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einen Vorsprung heraus und holen den Zeitverlust auf. Jedenfalls aber brauchen wir uns nicht mehr so abzurakkern.“

      Treideln – wie der Kameltreiber Yussuf alias Ali Abdel Rasul es ihnen mit der „Isabella“ vorexerziert hatte – Hasard mußte unwillkürlich an die Episode zurückdenken. Mit einem Schlag war die Erinnerung an die Geschehnisse am Nil wieder in ihm wach, und er verspürte erneut einen Anflug von Trauer und Wehmut, als er an ihr Schiff dachte.

      Rasch verdrängte er diese Bilder aus seinem Geist. Es hatte keinen Zweck, sich wieder damit abzugeben und sich in immer größere Selbstvorwürfe zu verstricken. Ihr Ziel, den Kanal zu verlassen und den Mensaleh-See zu erreichen, hatte den absoluten Vorrang vor allem anderen, nur hierauf durften seine Überlegungen ausgerichtet sein.

      Ferris Tucker reparierte das Leck. Al und Will unterstützten ihn und reichten ihm das Material, das er zum Abdichten des Loches in der Bordwand brauchte. Hasard ließ der Vorsicht halber alle Männer vom Kutscher untersuchen. Er wollte ganz sicher gehen, daß keiner von ihnen verwundet worden war.

      „Wir haben mächtigen Dusel gehabt“, sagte der Kutscher am Ende. „Es ist wirklich keiner verletzt.“

      „Ausgezeichnet“, sagte der Seewolf. „Ferris, wie weit bist du?“

      „Fertig, Sir.“

      Das Instandsetzen der Jolle hatte nicht länger als eine halbe Stunde gedauert. Hasard und seine Männer konnten sich jetzt um die Beduinen kümmern. Die Verwundeten hatten sich natürlich längst verholt, aber acht Tote hatte die Bande zurückgelassen, die zum Teil im Wasser schwammen, zum Teil am Ufer gelandet waren.

      Die Seewölfe nahmen ihnen die Lanzen und Krummsäbel ab, dann bestatteten sie die Toten unweit des Ufers, so gut es ging. Sie einfach den Aasfressern zu überlassen, brachte Hasard denn doch nicht übers Herz.

      Nach verrichteter Arbeit kehrten sie zu den Booten zurück und stiegen ein – und nun wurde getreidelt. Batuti war auf das eine Kamel geklettert, Luke Morgan auf das andere. Weiter ging es, bald mit viel Hallo und Witzeleien, weil Luke mit seinem Kamel mächtig viel Zirkus aufführte.

      „Halt die Luft an, Else!“ schrie er und schlug dem Tier mit der Hand gegen den Höcker. „Ho, was ist denn in dich gefahren? Suchst du einen Freier?“

      Das Kamel antwortete mit grunzenden Lauten und trat kräftig nach hinten aus, wobei es mit dem Tau in Konflikt geriet, an dem es das eine Boot hinter sich herzog. Es strauchelte und drohte zu fallen, Luke konnte sich nur noch mit Mühe im Sattel halten. Er sparte nicht mit Schimpfworten. Irgendwie schien das etwas zu nutzen, das Kamel hielt das Gleichgewicht und trottete schwankend weiter, wobei es nun seinem Beinamen „Wüstenschiff“ alle Ehre bereitete.

      Die Männer in den Booten lachten begeistert.

      „He, Luke!“ schrie Big Old Shane. „Sieh mal richtig hin! Das ist kein Weibchen, sondern ein Männchen, Junge! Was ist denn, hast du Schlick auf den Augen?“

      „Sand“, korrigierte Luke. Er grinste und tätschelte dem Dromedar noch einmal den Höcker. „Na, dann mal weiter, John, und immer hübsch artig. Wenn du brav bist, bringe ich dich mit der Lady da drüben zusammen, auf die bist du doch scharf, oder?“

      Das Kamel wandte halb seinen Kopf und blickte zu dem anderen Kamel – tatsächlich handelte es sich um ein Weibchen – am Südufer hinüber, so, als habe es Lukes Worte ganz genau verstanden. Es drehte den Kopf noch etwas weiter nach hinten und fixierte Luke mit einem Auge – und dann versuchte es wieder, den Mann abzuwerfen. Es war das Tier, das Carberry und Pete zu zweit nicht hatten bändigen können – ein ganz obstinates Vieh.

      Luke hielt sich fest und war krampfhaft um seine Balance bemüht.

      „Führ’ dich nur weiter so auf, du Dickschädel“, sagte er zornig. „Wir werden ja sehen, wer der Stärkere ist. Wir müssen uns nämlich irgendwie zusammenraufen, kapiert?“

      Das Kamel stieß ein beleidigtes Grunzen aus.

