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fallen?“ schrie der Narbige.

      „Weil wir sie vereinnahmen“, erwiderte der Dicke. „Das ist jetzt wichtiger als alles andere, ihr Narren! Will euch das nicht in den Kopf?“

      „Nein!“ brüllten ein paar Kerle.

      Aber Cuchillo und die drei anderen Leibwächter waren sofort bei ihnen und teilten derbe Hiebe aus. Jammernd verstummten auch diese Aufmüpfigen.

      „Alle Bürger, die Garde und die Miliz haben sich in der Residenz verschanzt“, erklärte Bastida. „Es ist klar, daß sie auf die Dauer nicht einfach zusehen, wie ihr ihre Häuser ausräumt. Klar? Sie rüsten zum Gegenschlag. Aber wir werden ihnen jeglichen Widerstand austreiben. Wir überwältigen sie und hauen alles kurz und klein. Wer sich uns entgegenstellt, wird so oder so beseitigt.“

      „Jawohl!“ schrie Cuchillo. „Stürmt die Residenz!“

      Bastida nickte ihm wohlwollend zu. Dann stützte er sich mit seinen fleischigen Händen auf der Theke auf.

      „Und jetzt noch etwas“, sagte er zischend. „Wer von euch Kerlen glaubt, sein eigenes Süppchen kochen zu können, der kann schon jetzt Abschied von seinem Leben nehmen. Wer sich drückt, der tut gut daran, sich nicht mehr sehen zu lassen und aus Havanna zu verschwinden.“

      Die Kerle blickten sich untereinander an. Mit Bastida war nicht zu spaßen. Was der sagte, das setzte er auch in die Tat um. Er hatte die Bande in der Hand. Keiner konnte sich seiner Macht und Gewalt entziehen. Und abhauen, das bedeutete, ohne Beute auszugehen. Dabei lockten in der Residenz Reichtümer von unermeßlichem Wert.

      Keiner wußte genau, wieviel Gold und Schmuck dort zu holen waren, doch die Einbildung und die Phantasie trieben die tollsten Blüten. Manche Kerle behaupteten, im Keller stapelten sich die Schatztruhen.

      Andere wollten wissen, daß die Lampen aus puren Diamanten bestanden. Wieder andere waren sicher, daß Türklinken und Fenstergriffe aus purem Gold gefertigt waren. Und irgend jemand hatte sogar verlauten lassen, das Amtszimmer des Gouverneurs sei mit einem goldenen Fußboden ausgelegt.

      Bastida verfolgte die Reaktionen der Kerle sehr genau. Er wußte schon jetzt, daß er gesiegt hatte. Er hatte die Meute fest an der Kandare. Was er eben gesagt hatte, würde sich sehr schnell unter den schrägen Vögeln von Havanna herumsprechen. Er konnte den Vorgang sogar noch beschleunigen, wenn er ein paar Exempel statuierte.

      „Also“, sagte der Dicke lauernd. „Wer von euch will verduften?“

      Keiner meldete sich. Die Kerle hüstelten, traten auf der Stelle oder blickten verlegen zu Boden.

      „Wird’s bald?“ fuhr Bastida sie an.

      Der Narbige trat zwei Schritte vor. Es war, als habe die Meute ihn zu ihrem Wortführer gewählt.

      „Also, wir machen mit“, erklärte er. „Aber wie sollen wir die Residenz ganz ohne Waffen stürmen? Wir haben bloß unsere Messer.“

      Bastida lachte glucksend. „Keine Angst, mein Freund. An Waffen soll es nicht mangeln.“

      Selbst de Escobedo war überrascht. Er glaubte, die Kaschemme bestens zu kennen. Aber – hatte der Dicke etwa ein geheimes Waffenlager? So, wie er sich aufführte, schien das wirklich der Fall zu sein. Verdammt, verdammt, dachte de Escobedo, dieser Oberhalunke steckt voller Überraschungen. Alles in allem schien es goldrichtig zu sein, sich mit Gonzalo Bastida zusammengetan zu haben. Der Kerl verfügte über Macht und Einfluß bei dem üblen Gelichter von Havanna. Er brauchte nur zu pfeifen, und die Halunken taten, was er wollte.

      De Escobedo war nunmehr vollends überzeugt, daß Bastida der richtige Partner für ihn wäre. Was später geschah, wenn sich die Residenz in seiner, de Escobedos, Gewalt befand, stand auf einem anderen Blatt. Dann brauchte er Bastida nicht mehr. Es würde schon Mittel und Wege geben, sich des Dicken wieder zu entledigen.

