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war nicht immer so dreckig“, sagte er halblaut. „Aber hör du dir mal jeden Tag die Sticheleien an und laß dich Furzer nennen, dann ist dir eines Tages auch scheißegal, ob die Kerle sauberes oder dreckiges Essen kriegen.“

      „Warum frißt du denn so viele Zwiebeln?“ fragte der Kutscher.

      Pet zuckte mit den Schultern.

      „Wir haben zu Hause immer Zwiebeln gegessen“, sagte er. „Meine Mutter meinte, es gäbe nichts Gesünderes als Zwiebeln.“

      „Das mag schon stimmen. Aber hier lebst du mit anderen auf engstem Raum zusammen, und da sollstest du ein bißchen Rücksicht nehmen. Wie ist eigentlich dein richtiger Name?“

      „Henri“, sagte Pet.

      „Gut, Henri“, sagte der Kutscher. „Die Arbeit in der Kombüse ist für einen Mann ohnehin zuviel. Wir könnten zusammenarbeiten, wenn du mir versprichst, dich zu waschen und mit dem Zwiebelfressen aufzuhören.“

      Der kleine Franzose schaute den Kutscher einen Moment zweifelnd an, doch dann nickte er, und der Kutscher zog ihn mit sich zum Niedergang unter dem Achterdeck.

      Henri staunte, als er die Kombüse betrat. Er erkannte sie tatsächlich nicht wieder. Alles hatte seinen Platz, und Töpfe und Tiegel glänzten vor Sauberkeit.

      Der Kutscher wies auf einen Kübel mit den Resten vom letzten Essen und fragte Henri, ob er das Zeug wohl über Bord kippen könne.

      Der Franzose nickte grinsend und verschwand mit dem Kübel an Deck. Als er das Zeug an der Leeseite über das Schanzkleid schüttete, sah er die mächtige Rückenflosse eines Riesenhais, die plötzlich einen engen Kreis beschrieb und mit Affengeschwindigkeit auf die „Mercure“ zuhielt. Wahrscheinlich wollte der schwere Brocken sich das Zeugs holen, das er, Henri, über Bord gekippt hatte.

      Henri erschrak, als er den langen Schatten unter der Wasseroberfläche sah. Mann, war das ein Mordskerl! Er wurde blaß, als er daran dachte, was hätte passieren können, wenn der Hai vor einer Stunde aufgetaucht wäre, als er am Tampen hängend im Wasser herumgezappelt hatte.

      Ein Zittern ging plötzlich durch das Schiff, als wäre es auf ein Riff aufgelaufen.

      Henri beugte sich über das Schanzkleid und sah, wie der riesige Hai mit taumelnden Bewegungen davonschwamm. Gleichzeitig brüllte jemand vom Achterdeck auf Englisch.

      Der große Mann mit dem Narbengesicht und dem Amboßkinn stand auf einmal neben Henri. Der kleine Franzose zuckte regelrecht zusammen.

      „Was war das?“ fragte er.

      „Ein Hai!“ stieß Henri hervor. „Er schnappte nach dem Zeug, das ich über Bord kippte. Dabei muß er die ‚Mercure‘ gerammt haben.“

      „Verflucht“, sagte Carberry, als er die Rufe vom Achterdeck verstand. Blacky erschien an der Balustrade, ein wenig wankend.

      „Das Ruder ist im Eimer!“ brüllte er. „Wir müssen irgendwo aufgelaufen sein! Es hat mir den Kolderstock glatt aus den Fäusten gerissen!“

      Carberry hörte über sich das Knattern der Segel und bemerkte, wie die „Mercure“ aus dem Ruder lief.

      „Geit die Segel auf, Leute!“ schrie er. „Ferris, laß einen Treibanker auswerfen!“

      Auf dem Achterdeck wurden wieder Stimmen laut. Carberry hörte den Steuermann Duval mit seinem Kapitän sprechen. Es dauerte eine Weile, dann gab Pierre Delamotte den Befehl, einen Treibanker auszuwerfen und die Segel aufzugeien.

      Carberry lief zum Aufgang hinüber und war mit ein paar Sprüngen auf dem Achterdeck. Er grinste, als er das verwunderte Gesicht des Kapitäns sah, der nicht begreifen konnte, wie es möglich war, daß seine Befehle so schnell ausgeführt wurden.

      Alain Duval, sein Steuermann, erklärte ihm gerade, daß Monsieur Carberry die Befehle schon eine Minute vor ihm gegeben hätte.

      Diesmal verging Pierre Delamotte das Grinsen, als sein Schiffszimmermann ihm mitteilte, daß das verfluchte Meerungeheuer das Ruderblatt zersplittert hätte, so daß es nicht mehr zu gebrauchen sei.

