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erkennen, ob Lina nun wütend, verletzt oder beides war, aber ich beschloss, sie nicht weiter zu reizen. In Sachen Männergeschmack kamen wir wohl nie auf einen gemeinsamen Nenner. Außerdem musste sie mir jetzt bei meinem Klamottenproblem helfen. Tom würde mich bald abholen kommen und dann musste ich umwerfend aussehen. Er sollte es bereuen mich je verlassen zu haben.

      Auf jeden Fall musste ich meine neuen High-Heels anziehen. Das war genau sein Ding, das wusste ich noch. Also musste ich mein Outfit um die Schuhe herum aufbauen. Lina und ich brauchten eine geschlagene Stunde um zu entscheiden was mir am meisten stand und in welchem Outfit ihm wohl am ehesten der Sabberfaden aus dem Mundwinkel hängen würde.

      Nachdem sie mir auch beim Schminken geholfen hatte, verabschiedete sich Lina von mir nicht ohne ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, dass ich doch lieber mit einer Halskette aus Steaks im Krokodilgehege baden gehen sollte, weil das die gesündere Alternative wäre. Als ich schließlich allein bei mir am Küchentisch saß, fertig geschminkt und gestylt und meinem Kater beim Fressen beobachtete, musste ich mir eingestehen, dass sie wohl Recht hatte.

      Noch war es nicht zu spät abzusagen. Ich könnte mich ins Ausland absetzen oder meinen Tod vortäuschen oder ihm einfach sagen, dass ich tierisch Angst hatte wieder so verletzt zu werden … Aber irgendwo in mir drin gab es diese Hoffnung. Die Hoffnung dass unsere Geschichte noch nicht zu Ende war und wir das Happy End bekamen, auf das wir so lange hingearbeitet hatten …

      Die Türklingel riss mich aus meinen Gedanken.

      Das musste er sein. Er war viel zu früh. Sollte ich einfach so tun als sei ich nicht zuhause?

      Blödsinn! Ich setzte meinen verführerischen Blick auf, zupfte mein Kleid zu Recht, fuhr mir durch die Haare, öffnete betont lässig die Tür und erschrak fast zu Tode.

      Vor mir stand ängstlich der kleine Junge, der mir am Tag zuvor den Weltuntergang vorausgesagt hatte und sah mich aus seinen braunen Augen flehentlich an.

      Er krallte sich um meine Beine und flüsterte:

      »Bitte lass mich rein, sonst findet er mich …«

      Kapitel 11

      »Willst du mir sagen wie du heißt?« Ratlos stand ich in meiner Küche und beobachtete den Jungen, der an meinem Küchentisch saß und ein Glas O-Saft umklammerte. Sein Blick suchte meine Küche ab, als ob hier irgendetwas versteckt wäre. Er nahm einen großen Schluck aus dem Glas und sah mich unsicher an. Seine Jacke und die Mütze hatte er immer noch an.

      »Willst du dir nicht den Anorak und die Mütze ausziehen? Es muss dir doch viel zu warm sein …«

      Er schüttelte stumm mit dem Kopf.

      »Du musst schon mit mir reden, sonst kann ich dir nicht helfen …«

      Wieder wich der Junge meinem Blick aus und fixierte das Glas in seiner Hand. In meinem Kopf purzelten tausend Gedanken herum. Wer war dieser kleine Kerl? Woher wusste er wo ich wohnte? Warum war er so besessen von mir? Hatte er psychische Probleme? Machte ich mich strafbar, da er jetzt in meiner Küche saß und Saft schlürfte? Sollte ich die Polizei rufen? Und was wenn Tom gleich auftauchen würde? Mir wurde von den vielen Gedanken ganz schwindelig und seufzend setzte ich mich neben den Jungen an den Tisch.

      »Luca«, murmelte der Junge leise.

      »Ist das dein Name?« Ich neigte mich nach vorne um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. Er nickte schüchtern mit dem Kopf.

      »Hör mal, Luca! Wir müssen deinen Eltern Bescheid sagen, dass du hier bist, sonst kriege ich Probleme!«

      Der Junge schüttelte heftig mit dem Kopf und griff nach meinem Arm: »Frau Schwarz, du musst mir helfen!«

      »Und wie?«, fragte ich unsicher.

      Luca ließ meinen Arm los und griff wieder nach dem Glas. Ich wartete noch auf eine Antwort, aber er schwieg.

      »Wovor hast du denn solche Angst? Du meintest er soll dich nicht finden … Wer denn?«

      »Die Welt gibt es bald nicht mehr!«, wisperte Luca.

