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Faktisch hätte er sich damit illegal in Deutschland aufgehalten. So etwas passierte damals häufiger. Junge Musiker hatten andere Dinge im Kopf, als sich um bürokratische Banalitäten zu kümmern. Der Leichtsinn wider besseres Wissen konnte aber fatale Konsequenzen haben. Veranstalter, die gegen die Auflagen verstießen, bekamen von den deutschen Behörden Bußgelder von bis zu 1000 Mark aufgebrummt. Wenn die Musiker Pech hatten, wurden sie kurzerhand in ihr Heimatland abgeschoben.

      Insgeheim durfte Howard Carpendale Meta deswegen dankbar sein, dass sie ihm und seinen Bandmitgliedern den lästigen Formalkram abgenommen hatte. Den Vorgang selber zu regeln, wäre für ihn wohl schwierig geworden. ,Der sprach ja kein Deutsch‘, weiß Metas Sohn Sven, der zu dem Zeitpunkt knapp acht Jahre alt war. Probleme bereiteten Carpendale darüber hinaus das raue Nordseeklima und gewisse regionale kulinarische Gepflogenheiten. Grundsätzlich war es ihm in ,Ostfreezeland‘ viel zu kalt. Und als Svens Oma gerade ein paar fangfrische Krabben auspulte, erschrak der Südafrikaner, weil er dachte, das wären Würmer.

      Passend dazu präsentierte sich der semmelblonde Schönling gerne in schickem Anzug und mit ordentlich gebundener Krawatte. Das ebenso kritische wie verwöhnte Norddeicher Publikum begegnete dem vermeintlichen Softie anfangs noch skeptisch, legte seine Zurückhaltung jedoch schnell ab, als klar wurde, dass der Mann sein Handwerk offensichtlich verstand. Zwar besaß Carpendale bereits zu Beginn seiner Karriere ein Faible für Balladen und hing sehr am traditionellen Rock’n’Roll. Aber den brachte er nach übereinstimmenden Aussagen diverser Zeitzeugen richtig gut rüber. ,Howard ist ein exzellenter Sänger – insbesondere seine Elvis-Imitationen waren früher klasse und sind es bis heute‘, meint Burkhard Eilts, der in den 1960er-Jahren bei den Norder ,Merrybeats‘ musizierte und zwecks Anschauungsunterricht regelmäßig zum ,Haus Waterkant‘ pilgerte. Eilts erinnert sich auch an eine nette Anekdote, in der Carpendale seine Kollegialität als Musiker unter Beweis stellte. ,Uns ereilte ein Hilferuf eines befreundeten Gitarristen, der bei einem Gig in Wiesbaden sein Instrument verpfändet hatte‘, erzählt Eilts. ,Howard ließ sich daraufhin 400 Mark von seiner Gage auszahlen und ist hingefahren, um das Ding bar auszulösen.‘

      Weniger erfreulich verlief unterdessen das ostfriesische Gastspiel der ,Greatful Dead‘ für Meta Rogall. Zum einen reagierte sie maßlos verärgert, dass die Bassistin Patricia Hill wegen ihres ultrakurzen Minirocks die Blicke der jungen Männer im Publikum auf sich zog. Bis dahin war eigentlich der Rocksaum der Hausherrin das absolute Maß der Dinge gewesen. Zum anderen kam es irgendwann innerhalb der Band zu einer Schlägerei, bei der eine Scheibe zu Bruch ging. Dieser Vorfall ist ebenfalls fein säuberlich dokumentiert. Meta ließ sich einen Schuldschein ausstellen, in dem sich einer der Musiker handschriftlich verpflichtete, ihr binnen vier Tagen einen Betrag in Höhe von 136 DM zwecks Wiedergutmachung des Schadens zu überweisen.

      Und Howard Carpendale? Ohne gültige Papiere hätte er unter den damaligen Umständen selbst in England bald Schwierigkeiten bekommen. Für arbeitslose ausländische Musiker herrschte dort zeitweilig Einreisestopp. Im ungünstigsten Fall hätte es für ihn ,Hello again South Africa‘ geheißen, sprich: Ihm hätte die Abschiebung in seine Heimat gedroht. Zu seinem Glück fand der Sänger rechtzeitig eine neue Plattenfirma. Im November 1966 erschien seine erste deutschsprachige Single ,Lebenslänglich‘, die sich auf Anhieb 60 000 mal verkaufte. Für einen Newcomer war das ein respektabler Achtungserfolg. Carpendales Vertrag wurde verlängert. Eine Arbeitserlaubnis war damit nunmehr eine reine Formsache, zumal die deutschen Behörden ihr restriktives Verhalten gegenüber ausländischen Musikern inzwischen ohnehin erheblich gelockert hatten.“

      [aus: Ein Südafrikaner in Ost„freeze“land, Mein Sonntagsblatt, 2.3.2014]

      Howard, wenn ich das so lese: Bei Meta war ja richtig was los.