      Nachdem Ferris Tucker dafür gesorgt hatte, daß ein Treibanker ausgebracht worden war, besah er sich zusammen mit dem Schiffszimmermann der „Mercure“ den Schaden. Auf dem Achterdeck zurück, meinte er, daß er etwa einen halben Tag für ein neues Ruderblatt gebrauchen würde.

      Pierre Delamotte sagte nichts, aber er nickte, als Sir John, der auf Carberrys Schulter hockte, aus tiefster Seele „Merde!“ krächzte.

      Ferris begann umgehend mit der Arbeit. Für die anderen begann ein zermürbendes Warten, und Stenmark hatte wieder Ärger mit dem Giftzwerg Marchais, der einfach seine Neugier nicht bezähmen konnte. Ihm hatten es die breiten Ledergürtel der Engländer angetan. Er war überzeugt davon, daß sie Gold oder etwas Ahnliches darin verbargen. Wenn er gewußt hätte, wie nah er mit seinen Vermutungen der Wirklichkeit war, wäre er vor Gier wahrscheinlich verrückt geworden.

      Gegen Nachmittag sichtete Bill zwei Mastspitzen. Pierre Delamotte ließ das Schiff vorsichthalber gefechtsbereit machen, obwohl sie mit beschädigtem Ruder gegen einen entschlossenen Feind kaum eine Chance gehabt hätten.

      Zu ihrem Glück erwies sich das Schiff als eine griechische Handelsgaleere, die offensichtlich Kurs auf Sizilien steuerte.

      Der Kapitän der Galeere ließ anfragen, ob die „Mercure“ Hilfe brauche, aber Pierre Delamotte winkte freundlich ab. Man könne den Schaden selber beheben.

      Ferris und der französische Schiffszimmermann arbeiteten wie die Berserker, und tatsächlich hatten sie es nach zwölf Stunden geschafft.

      Es war drei Uhr morgens, und am östlichen Horizont war vom beginnenden Tag noch nicht einmal ein schwacher Streifen zu sehen, als Pierre Delamotte Segel setzen ließ und die. „Mercure“ wieder Fahrt aufnehmen konnte.

      Sie segelten weiter Kurs Westen zum Süden, und Pierre Delamotte hoffte, daß ihnen die verlorenen zwölf Stunden nicht noch zum Verhängnis werden würden.

      11.

      Manuel Quintana hatte die Nacht überlebt. Es war eine einzige, von wilden Alpträumen geschüttelte Qual gewesen, doch als er nach drei Stunden Iangem, tiefem Schlaf gegen Morgen von Fernandez an der Schulter gerüttelt wurde, war das Fieber aus seinen Augen verschwunden.

      Jesus Valencia hatte befohlen, die Riemen wieder auszulegen, denn der Wind hatte nachgelassen und auf Nordwest gedreht. Jetzt schritt er den Laufgang entlang und ließ seine Blicke über die Rudersklaven gleiten. Er betrachtete Antonio Sotero, der die Auseinandersetzung mit den Aufsehern einigermaßen glimpflich überstanden hatte, und ging dann zu Manuel Quintana hinüber.

      Er sah, daß der Mann total erschöpft war, obwohl er kein Fieber mehr zu haben schien.

      Auf einen Wink hin traten zwei Aufseher näher.

      „Schließen Sie Quintana los!“ befahl Jesus Valencia.

      Die Aufseher starrten ihn an und rührten sich nicht. Einer von ihnen sagte: „Der Capitán wird uns auspeitschen lassen, wenn wir Ihren Befehl ausführen, Señor Valencia!“

      „Und ich werde euch wegen Insubordination hängen lassen, wenn ihr meinen Befehl nicht ausführt“, erwiderte Jesus Valencia kalt. „Ich habe das Kommando, wenn der Capitán nicht an Deck ist, verstanden?“

      Sie senkten die Köpfe, und einer von ihnen bückte sich und schloß die Eisen an Manuel Quintanas Knöcheln auf.

      Jesus Valencia wurde es fast übel, als er die schwärenden Wunden sah, die von den Eisenbändern verursacht worden waren.

      Quintana war nicht in der Lage, sich ohne Hilfe zu erheben. Der Erste Offizier winkte Teniente Ribera von der vorderen Plattform herbei, und der befahl zweien seiner Soldaten, den Stückmeister nach vorn unter die Plattform zu schaffen. Einer der Soldaten war als Feldscher ausgebildet. Er kümmerte sich um die fürchterlichen Verletzungen Quintanas

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