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was nicht.“

      „Langsam werde ich ganz klein und häßlich“, sagte Ed Carberry offenbar geknickt. „Da kann man mal sehen, daß man selbst als Profos noch aufpassen muß, wenn man unter einem gestrengen Kapitän fährt.“

      Old O’Flynn faßte das als Kompliment auf und grinste in seiner Felsendeckung vor sich hin.

      Wieder war es der Kutscher, der die Aufmerksamkeit der „Empress“-Mannen in naheliegende Bahnen lenkte.

      „Darf ich die Gentlemen Kapitän und Profos höflichst darauf hinweisen, daß sich bei der Galeone etwas Entscheidendes tut? Wenn mich meine Augen nicht täuschen, ist das Floß auf südlichen Kurs gegangen. Noch etwas erscheint mir wesentlich: Der Mann, der ganz vorn hockt, hat soeben begonnen, zu loten.“

      Old Donegal kniff die Augen zusammen und spähte angespannt auf die Bucht hinaus.

      „Verdammt“, sagte er, „die haben doch tatsächlich vor, ihren Pott näher ans Ufer zu legen.“

      Carberry konnte ausnahmsweise nicht widersprechen.

      „Was das bedeutet, dürfte ja wohl klar sein“, sagte er. „Die wollen ihre Kanonen einsetzen, damit eine Gruppe im Feuerschutz landen kann.“

      „Vier Kanonen an Backbord“, sagte Stenmark wegwerfend, „und nur noch drei an Steuerbord, weil ihnen die eine auseinandergeflogen ist. Das ist ja nun nicht gerade ein überwältigender Feuerschutz.“

      „Wenn wir uns entsprechend verteilen und laufend die Deckungen wechseln“, fügte Martin Correa hinzu, „dann werden wir damit fertig.“

      Die anderen nickten zustimmend.

      Unvermittelt ertönte von dem Floß der Spanier wildes, begeistertes Gebrüll Deutlich war immer wieder ein triumphierendes „Hurra“ herauszuhören.

      „Sehen wir uns die Sache mal aus der Nähe an“, entschied Old Donegal kurzerhand. „Die Amigos sind ja vor Freude völlig aus dem. Häuschen.“

      Im Schutz der Uferfelsen und des Gestrüpps drangen sie gut gedeckt in südlicher Richtung vor und verharrten kurz darauf auf gleicher Höhe mit dem Floß.

      Es zeigte sich, daß die vier Floßfahrer fündig geworden waren. Ungefähr fünfzig Yards südlich des Ankerplatzes der „San Jacinto“ hatten sie eine Stelle gefunden, die dem Ufer fast dreißig Yards näher war als die derzeitige Position der Galeone. Und eifrig loteten die Strolche des verrückten Kapitäns weiter und stießen von Minute zu Minute näher ans Ufer vor.

      Ein Krächzen tönte plötzlich durch die sonst stille Bucht. Erstaunt hoben die Mannen von der verschwundenen „Empress of Sea II.“ den Kopf.

      Was da flügelklatschend über sie hinwegsauste, war knallrot und pfeilförmig mit seinen ausgebreiteten Flügeln.

      „Der elende Geier!“ flüsterte Old Donegal. „Schon wieder!“

      Carberry sandte einen fragenden Blick zu den Zwillingen, ballte hinter dem Rücken des alten O’Flynn die Hände zu Fäusten und schüttelte mißbilligend und fassungslos den Kopf.

      Die Söhne des Seewolfs konnten nur die Schultern hochziehen. Für alle anderen, die in die Sicherungsverwahrung des roten Vogels nicht eingeweiht gewesen waren, bestand ja ohnehin nur die Tatsache, daß der Papagei unverhofft aus einem selbstgewählten Versteck wieder aufgetaucht war.

      Philip und Hasard konnten es sich indessen nur so erklären, daß Sir John den Öffnungsspalt des Kistendeckels genutzt haben mußte, um sich zu befreien. Irgendwie mußte es ihm gelungen sein, mit seinem starken Schnabel die Verzurrungen zu erreichen und sie durchzubeißen.

      Was die Jungen sich bereits ausgemalt hatten, geschah tatsächlich.

      Sir John flatterte im Direktkurs auf die „San Jacinto“ zu, stieg bis über die Höhe der Masttoppen auf und drehte zwei Ehrenrunden. Da ihm aber niemand Aufmerksamkeit schenkte, weder durch einen Pistolenschuß noch durch einen gebrüllten Fluch, nahm er sich das Floß als Ziel vor, zu dem alle an Bord der Galeone neugierig hinüberstarrten.

