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heran, um Sir Johns Appetit zu wecken. Hasard holte Trinkwasser in einer Muck, während Phillip Hartbrot zerbröselte und die Krumen zusammen mit den Bohnen auf eine Proviantkiste streute, die er in den Lichtkreis der Laterne gestellt hatte. Hasard stellte die Muck daneben, und dann wandten sie sich erwartungsvoll zur Seite, um die Reaktion des Papageis zu beobachten.

      „Rrrrübenschweine“, schnarrte Sir John und fuhr fort, sich am Kistenrand zu wiegen.

      „Der macht sich wirklich über uns lustig“, flüsterte Hasard ergrimmt. „Glaubst du nicht, daß er genau weiß, was wir wollen?“

      „Wir wollten ihm ein bißchen Bewegungsfreiheit verschaffen“, entgegnete Philip erbittert. „Daß er das gleich so schamlos ausnutzt, konnte natürlich kein Mensch ahnen.“

      „Keine Vorwürfe“, sagte Hasard leise. „Du weißt, wie empfindlich er auf diesem Ohr ist.“

      Philip nickte, atmete tief durch und nahm ein paar Krumen und Bohnen in die Hand. In der offenen Handfläche hielt er sie dem roten Vogel entgegen.

      „Sieh mal, Sir John, ist das nicht lecker? Dir muß doch der Magen knurren – nach der langen Schutzhaft. Und ist dir nicht die Kehle trocken geworden? Also, Wasser ist auch da, alter Freund. Und nun sieh endlich ein, daß wir dich nur vor Mister O’Flynn gerettet haben.“

      „So redet ein Landmann mit seiner kranken Kuh“, sagte Hasard leise kichernd. „Das behauptet jedenfalls der Kutscher immer, und der muß es ja wissen.“

      Philip forderte ihn mit einer ärgerlichen Handbewegung auf, zu schweigen. In der Tat vollzog sich mit Sir John eine sichtbare Wandlung. Die freundlichen Worte und der Anblick der schmackhaften Nahrung schienen endlich ihre Wirkung erzielt zu haben. Er hob den Kopf, richtete sich für einen Moment hoch auf und duckte sich dann wieder, wobei er auf und ab wippte. Die unverkennbaren Anzeichen für den bevorstehenden Abflug, wie die Zwillinge wußten.

      Und er stürzte sich wahrhaftig von oben hinunter, rauschte mit ausgebreiteten Schwingen an Philips lockender Handfläche vorbei und landete auf der Kiste mit dem Hauptangebot an Fressen.

      „Mißtrauischer Halunke!“ fluchte Philip unterdrückt.

      Hasard näherte sich mit beiden Händen unterdessen lautlos dem Freßplatz, um blitzschnell zuzupacken.

      Sir John nahm ein paar rasche Schlucke aus der Muck, schaufelte sich Krumen und Bohnen in den Krummschnabel und entwischte den zuschnappenden Händen des Jungen mit elegantem Anlauf. Im nächsten Augenblick klatschten seine Flügel bereits wieder in der Weite der Grotte, und er drehte eine Runde nach der anderen über den Köpfen der Jungen.

      Ihnen brach der Schweiß aus. Jeden Moment konnte Old Donegal unten am Strand nach ihnen brüllen. Und was sollte dann aus Sir John werden? Der verrückte Vogel flog entweder hinüber zu den Dons und wurde dort von dem nicht weniger verrückten Anführer massakriert, oder er blieb hier, in einer trügerischen Freiheit, und wurde von Old Donegal geschlachtet und in den Suppentopf gesteckt.

      Zuzutrauen war es dem alten Griesgram wirklich – und wenn er es nur tat, um die Papageienbrühe hinterher wegzuschütten.

      „Himmel noch mal, Sir John“, sagte Philip flehentlich. „Wenn du jetzt nicht zurückkommst, mußt du die Konsequenzen tragen.“

      „Dann können wir dir nicht mehr helfen“, fügte Hasard voller Bitterkeit hinzu, „dann ist es aus mit dir.“

      Noch minutenlang blieb den Söhnen des Seewolfs nichts anderes übrig, als mit bangen Blicken den Kreisflug des roten Papageis zu beobachten. Aber wie durch ein Wunder schienen ihre Worte schließlich doch zu wirken.

      Sir John ließ sich auf seinem ursprünglichen Platz nieder, oben auf den Kisten, und dann, plötzlich, sauste er zur Freßstelle. Richtig genußvoll sah er aus, wie er aus der Muck nippelte und Krumen und Bohnen knabbernd verzehrte. Schließlich glaubte Hasard zu träumen, als es sich der Bursche gefallen ließ, gestreichelt zu werden.

