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      „Das wird er auch tun“, sagte Ferris grimmig. „Ich hätte mich ohnehin um Nachschub gekümmert. Es ist ja meistens so, daß man die Dingerchen dann am dringendsten braucht, wenn man es am wenigsten vermutet.“

      „Also gut“, sagte Ben. „Dann wollen wir also Einsatz zeigen. Sollten uns in der Zwischenzeit irgendwelche vorwitzigen Dons aufstöbern, erteilen wir ihnen eine Lektion. Wir werden mit beiden Schiffen fast immer in Gefechtsbereitschaft sein.“

      „Recht so“, sagte Big Old Shane. „Und ich schätze, daß Batuti und ich morgen wieder einen Vorrat an Brand- und Pulverpfeilen schaffen. Die können wir schließlich irgendwann auch noch gut gebrauchen, nicht wahr?“

      „Ja“, erwiderte Smoky. „Aber trotz allem befinden wir uns in einer miesen Situation.“

      „Fang jetzt nicht wieder damit an“, sagte Ferris drohend. „Ich weiß selber, daß es Mist ist, von Hasard und dem Trupp nichts mehr zu erfahren. Sie sind sich selbst überlassen, wir können nichts für sie tun. Aber das ist nun mal so. Wenn du von Falmouth querfeldein nach London marschieren würdest, wüßte ich von dir auch nicht, was dir passiert.“

      „London ist von Falmouth nicht so weit weg wie Potosi von dieser Bucht“, sagte Smoky.

      „Da würde ich mal nicht so sicher sein“, sagte Ben.

      Ferris lachte. „Außerdem gibt es in Potosi mehr zu holen als in London, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“

      „Amen“, sagte Smoky. „Du weißt immer alles besser, wie? Aber die ganze Sache scheint mir unter einem Unstern zu stehen. Weißt du, was ein Unstern ist? Er ist fast so schlimm wie ’ne Wasserleiche.“

      „Aufhören“, sagte Shane grollend. „Spar dir die Sprüche für die Schlangen-Insel auf, da hast du einen besseren Zuhörer für deine dummen Sprüche, nämlich Donegal.“

      „Wenigstens einer, der Ahnung hat“, sagte Smoky.

      „Ich glaube, daß Hasard und der Trupp gute Chancen haben, unbehelligt nach Potosi zu gelangen“, sagte Ben Brighton. „Pater Aloysius ist sicherlich ein besserer Führer als Carrero, bei dem man ständig mit einem Fluchtversuch hätte rechnen müssen.“

      „Oder er hätte versucht, unsere Leute in die Irre zu führen“, sagte sein Bruder. „Bestimmt hätte er sie am liebsten in eine Schlucht geleitet.“

      „Der ist giftiger als hundert Schlangen“, sagte Ferris. „Aber er kriegt sein Fett auch noch, verlaßt euch drauf.“ Seine Vorhersage sollte sich bewahrheiten, aber ganz anders, als sie alle es sich vorstellten.

      Am nächsten Tag brach Ferris Tuckers Arbeitstrupp mit einer der Jollen nach Tacna auf. Eine andere Jolle war ständig bereit, den Posten – in diesem Fall Mac Pellew – ablösen zu lassen, den Ben an der Küste hatte aufziehen lassen.

      Mac – und die Männer, die ihn bei den nächsten Wachschichten ablösen würden – hatte die Aufgabe, die Bucht von der Seeseite her so abzuschirmen, daß man gegen unliebsame Überraschungen gewappnet war. Zumindest war auf diese Weise gewährleistet, daß jedes Auftauchen fremder Segler rechtzeitig gemeldet wurde.

      Mac befand sich auf der Südseite des Mündungstrichters des Rio Tacna, und zwar auf einer überhöhten Felsnase, die fast unmittelbar bis in die See reichte. Er hatte einige Zeit hier zuzubringen, denn es war seine Aufgabe, im Sechs-Stunden-Törn rund um die Uhr hier Ausguck zu halten. Nach ihm würde Blacky an der Reihe sein, dann Pete Ballie, dann Philip junior und danach Hasard junior. So ging es weiter, der Turnus war von sechs Uhr früh beginnend eingerichtet, nur zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens gab es zweimal eine Drei-Stunden-Wache.

      Der jeweils neue Posten segelte mit der Jolle zur Felsnase, der andere abgelöste Posten kehrte zur „Estrella de Málaga“ zurück. Bei Alarmmeldung oder Gefahr im Verzug mußte der Wachtposten durch die Felsen zurück zur Bucht klettern – ein etwas unbequemer Weg. Darum hatten die Männer die Jolle als Transportmittel vorgezogen. Andererseits aber wäre sie zu auffällig gewesen, wenn sie bei der Annäherung eines Schiffes flußaufwärts zur Bucht gesegelt wären, um die Kameraden zu alarmieren.

