im Dunkel des engen Schiffsraumes sein Gegenüber an, den jungen Joan Marinho. Marinho war erst sechzehn. Er litt am meisten unter den Grausamkeiten. Lange würde er nicht mehr durchhalten, das wußte de Canares. Aber wer von ihnen hatte noch die Energie, diesen Teufeln in Menschengestalt zu trotzen?

      Lareto sprach kein Wort mehr. Er stierte nur vor sich hin. Toninho war in wenigen Tagen zu einem Wrack geworden. Nicht besser ging es Rodrigo und Costales. Und Barilla, dieser Riese von Kerl? Auch ihn hatten sie an Leib und Seele gebrochen. Zuerst hatte er Widerstand geleistet. Dafür hatten sie ihn grün und blau geprügelt. Jetzt wagte er nicht mehr, sich zur Wehr zu setzen.

      „He“, sagte de Canares mit heiserer Stimme. „Von diesem Dreck hat uns keiner was erzählt, als wir auf dem Elendskahn angeheuert haben, was?“

      „Hör auf“, erwiderte Joan Marinho. „Ich will von der ‚Sao Paolo‘ nichts mehr wissen.“

      „Ja, halt’s Maul, Vinicio“, sagte nun auch Barilla.

      „Ich will aber nicht schweigen“, sagte de Canares. „Und ich möchte, daß ihr euch immer wieder auf das eine besinnt. Wir müssen hier raus. Wir müssen de Norimbergo fassen. Koste es, was es wolle. Und wenn wir ihn um die ganze Welt jagen müssen.“

      „Fängst du wieder mit der Leier an?“ murmelte Costales.

      „Alles Quatsch“, brummte Toninho. „Den Capitán sehen wir nicht wieder. Wir verrecken hier wie die Ratten.“

      „Laßt mich weitersprechen“, sagte de Canares.

      „Tu, was du willst“, entgegnete Barilla. „Aber es nutzt nichts. Wir sollten den Tatsachen ins Auge sehen.“

      „Das tue ich auch“, entgegnete de Canares. „Ich bin noch nie im Leben von einem Kerl so angeschissen worden wie von de Norimbergo. Er hat uns alle verraten und verkauft.“

      „Als wir ihn in Lissabon getroffen haben, hätten wir nicht so gutgläubig sein sollen“, sagte Costales mit müder, brüchiger Stimme. „Er hat uns beschwatzt. Es ist unsere eigene Schuld.“

      Barilla

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