      7.

      In der Nacht war Jack Finnegan aufgewacht, und wieder hatte er geglaubt, seine strapazierten Nerven spielten ihm einen Streich. Dann aber hatte er sich vergewissert, daß er nicht träumte: Wirklich, kleine Regentropfen hatten sein Gesicht genäßt, und irgendwo in der Ferne hatte ein Blitz gezuckt. Dann war das verhaltene Grollen eines Gewitterdonners über die See gerollt.

      Die anderen hatten fest geschlafen. Finnegan aber hatte sich die Pütz genommen und sie dazu benutzt, ablaufendes Wasser von ihrer Segel-Sonnenschutzplane aufzufangen. Schließlich hatte der kurze Regen ausgesetzt, und Finnegan hatte seine Holzpütz auf der Plattform in der Nähe des Mastes abgestellt und fortan wie seinen Augapfel gehütet.

      Er wartete darauf, daß es wieder anfing zu regnen, doch diesmal wurde er enttäuscht. Unberechenbar waren die Launen der Natur, im Guten wie im Argen.

      Am Morgen des dritten Tages nun, den sie als Gefangene ihres eigenen Schiffes auf der Plattform verbrachten, wies Finnegan seinen Freund Paddy Rogers auf das kostbare Naß hin, das er gewonnen hatte.

      „Mann, ein schöneres Geschenk gibt es nicht“, sagte Rogers überwältigt.

      „Ja“, brummte Finnegan und warf einen Blick auf Reuter, Marten und Pravemann, die eben aufwachten und sich die Augen rieben. „Nimm schnell einen Schluck. Danach stellen wir die Pütz wieder weg. Vielleicht merken die Kerle nicht, daß Wasser drin ist.“

      „Und wenn schon. Hast du denn genug getrunken?“

      „Nur einen kleinen Schluck. Wir müssen äußerst sparsam damit umgehen.“

      Rogers nickte und hob die Holzpütz an seinen Mund. Er benetzte nur ein wenig seine Lippen und ließ den Schluck Wasser durch seine Kehle rinnen, dann setzte er wieder ab und tat, was Finnegan ihm empfohlen hatte. Die Pütz stand nun etwa in der Mitte der einen Hälfte des Marses, und beide Engländer hatten ein waches Auge darauf.

      Reuter war jedoch nicht entgangen, daß Paddy Rogers die Pütz hochgehoben hatte.

      „He!“ sagte er heiser. „Was hat denn das nun wieder zu bedeuten? Rogers, ist dein Geist umnachtet?“

      Rogers begegnete seinem Blick. „Sag das noch mal.“

      Piet Reuter zog es vor, zu schweigen. Sein Blick wanderte zum Segel hoch und verharrte dort. Plötzlich straffte sich seine Gestalt, er griff nach Pravemanns Schulter und rüttelte daran, versetzte auch dem großen Jan Marten einen Stoß.

      „Was ist? Zeigt sich endlich ein Schiff?“ murmelte Pravemann.

      „Nein. Aber das Segel ist noch ganz feucht“, entgegnete Reuter. „Heute nacht hat es geregnet.“

      Marten blinzelte und gab einen unwilligen Laut von sich.

      „Regen?“ wiederholte er. „Sollen wir vielleicht das Segel ablutschen? Pfui Teufel, das schmeckt mir nicht.“

      „Wir können es einfacher haben“, sagte Reuter und stand auf. Er trat bis dicht an die Pütz und konnte das Wasser darin erkennen.

      Marten und Pravemann hatten sich ebenfalls von ihren harten Schlafplätzen erhoben, sie spürten etwas von der Bedeutung, die dieser Moment für sie alle hatte.

      Paddy Rogers brachte sich vorsichtshalber zwischen Piet Reuter und die Pütz. Noch hockte er auf der Plattform, aber er war bereit, sehr schnell aufzuspringen und den Holländer daran zu hindern, auch nur die Hand nach der Pütz auszustrekken.

      „Sehr nett finde ich das nicht von euch“, sagte Reuter schleppend. „Ihr reißt euch heimlich das Wasser unter den Nagel und laßt uns nicht einmal daran nippen. Na, zum Glück habt ihr ja nicht gleich alles ausgesoffen, wir kriegen unseren Anteil noch.“

      „Anteil? Dir ist wohl nicht gut, was?“ sagte Rogers und sah ihn von unten her an.

      Jack Finnegan musterte den Holländer ebenfalls kalt.

      „Daß ihr darauf keinen Anspruch habt, ist

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