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Er schien ebenfalls verschwunden zu sein. Seltsam war das. Waren sie überhaupt nicht mehr an Bord? Auch eine Jolle war verschwunden, ebenso einer der beiden Hakenmänner, den sie Matt Davies nannten.

      Carrero schaute sich etwas aufmerksamer um. Da fehlten noch mehr Leute: Die beiden Hellblonden beispielsweise, die, wenn er sich nicht irrte, Gary und Sten gerufen wurden. Und dieser andere hellhaarige Kerl, der mit der Navigation zu tun hatte – Dan! Auch er war spurlos verschwunden.

      Die Zwillinge hatten unterdessen mit der Jolle ungefähr das Zentrum der Bucht erreicht. Sie warfen ihre Angeln aus. Philip junior stieß seinen Bruder jedoch plötzlich mit dem Ellenbogen an. „He, sieh mal!“

      „Was? Wo?“ stieß Hasard junior etwas verblüfft aus.

      „Da drüben! Da wimmelt’s!“

      „Von Fischen!“ rief Hasard junior. „Mann, das sieht ja aus, als ob das Wasser kocht!“

      Keine zehn Yards von ihrem jetzigen Standort entfernt zappelte und zuckte es unmittelbar unter der Wasseroberfläche. Sie packten die Angeln weg, griffen wieder nach den Riemen und pullten auf die Stelle zu.

      „Den Haken kannst du dir sparen“, sagte Philip schwer atmend. „Bruder, gib mal den Kescher her.“

      Blacky hatte Mac Pellew auf der Felsnase abgelöst. Mac war wieder an Bord und verfolgte mit gemischten Gefühlen, wie die Zwillinge die Kescher ins Wasser tauchten und hüpfende, zappelnde Fische in die Jolle luden.

      „Sind die auch eßbar?“ rief er ihnen zu.

      „Klar!“ rief Philip junior zurück. „Die sehen aus wie Heringe!“

      Carrero registrierte, daß die Männer von diesem Geschehen mehr und mehr abgelenkt wurden. Auch der schwarze Affe, wie er ihn insgeheim nannte, und der andere Aufpasser, dieser Grey, warfen jetzt immer öfter Blicke auf die fischenden Zwillinge.

      Langsam schritt Carrero weiter und rückte der Nagelbank des Großmastes näher. Gab es denn nirgends eine Waffe, die er an sich reißen konnte? An Flucht war nicht zu denken, aber er konnte sich zumindest ein Hilfsmittel besorgen, wenn sie gerade nicht auf ihn achteten.

      Der Zeitpunkt schien günstig zu sein. Von der Vorpiek aus hatte er gehört, daß mehrere Male in eine Jolle abgeentert worden war, die dann auch ablegte. Und richtig – an diesem Vormittag schienen viel weniger Leute als sonst an Bord zu sein. Das war sehr merkwürdig, für ihn aber möglicherweise von großem Vorteil. Es kam eigentlich nur darauf an, wie er das nutzte.

      Er schritt auf und ab und tat so, als sei er mit sich selbst beschäftigt. Hin und wieder blickte er aus den Augenwinkeln zu den fischenden Jungen. Es war wirklich erstaunlich, was sie da an Bord der Jolle hievten. Ihr Tun fand mittlerweile das ungeteilte Interesse der kompletten Crew.

      „Silbrige Fische“, sagte Nils Larsen mit Kennermiene. „Die sehen wirklich aus wie richtige Heringe.“

      „Hast du schon mal falsche Heringe gesehen?“ fragte Mac Pellew knurrig.

      „Ja, und zwar als Heringe verkleidete Dorsche“, erwiderte Nils schlagfertig. „Wie findest du das?“

      „Ziemlich dusselig.“

      „Fangt nicht an zu zanken!“ rief Bob Grey ihnen lachend zu. „Denkt lieber an die schöne Mittagsmahlzeit, die wir jetzt kriegen!“

      „Denk mal an die Auswirkungen“, sagte Nils.

      „An die was?“ fragte Batuti. „Spinnst du? Fisch ist gut für ’n Geist und für die Muskeln, das weiß doch jeder.“

      Nils musterte ihn. „Nicht nur dafür. Kannst du dich nicht erinnern? Heringe bewirken so allerlei.“

      „Ich krieg’ zuviel“, sagte Al Conroy stöhnend. „Geht das jetzt wieder mit der Manneskraft los? Hör bloß auf!“

      Mac rollte plötzlich mit den Augen.

