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      Die zwölf Männer und die fünf Frauen standen wie vom Donner gerührt, fassungslos über das, was um sie herum geschah. Das war Spuk, Phantasie, eine Fata Morgana. Das gab es nicht.

      Auf spanisch rief Hasard: „Zählt die Aufseher – es müssen fünfzehn sein!“

      Dan O’Flynn war schon dabei, stieß den Arm hoch und rief: „Fünfzehn, Señor Capitán!“

      „Danke – jetzt fesseln, wie besprochen!“

      Einer der spanischen oder portugiesischen Männer stürzte zu Hasard, aufgelöst, Tränen liefen ihm in den struppigen Bart.

      „Ist es wahr, Señor? Ist es wahr? Sie befreien uns?“ stammelte er.

      „So ist es“, sagte Hasard lächelnd. „Beruhigen Sie sich. Wir bringen Sie und Ihre Kameraden nach Davao. Aber fragen Sie jetzt nicht, wir haben noch einiges zu tun.“

      „Danke, Señor, danke, der Herr möge Sie beschützen …“ Und der Mann schlug die rissigen Hände vors Gesicht, um die Tränen zu verbergen, die ihm aus den Augen schossen.

      Hasard wandte sich zu Don Juan um. „Bring sie an Bord und kümmere dich um sie, Juan. Nimm ein paar von uns mit. Wir kommen gleich nach, sobald wir die Kerle verschnürt haben.“

      „Geht klar, Capitán.“ Er blinzelte Hasard zu und sagte etwas leiser: „Mein Gewissen ist nicht belastet – das von Dan auch nicht, damit du das weißt.“ Er drehte sich um und rief die befreiten Gefangenen zusammen. Mit vier Arwenacks zogen sie ab.

      Hasard lächelte verstohlen hinter Don Juan her. Dann widmete er sich den bewußtlosen Kerlen und ging jeden einzelnen ab. Seine Mannen waren bereits mit den Fesselungen beschäftigt. Natürlich hatten sie die Kerle gefilzt und ihnen alles abgenommen, was sie an Waffen hatten.

      Carberry war dabei, diesen wüsten Burschen Stiefel und Hosen auszuziehen, Gary Andrews und Blacky halfen ihm dabei. Sie feixten bis zu den Ohren.

      „Was soll das denn?“ fragte Hasard.

      „Spaß muß sein, Sir“, erklärte Carberry energisch. „Außerdem möchte ich, daß ihnen die Sohlen qualmen, wenn sie barfuß den Rückmarsch antreten. Und im Hemdchen macht sich das besonders gut, verstehst du? Sie werden eitel Freude und Wonne sein, wenn sie im Hemd ohne Hose und Stiefel gen Süden wandern. Und was meinst du, was sich ihr Häuptling darüber freuen wird, wenn er diese Gestalten sieht!“

      Hasard lachte schallend. Es war ein befreiendes Lachen nach dem Drama, das bei den verbrannten Pfahlbauhütten und den gemordeten Badjao seinen Anfang genommen hatte – bis hierher, wo sie den Kontrapunkt gesetzt hatten.

      Jetzt war noch das Kastell dran. Die Endabrechnung war fällig.

       8.

      Er rief Batuti und Big Old Shane zu sich. Ein Plan war durch seinen Kopf gegangen.

      „Ihr habt eure Langbögen dabei?“ fragte er.

      „An Bord von Dans Schaluppe“, erwiderte Old Shane. „Du hast was vor, nicht wahr?“

      „Gedankenleser! Ja, aber ihr sollt ablehnen, wenn euch die Sache zu riskant erscheint“, erwiderte Hasard.

      „Dann leg mal los“, sagte Old Shane und blinzelte Batuti zu. Der blinzelte zurück.

      „Wir greifen nach Mitternacht mit der ‚Santa Barbara‘ das Kastell an“, sagte Hasard. „In der letzten Nacht fiel mir auf, daß man von Norden her in das Kastell sehen kann. Batuti weiß das. Vermutlich werden die Kerle bei Alarm die Wehrtürme und den Wehrgang an den Palisaden besetzen, die zur See weisen. Ihr könntet sie mit Pfeil und Bogen unter Beschuß nehmen, zumindest die Kerle auf dem Wehrgang hätten keine Deckung. Auf den Wehrtürmen sind Zinnen, aber auch da schießt ihr aus der Überhöhung nach unten. Die Wehrtürme sind insofern wichtig, weil dort Kanonen und Drehbassen stehen. Was meint ihr?“

      Batuti und Big Old Shane blickten sich an, nickten sich zu, und Old Shane sagte: „Wir holen unsere Waffen. Alles klar. Ich schätze, ihr holt uns dann von der Pier ab, eh?“

      „Oh, ihr könnt natürlich auch auf der Insel bleiben und Plantagenbau betreiben, wenn ihr wollt“, sagte Hasard.