      Und dann, tatsächlich, konnte er ihn von der Kiste wegnehmen und wieder in den Sicherheitsbehälter stecken, den Philip inzwischen geöffnet hatte. Diesmal schoben sie ein paar Holzspäne zwischen Deckel und Kistenrand, bevor sie die Verzurrungen wieder anbrachten.

      Aufatmend wischten sich die Jungen den Schweiß von der Stirn.

      „Mann o Mann“, sagte Hasard stöhnend, „das hätte verdammt ins Auge gehen können.“

      „Jetzt aber Beeilung“, entgegnete Philip, „sonst wird der Alte doch noch mißtrauisch und riecht den Braten.“

      Sie liefen zur Felsenöffnung, schlugen Pulverfässer und Kugelbeutel in der Persenning ein und verknoteten das Tau oben an dem Riesenbeutel. Vorsichtig hoben sie die Last über den Rand der Öffnung und stemmten sich in ausreichendem Abstand gegen das Tau, das sie langsam durch ihre kräftigen Hände gleiten ließen.

      „Gute Arbeit!“ lobte der alte O’Flynn die beiden, als sie die ersten Pulverfässer in die Deckungen schleppten. „So kann man sich die Schufterei erleichtern, wenn man seinen Kopf gebraucht, nicht wahr?“

      Die Zwillinge wechselten einen verstohlenen Blick, als sie zurückliefen, um die nächsten Fässer zu holen. Manchmal wußte man bei dem Alten wirklich nicht, woran man war. Vielleicht hatte er den aus Sicherheitsgründen eingesperrten Vogel ja auch schon vergessen.

      Und wenn man es genau betrachtete, brauchte Sir John ohnehin nicht mehr unter Verschluß gehalten zu werden. Denn man versteckte sich nicht mehr vor den goldgierigen Spaniern. Folglich war die Heimlichtuerei überflüssig.

      Old Donegal mußte nur noch davon überzeugt werden.

       2.

      Sabado, der einzige Überlebende von der kleinen Jolle der „San Jacinto“, hockte schnatternd und zähneklappernd auf einer Taurolle vor der Steuerbordverschanzung. Die Kleidung klebte ihm klitschnaß am Körper, sein Entermesser hatte er verloren. Nichts war ihm geblieben als das erbärmliche bißchen Leben. Und selbst das war ihm nicht sicher, denn Julio Acosta, der stiernackige Mann mit dem pechschwarzen Bart und den hart funkelnden Augen, war unberechenbar.

      Wie schnell er seine Wut an einem Hilflosen ausließ und ihn kurzerhand ins Jenseits beförderte, hatte er in der jüngsten Vergangenheit mehrfach bewiesen.

      Deshalb bibberte Sabado nicht nur vor Kälte, sondern auch vor Angst, wie er jämmerlich auf der Taurolle hockte und den wütend-schweigsamen Acosta im Halbkreis der Gefährten vor sich sah.

      Aber da war etwas anderes, was dem Überlebenden auffiel. Seine Kumpane hatten sich irgendwie verändert. Da war etwas in ihren Gesichtern, das er vorher nicht bemerkt hatte. Auch ihre Blicke, die sie dem Schwarzbärtigen von der Seite her zuwarfen, hatten einen veränderten Ausdruck.

      Sabado konnte es sich nicht auf Anhieb erklären, aber er sollte innerhalb der nächsten Minuten erfahren, worin diese auffällige Veränderung begründet war.

      „Ein Bild des Jammers“, sagte Acosta verächtlich und durch die Mundwinkel gepreßt. „Ein Häufchen Elend bist du, Sabado. Andere Worte kann ich für dich nicht finden, du Jammerlappen. Und wenn du auch noch Mitleid erwartest, dann hättest du nicht erst an Bord zurückkehren sollen. Feiglinge wie du sind an Bord meines Schiffes überflüssig.“

      Sabado, der zur ursprünglichen Crew der „Viento Este“ gehörte, zitterte heftiger. Seine Augen begannen zu flackern und richteten sich flehentlich auf Acosta, der ein halbes Dutzend geladene Pistolen unter dem Gurt trug. Der Schwarzbärtige wußte sehr wohl, daß er es zunehmend schwerer hatte, sich durchzusetzen.

      Der zitternde und frierende Decksmann begann sich schuldig zu fühlen – dafür, daß er noch am Leben war.

      Doch plötzlich erhielt er unerwartete Hilfe.

      „Sabado ist kein Feigling“, meldete sich eine rauhe Stimme. Es war Prado, der Bootsmann der „Viento Este“, der sich da laut und vernehmlich Gehör verschaffte. „Er kann nämlich nichts

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