      Es geschah ganz plötzlich. Mario fuhr von dem Tisch hoch und rannte zum Küchenfenster. Er wollte das Fenster aufstoßen und ins Freie springen, aber El Sordo war um einen Lidschlag flinker als er. Mit einer Behendigkeit, die man ihm auf den ersten Blick kaum zutraute, war der Taubstumme bei dem Jungen und packte seine Beine.

      „Laß mich los!“ schrie Mario.

      Osvaldo stand nun ebenfalls auf.

      „Er kann dich nicht verstehen“, sagte er grinsend.

      „Sag ihm, er soll mich in Ruhe lassen!“

      „Ich finde, du dankst es uns schlecht, daß wir dich aus dem Kellerloch geholt haben“, sagte Osvaldo. „Du bist ein ganz mieses Kerlchen, Mario. Ich glaube, du hast eine Lektion verdient.“

      „Bitte!“ flehte der Junge. „Tut mir nichts an! Ich hab’ doch nichts verbrochen!“

      „Das ist noch die Frage“, sagte Osvaldo. „Ich habe das Gefühl, daß du uns anlügst. Das ist gar nicht nett von dir.“

      „Ich lüge nicht!“

      Osvaldo verständigte sich mit seinem Kumpan durch Handzeichen. Dann packten sie den Jungen gemeinsam und trugen ihn in einen der angrenzenden Räume hinüber – in die Waschküche. El Sordo mußte Mario festhalten. Osvaldo füllte einen großen Zuber mit kaltem Wasser.

      „So“, sagte Osvaldo. „Jetzt wird kalt gebadet. Deine eigene Schuld. Aber vielleicht ist es ja auch eine Erfrischung für dich. Schließlich haben wir Sommer. Mann, es ist ganz schön heiß draußen, findest du nicht auch?“

      Mario schien unter dem Schmutz, der sein Gesicht bedeckte, zu erblassen. „Was – was wollt ihr denn machen?“

      „Ein Bad hast du dringend nötig“, sagte Osvaldo schroff. „Du stinkst nämlich. Pfui Teufel!“

      „Ich flehe dich an“, jammerte Mario. „Tu’s nicht. Hab’ doch Erbarmen!“

      „Was hast du ausgefressen, daß Don Felipe dich so hart bestraft hat?“ fragte Osvaldo.

      „Gar nichts“, erwiderte der Junge trotzig.

      „Man sperrt doch einen Diener nicht wie einen Hund in einen Käfig.“

      „Don Felipe tut’s schon.“

      Der Taubstumme schüttelte heftig den Kopf. Er schnitt eine Grimasse und gab eine Reihe von gutturalen Lauten von sich.

      „Was sagt er?“ fragte der Junge entsetzt.

      „Daß du spinnst“, erklärte Osvaldo.

      „Es stimmt, was ich sage!“ schrie Mario.

      „Na schön“, meinte Osvaldo. „Hölle, wir haben schon zuviel Zeit mit dir vergeudet. Wir haben schließlich noch was Besseres zu tun, als hier dumme Reden zu halten und uns dein Gequatsche anzuhören. Los, auf geht’s!“

      El Sordo hielt den strampelnden Mario fest. Osvaldo zerrte dem Jungen die Fetzen vom Leibe. Er wollte ihn schon mit Hilfe des Taubstummen in den Zuber hieven, da hielt er wie vom Donner gerührt in den Bewegungen inne.

      „Hol’s der Henker“, sagte Osvaldo. „Da brat mir doch einer einen Storch.“

      „Schschtorchhh“, würgte El Sordo hervor. Sein Blick wanderte an ihrem Gefangenen auf und ab. Er geriet ins Schwitzen.

      Mario brach schon wieder in Tränen aus und unternahm einen sinnlosen Versuch, seine Blößen mit den Händen zu bedecken.

      „Du bist ja gar kein Junge“, sagte Osvaldo. „Du bist ein Mädchen. Kein Mario, sondern eine Maria.“

      Der vermeintliche Junge heulte zum Gotterbarmen. „Warum tötet ihr mich nicht?“

      Osvaldo kratzte sich. Das tat er immer, wenn er ratlos war oder ein Problem zu lösen hatte. Er kratzte sich am Kinn, an den Ohren und am Köpf. „Das hättest du aber auch gleich sagen können.“

      El Sordo gab brabbelnde Laute von sich, die wie eine plumpe Entschuldigung klangen. Osvaldo schaute sich verzweifelt um. Er entdeckte ein Laken, das an einer Leine

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