      »Schon wieder diese Weltuntergangsgeschichte? Die Welt existiert seit mehreren Millionen Jahren. Die geht so schnell schon nicht unter.«, erklärte ich ruhig und versuchte dabei nicht allzu genervt zu wirken.

      »Es ist bald soweit!«, flüsterte Luca. »Sie haben gesagt, dass du die Einzige bist die das verhindern kann … Wenn du nichts machst, dann ist bald alles vorbei …«

      »Wer sind denn Sie? Wer erzählt dir denn solche Geschichten? Wo … Woher kennst du mich überhaupt?« Ich war so eindeutig überfordert mit der Situation. Ich erhob mich vom Stuhl und ging nervös in der kleinen Küche auf und ab. Vielleicht sollte ich doch lieber die Polizei holen. Dieser Junge war offenbar verwirrt oder hatte ein schweres Trauma oder Schlimmeres erlebt und brauchte professionelle Hilfe. Und die konnte ich ihm nicht geben. Also blieb nur Polizei rufen als Option.

      »Bitte holen Sie nicht die Polizei!«

      Ich erstarrte. Woher wusste er was ich vorhatte?

      »Und auch nicht meine Eltern bitte … Ich werde gleich wieder gehen … Ich will nur …« Er sah mich eindringlich an. »Ich will nur, dass du mir versprichst, dass du Welt rettest, wenn es soweit ist …!«

      Ich atmete tief ein und aus, setzte mich wieder auf den Stuhl neben Luca und sah ihn eine Zeitlang an. Er war ein hübscher Junge und seine Augen schienen förmlich zu strahlen und ich konnte erkennen, dass er den gleichaltrigen Kindern einen weiten Schritt voraus sein musste. Ich wusste nur nicht, ob das etwas Gutes war. Gleichzeitig wirkte er aber auch kraftlos, erschöpft und war ziemlich blass. Er war definitiv kein normales Kind.

      Ich goss ihm ein wenig Orangensaft nach und lächelte ihn hilflos an.

      »Luca …! Ich weiß leider überhaupt nicht was du meinst! Selbst wenn ich dir helfen wollte und wenn ich an so etwas glauben würde... Ich kann doch keinen Weltuntergang aufhalten!«

      Lucas braune Augen musterten mich intensiv und dann seufzte er leise enttäuscht: »Du bist noch gar nicht bereit dazu …«

      »Das sage ich dir die ganze Zeit, kleiner Mann …! Ich bin einfach die Falsche für sowas …«

      Eine einzelne Tränen kullerte stumm Lucas Wange herunter. Er atmete schneller und presste die Lippen aufeinander und ich konnte spüren wie sehr er gegen die Tränen ankämpfte. »Ich will ja tapfer sein … Aber ich will nicht, dass das passiert … Ich will nicht, dass das Ende kommt … Ich … Ich will nicht sterben …«

      »Luca …« Ich konnte nicht anders. Ich musste ihn in den Arm nehmen und an mich drücken. Egal ob verwirrt oder nicht, dieser Junge brauchte jemanden, der für ihn da war und ihn tröstete. Warum er aber ausgerechnet eine erfolglose, verbitterte Einzelhandelskauffrau als Hilfe wollte, wusste wohl nur er.

      »Niemand wird sterben! Du musst keine Angst haben!«

      Luca blickte mich hoffnungsvoll an und schluchzte: »Versprichst du es?«

      Oh je! Ich schluckte. Was sollte ich ihm antworten? Wie konnte ich so etwas zu sagen? Mit Versprechen jeglicher Art hatte ich ziemlich miese Erfahrungen gemacht. Wie sehr es weh tat, wenn es nicht eingehalten wurde, wusste wohl kaum einer besser als ich... Tom hatte versprochen mich zu heiraten... Sogar einen Verlobungsring hatte er mir als Zeichen seines Versprechens geschenkt … Ein wunderschöner Ring mit einem Saphir … Jetzt versauerte er in einem Schmuckkästchen auf der Kommode … So eine Enttäuschung wollte ich dem Jungen ersparen. Andererseits setzte Luca all seine Hoffnung in mich.

      Ich beschloss es mit Ehrlichkeit zu probieren.

      »Luca, ich weiß leider überhaupt nicht was ich tun kann um dir zu helfen.«

      »Rette die Welt …«, flüsterte er.

      Er sagte das mit solch einer Intensität, dass die Worte sich tief in mir festsetzten und mich noch lange beschäftigen sollten.

      Wir saßen einige Minuten

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