      „So weit kommt’s noch“, knurrte Old Shane.

      Hasard lachte. „Na klar holen wir euch ab, mein Alter.“

      „Wir haben von Ferris Flaschenbomben an Bord der Schaluppen“, sagte Batuti. „Ich würde von den Dingern gern ein paar mitnehmen.“

      „So viele ihr wollt.“

      Die beiden zogen ab, um ihre Waffen zu holen.

      Die Kerle waren inzwischen alle „versorgt“ worden. Carberry und Matt Davies schleppten Hosen und Stiefel ab und schleuderten sie am Strand weit hinaus ins Wasser. Die Stiefel blubberten auf Tiefe. Die Hosen trieben etwas, bis sie mit Wasser vollgesogen waren und ebenfalls absackten. Die Kerle waren so verteilt, daß keiner den anderen erreichen konnte. Jeder war an einen gefällten Stamm gefesselt. Sie würden Stunden brauchen, um sich zu befreien – wahrscheinlich die ganze Nacht. Mit Kopfschmerzen war das sowieso eine Sache für sich. Und nackte Sohlen waren für Schnelläufer im Dschungel ungeeignet.

      Als Hasard mit den restlichen Mannen den Schauplatz verließ, dämmerte es. An der Schneise begegneten ihnen bereits Batuti und Old Shane, beide ziemlich bepackt.

      Hasard stoppte und rieb sich die Nase.

      „Da ist noch etwas, Freunde“, sagte er. „Ihr müßt damit rechnen, daß sich die Kerle im Kastell allmählich darüber wundern werden, wenn ihre Kumpane nicht mit den Gefangenen zur gewohnten Zeit zurückkehren. Ich schätze, sie werden dann jemanden losschicken, um nachsehen zu lassen, was los ist. Vielleicht könnt ihr diesen Jemand abfangen?“

      „Das ging mir auch schon durch den Kopf, Sir“, sagte Batuti. „Na, wir werden sehen, was sich tun läßt. Ich weiß ja, wo dieser Jemand langgehen muß. Wird schon klappen.“

      „Dann macht’s gut, ihr beiden“, sagte Hasard. „Viel Glück – und fangt erst mit eurem Beschuß an, wenn wir das Feuer eröffnet haben und die Kerle mit uns beschäftigt sind. Das ist dann eure Chance. Aber haut um Gottes willen ab, falls euch der Häuptling einen Trupp auf den Hals hetzt.“

      „Ja-ja“, sagte Old Shane, „hat Papa noch mehr Ermahnungen, oder können wir uns jetzt schwingen?“

      „Schwingt euch“, sagte Hasard.

      Sie trennten sich. Und die Dunkelheit fiel über den Dschungel. Die beiden Schaluppen sah niemand, als sie die Bucht verließen, Segel setzten und auf Nordostkurs gingen.

      Niemand?

      Doch, einer, und das war Jack Finnegan auf dem Felskegel der Insel Sarangani. Er hatte auch gesehen, wie seine Kameraden über die Aufseher hergefallen waren und sie niedergedroschen hatten. Diese Aktion war also gelungen. Er konnte seinen Beobachtungsposten räumen und Ben Brighton informieren. Wenn Hasard mit den Kameraden auf den beiden Schaluppen in die große Ankerbucht zurückkehrte, würde die „Santa Barbara“ bereits gefechtsklar sein.

      Old Shane und Batuti marschierten über den Trampelpfad. Ihre Langbögen hingen auf ihren Rücken. Die Köcher, vollgepackt mit den verschiedenen Pfeilen, waren an ihre Gurte geschnallt. Dort steckten auch Pistolen. Jeder trug eine Muskete – und einen Sack mit Flaschenbomben. Ein Öllämpchen gehörte auch zu ihrer Ausrüstung.

      An der alten, breitstämmigen Eiche, von der aus Hasard und Batuti die Bluthunde erledigt hatten, stoppte der Gambia-Mann und nickte Old Shane zu.

      „Hier ist ein guter Platz, um den Jemand abzupassen und zu vernaschen“, sagte er. „Hasard und ich haben von da oben aus auch die Tierchen erwischt.“ Er zeigte zu den unteren Querästen hoch.

      „Einverstanden“, sagte Big Old Shane.

      Sie verstauten ihre Sachen seitlich

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