      „Her mit den Fischen!“ rief er den Zwillingen zu. „Ich will sie braten, verdammt noch mal!“

       3.

      „Was ist denn in Mac gefahren?“ fragte Ben Brighton überrascht.

      „Er kriegt sich nicht mehr ein“, erwiderte Shane, der die Fäuste in die Seiten gestemmt und eine grimmige Miene aufgesetzt hatte. „Wegen der Heringe.“

      „Das sind keine Heringe“, sagte Ben. „Das sind allenfalls Anchovetas.“

      „Was für Dinger?“

      „Eine Fischart, die in Massen vor dieser Küste auftritt“, erklärte Ben. „Sie ist wohl mit den Heringen verwandt, aber eben doch anders, auch vom Geschmack des Fleisches her. Die Anchovetas können unterarmlang werden.“

      „He!“ brüllte Mac zur Jolle hinüber. „Ihr habt den Kahn doch voll! Gleich sauft ihr ab! Kommt her! Pullt an, Jungs!“

      Carrero war stehengeblieben und tat so, als genieße er die Sonne, die sein Gesicht und seine Gestalt wärmte. Dabei versuchte er, die Windrichtung festzustellen und sich zu orientieren. Wo war Norden, wo Süden? Er atmete tief durch, überlegte und spähte aus schmalen Augen nach allen Seiten. Allmählich gelang es ihm, sich zurechtzufinden.

      Pete Ballie war inzwischen zu Mac Pellew getreten und legte ihm die rechte Pranke auf die Schulter. „Mac, hör mal zu. Was soll das Geschrei?“

      „Wird Zeit, daß wir was zu beißen zwischen die Zähne kriegen“, entgegnete Mac hastig. „Ist doch Mittag, oder?“

      „Die Suppe ist schon gar, oder täusche ich mich?“

      „Wir hauen ein paar ordentliche Kaventsmänner mit in die Suppe rein, äh – Fische, meine ich.“

      „Es sind Anchovetas“, sagte Bob Grey, der nähergetreten war. Er hatte vernommen, was Ben und Shane gesprochen hatten.

      „Das ist egal“, sagte Mac. „Wir wollen Fisch futtern, gebraten und gekocht. Jawohl, und einlegen kann man die Biester auch, dann hat man immer einen Vorrat.“

      Pete packt auch Nils am Arm und zog ihn langsam zu sich heran.

      „Ich habe nichts gegen Fisch“, sagte er. „Aber mir stinkt euer Gequatsche.“

      „Halt die Luft an, Pete“, sagte Jeff Bowie. „Das ist doch eine feine Sache, das mit der Manneskraft.“

      „Laß dich nicht anstecken“, sagte Pete drohend. „Ich habe noch von seinerzeit, von der Ostsee vor Bornholm, die Nase voll, als Mac das große Spinnen anfing.“

      „Ich und spinnen?“ Mac wurde wütend. „Glaub bloß nicht, daß ich mich von dir beleidigen lasse!“

      „Wo willst du mit deiner Manneskraft hin, wenn keine Frauen da sind?“ fragte Pete. „Wir können schließlich nicht nach Arica segeln, du Walroß. Wie stellst du dir das vor?“

      Mac kratzte sich am Kopf. „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.“

      „Außerdem sind es Anchovetas und keine richtigen Heringe“, stellte Bob noch einmal fest. „Damit hat sich wohl der Fall.“

      Batuti blickte ins Wasser. „Im klaren Wasser kann man ganze Schwärme sehen“, brummte er. „Wie in Gambia. Man kann sie mit Pfeilen schießen.“

      „Die Mühe brauchst du dir nicht zu machen“, sagte Jack Finnegan. „Unsere Kerlchen haben genug gefangen und kehren zu uns zurück.“

      Die Zwillinge pullten zur „Estrella de Málaga“ zurück. Von der „San Lorenzo“ legte nun auch eine Jolle ab – Eric Winlow, Tom Coogan und Jonny erschienen, um sich ihren „Anteil“ zu holen, den Philip und Hasard Jan Ranse großzügig versprochen hatten.

      „Ihr könnt die Viecher euch selber keschen!“ rief Mac Pellew ihnen zu.

      „Ha, ha!“ rief Winlow und deutete auf die Jolle der Zwillinge,

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