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hoch, schüttelte sich wie ein nasser Hund und hielt sich an dem Fender, seiner einzigen Rettung, fest. Damals, vor der Mocha-Insel, war es ein Holzkübel gewesen. Der Fender funktionierte nach dem gleichen Prinzip. Er verhinderte, daß der Kutscher jämmerlich absoff.

      Der Kutscher sah, wie die „Isabella III.“ mit prallem Zeug davonzog. Bitterkeit packte ihn. Jemand johlte zum Beifall für seine Bravournummer – es war das dreiste Bürschchen Dan O’Flynn. Na warte, dachte der Kutscher, dich kriege ich noch!

      „Mann über Bord!“ brüllte Blacky.

      Die Meldung wurde weitergegeben wie im Ernstfall, dann gellten Ed Carberrys Kommandos über Deck. Die Segel wurden backgebraßt. Der Rudergänger Pete Ballie ließ das Schiff über Backbordbug drehen, so daß sie eine Schleife von rund neunzig Grad fuhren und dann mit einem Kreuzschlag gegen den Wind gingen.

      Philip Hasard Killigrew hatte die Hände auf die Schmuckbalustrade gelegt, die den Querabschluß des Achterkastells nach vorn bildete. Er beobachtete seine Männer und merkte sich jeden Fehler, der ihnen unterlief. Er nahm sie auf das härteste heran und duldete keine Schwächen. Er verlangte ihnen das äußerste ab, besonders den ehemaligen Karibik-Piraten.

      Mitte April 1579 hatten sie Culebra in Nicaragua verlassen. Seitdem schliff er seine Crew erbarmungslos. Tagsüber purrten seine Befehle sie fast pausenlos an die Brassen und Schoten, jagten sie zu kühnsten Segelmanövern in die Wanten und bis unter die Toppnanten hinauf. Reihum wurde an Kanonen und Drehbassen exerziert. Die Zwischenzeiten, sogar die frühen Morgenstunden und die Zeit nach dem Dunkelwerden, füllte der Seewolf mit Manövern wie „Mann über Bord“ oder „Feuer im Vorschiff“ und ähnlichen Dingen aus. Jeder Mann mußte jede Station an Bord der „Isabella III.“ voll und ganz versehen können. „Rollenschwof“ nannten die Seeleute diese Art von Beschäftigung, die ihnen allmählich auf die Nerven ging und sie innerlich zum Kochen brachte.

      Smoky, Stenmark, Matt Davies und Patrick O’Driscoll waren dieses Mal mit der Segelpinasse dran. Sobald der ausgesprochen wendige Zweimaster in der Nähe des „schiffbrüchigen“ Kutschers lavierte und durch geschicktes Manövrieren stoppte, fierten sie das Beiboot weg und enterten über Jakobsleitern ab, die Sam Roskill und Bob Grey die Bordwand hinabbaumeln ließen. Auch Roskill und Grey sprangen an Bord der Pinasse. Dann pullten sie auf den Kutscher zu und zogen ihn aus dem Wasser. Er fluchte jetzt, was das Zeug hielt und kümmerte sich keinen Deut mehr um die gute Erziehung, die er bei Sir Freemont genossen hatte. Da er nicht schwimmen konnte und sich im nassen Element folglich außerordentlich tolpatschig benahm, hatten die Männer auf den Einsatz der Segelpinasse nicht verzichten können. Ein guter Schwimmer hätte sich mit ein paar kräftigen Zügen selbst bis an die Bordwand der Zweimastgaleone befördert und die Jakobsleiter erklommen. Aber genau das sollte ja nicht sein – Befehl vom Seewolf.

      „Kutscher, schaff dir ein dickeres Fell an“, sagte Smoky in der Pinasse. „So wie ich die Dinge sehe, wirst du noch öfter gegen deinen Willen über Bord gehen. Hasard hat sich in den Kopf gesetzt, uns die Hammelbeine langzuziehen. Und wie ich ihn kenne, gibt er erst Ruhe, wenn wir auf dem Zahnfleisch übers Deck kriechen.“

      Das stimmte.

      Hasard hatte immer noch eine Mordswut im Bauch – wegen der Geschehnisse in Culebra. Die Männer waren richtiggehend aggressiv geworden, weil sie schon seit Monaten keine Frauen mehr gehabt hatten und sich mal wieder richtig austoben mußten. Hasard hatte ihnen Landurlaub gewährt.

      Die Attraktion der „Putas“ an Land war eine Kreolin namens Juana gewesen – ein ausgekochtes, raffiniertes Luder. Gordon Watts hatte Perlen aus den Frachträumen der „Isabella“ gestohlen, um sie bezahlen zu können. Und eben das war für Hasard wie ein Schlag unter die Gürtellinie gewesen! Keiner der Männer hatte ihn bisher hintergangen, keiner hatte es jemals gewagt, auch nur einen winzigen Teil der Schätze an Bord ihrer Galeone anzutasten.

      Nun, Gordon Watts war für seine Unvorsichtigkeit bitter bestraft worden. Juana, gierig auf mehr Perlen und Schmuck von Bord der „Isabella“, hatte ihn von einem Zambo umbringen lassen.