      Das felsige, buschbestandene Gelände bis zur Bucht hin bot genügend Deckung. Das bedeutete also: Die normalen Wachwechsel wurden mit der Jolle vollzogen, aber bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr begab sich der jeweilige Aufpasser zu Fuß auf den Weg und arbeitete sich auf dem „Kriechpfad“ bis zum Ufer der Bucht vor.

      An Bord beider Schiffe herrschte wieder völlige Ruhe, nachdem Ferris mit seinem Trupp verschwunden und Mac als erster Wachtposten zu der Felsnase übergesetzt war. Ben Brighton überprüfte noch einmal den Plan für die Wachschichten, dann ließ er Luis Carrero an Deck holen, der wie üblich zumindest eine Stunde Luft schnappen durfte.

      Carrero erschien, bewacht von Batuti und Bob Grey. Er sprach kein Wort und hielt den Kopf gesenkt. Vor dem Vordecksschott blieb er stehen, als warte er auf einen Befehl.

      „Nun geh schon“, sagte Bob. „Vertritt dir ein bißchen die Füße.“

      Carrero setzte sich etwas wankend in Bewegung. Rein äußerlich war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Aber wie sah es in seinem Inneren, in seiner unauslotbaren Seele aus? Das fragten sich die Männer, während sie ihn beobachteten. Aber sie waren sich darüber einig, daß es keinem von ihnen gelingen würde, jemals ganz zu erforschen, was in diesem Kerl vor sich ging.

      Carrero verhielt sich wie ein folgsames Hündchen. Er zeigte sich nicht mehr renitent, stellte keine Fragen und vermied alles, was seine Bewacher in irgendeiner Weise reizen konnte. Die Abreibungen, die Carberry ihm verpaßt hatte, sowie das Wahnsinnsabenteuer mit dem Kranken hatten ihn wirklich mächtig mitgenommen. Er schlurfte über das Hauptdeck, und an seinem Gebaren war kaum etwas Gespieltes, Vorgetäuschtes.

      „Der ist wirklich am Ende“, sagte Philip junior leise zu seinem Bruder und zu Araua, die mit ihm auf der Back standen.

      „Laßt euch nichts vorgaukeln“, sagte Araua. „Er hat immer noch Kraft und Haß genug, um etwas Böses auszuhecken.“

      Plymmie schien ihrer Meinung zu sein, sie duckte sich etwas und fletschte die Zähne. Leise begann sie zu knurren.

      „Sei still“, sagte Hasard junior. „Wir wissen ja, daß du ihn nicht ausstehen kannst.“

      Er mußte die Wolfshündin aber doch unter Deck bringen, denn sie wollte keine Ruhe geben. Kurz darauf enterten die Zwillinge in eine Jolle ab, die schon an der Bordwand der „Estrella“ bereitlag. Auch sie hatten ihr „Programm“ für diesen Vormittag: Fischen. In der Bucht gab es ihrer Überzeugung nach einiges zu holen – und sie sollten sich nicht täuschen, wie sich noch herausstellte.

      Ben Brighton hatte Luis Carrero die Ketten abnehmen lassen. Dennoch blieb der Mann gefesselt, aber er hatte immerhin nicht mehr an der Last der Eisen zu schleppen. Er konnte sich ganz gut bewegen. Nur an Flucht brauchte er nicht zu denken. Wenn er über Bord sprang und ans Ufer zu schwimmen versuchte, ertrank er jämmerlich.

      Das hielt er sich noch einmal vor Augen, während er sich müde über die Planken bewegte. Überhaupt: Sie paßten scharf auf und verfolgten jede seiner Bewegungen mit ihren Blicken. Der schwarze Riese schaute drein, als warte er nur auf eine Gelegenheit, ihn packen und würgen zu können. Nein – Carrero brauchte sich auch weiterhin nicht den geringsten Illusionen hinzugeben.

      Wo er sich befand, wußte Luis Carrero nicht. Hatte er diese Bucht jemals gesehen? Vorsichtig blickte er sich um. Nein, er konnte sich dessen nicht entsinnen. Er hatte keine Ahnung, wo sie ankerten. Fragen wollte er nicht, die Kerle teilten es ihm aus freien Stücken sowieso nicht mit.

      Allerdings war da ein Punkt, der ihm jetzt wieder einfiel. Der schwarzhaarige Bastard Killigrew, dieser Teufel aller Teufel, hatte sich kürzlich bei ihm nach Tacna erkundigt. War das eine Möglichkeit? Konnte es sein, daß sie sich in einer Bucht unterhalb des Tals von Tacna befanden?

      Carrero unterdrückte ein schwaches Grinsen. Möglich war es – sehr wahrscheinlich sogar. Somit war er schon einen Schritt weiter. Er ahnte wenigstens,

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