      Die Kerle, die wie gebannt auf das Loten achteten, bemerkten den Papagei nicht sofort. Doch nach der ersten Runde, hoch über ihren Köpfen, ließ er sich mit schriller Stimme vernehmen.

      „Culos de mono!“ Das bedeutete nicht mehr und nicht weniger als: „Affenärsche!“

      Die Kerle auf dem Floß zuckten zusammen, und der Lotgast vergaß für den Moment sogar seine wichtige Tätigkeit. Entgeistert spähten sie hoch und sahen den kreisenden Papagei, der sie schon auf der Insel der „Viento Este“ so sehr verblüfft hatte.

      Abermals schleuderte der Vogel ein „Affenärsche!“ in spanischer Sprache auf sie nieder.

      „Jetzt reicht’s“, zischte einer der beiden Musketenschützen, ließ seine Langwaffe sinken und riß die Pistole aus dem Gurt.

      „Hol es vom Himmel, das verdammte Flattervieh!“ rief der Mann am Wriggriemen.

      Der Pistolenschuß krachte, und Sir John stieß ein schrilles Zetern aus, das nicht enden wollte. Nach einer Tirade von Schimpfwörtern, die allesamt aus dem Sprachschatz Ed Carberrys stammten, ergriff er mit Kurs auf den Strand die Flucht – gerade noch rechtzeitig, um auch der zweiten Pistolenkugel zu entgehen.

      „Die schießen auf unseren Sir John!“ rief der alte O’Flynn grollend. „Das geht zu weit!“

      Während der Papagei pfeilschnell in der Höhlenöffnung verschwand, erholte sich Stenmark als erster von der Überraschung über den plötzlichen Sinneswandel Old Donegals.

      Die Kerle auf dem Floß hatten sich fast bis auf Musketenschußweite genähert.

      Kurz entschlossen brachte der blonde Schwede seine Muskete in Anschlag und versuchte es mit einem Steilschuß. Krachend entlud sich die Langwaffe, und die Männer in der Felsendeckung hielten den Atem an.

      Im nächsten Moment war vom Floß wildes Geschrei zu hören.

      Old Donegal und seine Gefährten riskierten einen Blick. Der Lotgast preßte beide Hände auf den linken Oberschenkel und jammerte. Die anderen brüllten vor Schreck und vor panischer Angst, ebenfalls getroffen zu werden. Der Wrigger wendete in fliegender Hast und trieb das Floß zurück. Einer der beiden Musketenschützen war noch geistesgegenwärtig genug, eine Markierungsboje als Ansteuerungspunkt für die Galeone außenbords zu werfen.

      „Alle Achtung“, sagte Old O’Flynn mit einem anerkennenden Seitenblick zu Stenmark, „auch wenn’s ein Zufallstreffer war.“

      „Stimmt nicht“, widersprach der Schwede. „Ich habe gefeuert, um zu treffen. Und ich habe getroffen. Die Kugel streifte den Mann am linken Oberschenkel und schlug dann in ein Rundholz.“

      „Und haargenau so hast du’s natürlich vorgehabt“, erwiderte Old Donegal grinsend.

      „Klar doch“, behauptete Stenmark, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Das Floß war längsseits gegangen, und die drei Unverletzten hatten dem Mann mit der Beinschußwunde geholfen, über die Jakobsleiter aufzuentern.

      Julio Acosta hatte seine erhöhte Kapitänsposition auf dem Achterdeck eingenommen und beobachtete das Geschehen auf der Kuhl. Er hatte ein Fäßchen Rotwein als Extraration an Deck schaffen lassen. Nach dem dürftigen Mittagsmahl, das aus gesottenen roten Bohnen mit Speck und Pökelfleisch bestand, sollte der Wein die Nerven der Kerle entspannen. Es war den gemeinsamen Zielen absolut nicht förderlich, wenn sie sich in gereizter Stimmung befanden.

      Prado und Morro hatten es persönlich übernommen, die Beinwunde des Lotgasten zu versorgen. Natürlich, überlegte Acosta, mußten sich die beiden Schlitzohren wieder wichtig machen. Sie ließen einfach nicht locker damit, ihren Einfluß bei der Mannschaft auszubauen.

      Acosta hatte verfügt, daß nach dem Backen und Banken zunächst eine einstündige Pause eingelegt wurde, bevor man begann, die „San Jacinto“ an die von der Floßbesatzung entdeckte Position zu verholen. Der Schwarzbärtige

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