      Von Culebra aus war der Seewolf mit seiner „Isabella III.“ zunächst nach Westen abgelaufen. Später hatte er dann aber – zum Entsetzen seiner Mannschaft – südlichen Kurs genommen.

      „Mon Dieu“, hatte Jean Ribault gesagt. „Mein Gott, Hasard, ich bin wirklich keine furchtsame Natur. Aber was wir hier tun, das bedeutet soviel, wie dem Spanier mitten zwischen die Reißzähne zu segeln.“ Er konnte es sich erlauben, den Seewolf zu kritisieren. Er hatte mit ihm das Landabenteuer im Hafen von Panama bestanden. Sie hatten den dicken Hafenkommandanten Alfonso de Roja, den nicht minder beleibten Gouverneur Diego de Avila sowie den Polizeipräfekten Miguel de Villaneva und dessen Clique das Fürchten gelehrt und die Mäuse im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Tisch tanzen lassen. Beide hatten sie hoch gesetzt und ihr Leben mehrmals in die Waagschale geworfen. Die Erlebnisse hatte ihre Freundschaft gefestigt.

      Dennoch, Philip Hasard Killigrew hatte dem intelligenten Franzosen nur geantwortet: „Und wenn schon! Willst du dich vielleicht vor den Dons verstekken?“

      Jean hatte es vorgezogen, keinen weiteren Kommentar abzugeben.

      Hasard wandte sich um und verfolgte mit wachem Blick, wie seine Männer über das Schanzkleid auf das Achterdeck kletterten und dort von ihren Kameraden in Empfang genommen wurden. Sie holten die Segelpinasse ein und zurrten sie mit Brooktauen fest. Blacky und Smoky prüften den ordnungsgemäßen Sitz der Laschungen, dann erstatteten sie ihrem Kapitän Meldung.

      Der Kutscher verzog sich hinter das Kombüsenschott und brummelte dabei irgend etwas Unverständliches. Wenn er gedacht hatte, er könne jetzt einen ruhigen Lenz schieben, so hatte er sich gründlich getäuscht. Schon wenig später tönte ein neuer Kommandoruf des Profos’ über Deck.

      „Schiff klar zum Gefecht!“

      Zähneknirschend begaben sich die Männer auf ihre Stationen, ihre bloßen Füße trabten über die Decks. Der Kutscher beeilte sich, die Kombüsenfeuer zu löschen. Er übernahm es auch, die Decks mit Sand zu bestreuen, wie das vor jedem Seegefecht unerläßlich war. Unterdessen schwangen die Stückpforten der „Isabella“ hoch, und rumpelnd wurden die Kanonen ausgefahren: je vier Demi-Culverinen, also Neunpfünder, auf jeder Seite der Kuhl sowie sechs Drehbassen, zwei vorn auf der Back, zwei auf dem Achterdeck und zwei auf der Kuhl ganz achtern. Das war im Gegensatz zu den dicken Kriegsgaleonen der Spanier eine geradezu lächerliche Armierung. Doch Hasard hatte den Dons nun schon so oft mit diesem Schiff eingeheizt, daß ihnen das Lachen endgültig vergangen war.

      Die „Isabella III.“, die früher „Valparaiso“ geheißen hatte und ein Prisenschiff war, hatte sich als echtes Glücksschiff erwiesen. Sie führte nur Fock- und Großmast – statt des Rahgroßsegels hatte sie ein Gaffelsegel –, aber dank ihrer Bauweise war sie schneller und wendiger als die meisten anderen Galeonen. Aber all das wäre nichts gewesen, wenn Hasard nicht diese Mannschaft gehabt hatte, diese Crew von geradezu unerhört draufgängerischen, fähigen, mit allen Salzwassern gewaschenen Kerlen. Er hätte sich für sie in Stücke schlagen lassen, wie sie für ihn durchs Feuer gingen.

      Aber er wußte auch genau abzuwägen, wann er sie loben durfte und wann er sie seine ganze Härte spüren lassen mußte. Hasard wußte, daß die Erfolgsserie ein Ende hatte, wenn er die Disziplin an Bord nicht rigoros wiederherstellte. Sie segelten frech und gottesfürchtig mit einer imposanten Pulverladung und einem noch imposanteren Schatz durch die Weltgeschichte – und er wollte, daß dies noch einige Zeit so andauerte.

      Er stieg selbst zur Kuhl hinunter und inspizierte das Zubehör der Geschütze. Kartuschen, Kuhfüße, Handspaken, Schwämme und Keile befanden sich in tadellosem Zustand. Auch die Pulverhörner waren ordnungsgemäß gefüllt. Und was die Justierung der Neunpfünder und Drehbassen betraf, so fand Hasard bei allem Groll nichts zu kritisieren.

      Al Conroy blickte von einer der Demi-Culverinen an der Backbordseite der Kuhl auf.

      „Wie lange soll das noch so weitergehen, Hasard?“ fragte er. „Wir haben unsere Lektion jetzt zur Genüge gelernt. Alles, was nun noch folgt, kann nur eine Art von Beschäftigungstaktik sein.“

      „Genau

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