      Oh ja. Unsere Band hat dort die Sau rausgelassen. Ja, es war wirklich Sex, Drugs and Rock’n’Roll pur. Unsere Bassistin Patricia Hill trug manchmal tatsächlich einen Minirock, der schon gar nicht mehr den Namen Minirock verdiente. Das Ding war so kurz – da hätte sie sich gleich nackig auf die Bühne stellen können. Die Männer im Publikum hatten alles andere als ihren Bass im Visier.

      Warum gab es diese Prügelei innerhalb der Band?

      Ich weiß es nicht mehr. Wir waren alle etwas bekloppt, da konnte manchmal schon ein falsches Wort das Fass zum Überlaufen bringen. Auf jeden Fall haben wir den Schaden mit der kaputten Scheibe bezahlt und uns brav bei Meta entschuldigt. Bei dieser Schlägerei war ich übrigens gar nicht mit dabei. Dafür hatte ich mal eine andere handfeste Auseinandersetzung mit unserem Gitarristen, besser gesagt, Ex-Gitarristen.

      Und die Story dazu?

      Dieser Typ hatte sich über Nacht aus dem Staub gemacht. Das alleine wäre ja gar nicht schlimm gewesen. Der Sack hatte aber auch meine Tonanlage mitgehen lassen. Diese Anlage hatte ich mir von meinem hart erarbeiteten Geld gekauft. So etwas lasse ich mit mir nicht machen. Ich bekam raus, wo er sich aufhielt – in Ostfriesland, ganz bei Meta in der Nähe. Als er mir die Tür öffnete, verpasste ich ihm eine harte Rechte. Als Boxer war ich ja noch nie zu unterschätzen. Aber: Der Typ hatte gute Nehmerqualitäten, er ging nicht zu Boden, sondern verpasste mir einen ebenso satten Schlag. Es folgte eine wilde Prügelei, einige Möbel überstanden den Kampf nicht. Meine Blessuren waren halb so schlimm, er hatte ein paar Kratzer mehr. Am Ende hatte ich ihn im Schwitzkasten, bis er mir endlich ein Blatt Papier unterschrieb, auf dem stand, dass man mir die Tonanlage aushändigen dürfe. Meine Tonanlage, die er im Hauptbahnhof Duisburg aufbewahren ließ. Weiß der Geier, warum er sie nach Duisburg gebracht hatte. Ich bekam jedenfalls meine Anlage wieder zurück.

      Und wie lief die Geschichte mit deiner Arbeitserlaubnis?

      Das war schon so, wie es in der Story über Meta und unsere Band zu lesen ist. Meta hat sich darum gekümmert. Glücklicherweise. Mit diesem ganzen Papierkram wollte ich nichts zu tun haben. Ich hatte auch überhaupt keinen Plan. Später war das sowieso kein Problem mehr, als ich meine ersten Hits landete und erfolgreicher wurde.

      In Deutschland bist du einfach mal zu einer Plattenfirma marschiert, um dich vorzustellen?

      Na ja, ich hatte von der Plattenfirma EMI aus England eine Art Empfehlungsschreiben bekommen, mit dem ich mich bei der Firma Electrola in Köln vorstellen sollte. Das habe ich gemacht – und bin so zu Dieter Weidenfeld vorgedrungen, der mich später ja auch gemanagt hat. Bei unserem ersten Treffen war er mir gegenüber ziemlich reserviert. Möglicherweise, weil er zu dem Zeitpunkt schon wusste, dass er nicht mehr lange bei dieser Plattenfirma sein würde. Ein paar Tage später war er jedenfalls nicht mehr da. Aber er hatte dafür gesorgt, dass sein Nachfolger mit mir arbeiten wollte. Kurze Zeit darauf durfte ich bei dem großartigen Paul Kuhn vorsingen und dann sogar das Lied „Lebenslänglich“ aufnehmen. Mit dem Song landete ich meinen ersten Hit, die Single wurde etwa sechzigtausend Mal verkauft. Geil! Aber es war noch viel besser: Ich stieg auch in die Charts von RTL Luxemburg ein – zwischen den Beatles und den Rolling Stones.

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