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der Veteran. »An der Nase haben sie mich geführt, die Halunken, und das mit Glanz! Aber das kann ich den jungen Herrschaften sagen, so jung Sie sind, aber das wird Ihnen gut tun, zu wissen, daß es eine große Verderbnis ist hier mit den Leuten. Da kommt man und liefert mit allem Respekt seine Arbeit ein … Ja, Gott soll mich bewahren!« rief er plötzlich und schlug sich mit seinem Hut vor die Stirn. »Ich hab' mich den Herrschaften wohl noch nicht mal präsentiert und bekanntgegeben? – Hinnerke!« sagte er. »Schuhmachermeister Hinnerke, Hoflieferant, gedient und ausgezeichnet!« Und er wies mit dem Zeigefinger seiner großen, rauhen und gelblich gefleckten Hand auf die Medaille an seiner Brust. »Die Sache ist so, daß Königliche Hoheit, der Herr Papa, die Gnade gehabt hat, ein Paar Stiefel bei mir zu bestellen, Schaftstiefel, Reitstiefel, mit Sporenkäppchen und in Lackleder von prima Qualität. Die mach' ich denn, ich hab' sie ganz allein gemacht mit aller Akkuratesse, und heut sind sie fertig und blitzten nur so. Sollst selbst gehen, sag' ich zu mir … ich hab' einen Jungen, der austrägt, aber ich sage zu mir: Sollst selbst gehen, es ist für den Herrn Großherzog. Und zieh' mich denn an und nehm' meine Stiefel und gehe aufs Schloß. ›Schön!‹ sagen gleich unten die Lakaien und wollen sie mir abnehmen. ›Nein!‹ sag' ich, denn ich trau' ihnen nicht. Ich hab' meine Aufträge und meinen Hoftitel für mein Renommee, will ich den Herrschaften sagen, und nicht, weil ich die Kammerlakaien bezahle. Aber die Bursche sind verwöhnt mit Trinkgeldern von den Lieferanten und wollen bloß was von mir für die Besorgung. ›Nein,‹ sag' ich, denn ich bin nicht für Durchstecherei und schleichendes Wesen, ›ich will sie persönlich einliefern, und wenn ich sie nicht dem Herrn Großherzog selber geben kann, so will ich sie Herrn Kammerdiener Prahl geben.‹ Sie giften sich, aber sie sagen: ›Dann müssen Sie da hinaufgehen!‹ Und ich gehe da hinauf. Da oben sind wieder welche und sagen ›Schön!‹ und wollen die Stiefel besorgen, aber ich verlange nach Prahl und bleibe dabei. Sie sagen: ›Er trinkt Kaffee‹, aber ich bin fest und sage, dann will ich warten, bis er ausgetrunken hat. Und indem ich das sage, wer kommt vorbei in seinen Schnallenschuhen? Kammerdiener Prahl. Und sieht mich denn, und ich gebe ihm die Stiefel mit ein paar angemessenen Worten, und er sagt ›Schön!‹ und sagt noch eigens: ›Hübsch sind sie!‹ und nickt mir zu und trägt sie weg. Nu bin ich ruhig, denn Prahl, auf den is Verlaß, und nu will ich gehen. ›Hö!‹ ruft einer. ›Herr Hinnerke! Sie gehen ja falsch!‹ ›Verdammt!‹ sag' ich und kehre um und gehe nach der andern Seite. Aber das war das Dümmste, was ich tun konnte, denn sie hatten mich in den April geschickt, und ich gehe, wohin ich nicht will. Ich gehe ein Stück und treffe wieder so einen und frage ihn nach dem Albrechtstor. Aber er merkt gleich, was los ist und sagt: ›Dann gehen Sie man erst die Treppe hinauf und dann immer nach links und dann wieder hinunter, dann schneiden Sie ein großes Stück ab!‹ Und ich habe Vertrauen zu seiner Freundschaft und tue, wie er sagt und verbiestere mich mehr und mehr und komme aus aller Kontenanz. Da merke ich, daß es nicht meine Schuld ist, sondern die von den Spitzbuben, und mir fällt ein, daß ich gehört habe, daß sie das oft so machen mit Lieferanten, die ihnen kein Trinkgeld geben, und lassen sie herumirren, daß sie schwitzen. Und der Ärger macht mich blind und dumm, und komme in Gegenden, wo keine Seele mehr atmet und weiß nicht ein und nicht aus und graule mich ordentlich. Und schließlich treff' ich die jungen Herrschaften. Ja, so ist es mir gegangen mit meinen Stiefeln!« schloß Schuster Hinnerke und wischte sich die Stirn mit dem Handrücken.

      Klaus Heinrich preßte Ditlindens Hand. Sein Herz pochte so stark, daß er ganz und gar vergaß, seine Linke zu verbergen. Das war es. Das war etwas davon, ein wenig, ein Zug! Sicher, das war von den Dingen, die sein »hoher Beruf« ihm vorenthielt, war von dem Treiben der Leute, wie sie unverschönt und am Alltag waren! Die Lakaien … Er schwieg, er fand kein einziges Wort.

      »Da schweigen sie nun,« sagte der Schuster, »die jungen Herrschaften!« Und seine biedere Stimme war ganz bewegt. »Ich hätte es ihnen wohl gar nicht erzählen sollen, weil es nicht ihre Sache ist, so was Schlechtes zu erfahren. Aber dann denk' ich doch wieder,« sagte er, legte den Kopf auf die Seite und schnippte mit den Fingern in der Luft, »daß es nicht schaden kann, daß es ihnen gar nicht schaden kann für künftig und späterhin …«

      »Die Lakaien …« sagte Klaus Heinrich und nahm einen Anlauf … »Die sind wohl schlimm? Ich kann es mir lebhaft vorstellen …«

      »Schlimm?« sagte der Schuster. »Nichtswürdig sind sie. Das ist das Wort für sie. Wissen Sie, wozu sie fähig sind? Sie halten die Waren zurück, wenn sie nicht genug Trinkgeld bekommen, halten sie zurück, wenn der Lieferant sie in aller Pünktlichkeit zur bestimmten Zeit übersendet, und geben sie mit großer Verspätung ab, damit den Lieferanten die Schuld trifft und er dasteht als pflichtvergessen in den Augen der höchsten Herrschaften, und ihm die Aufträge entzogen werden. Das tun sie ohne Skrupeln, und es ist ganz bekannt in der Stadt …«

      »Ja, das ist arg!« sagte Klaus Heinrich. Er lauschte, lauschte. Er wußte noch kaum, wie sehr erschüttert er war. »Sie tun wohl noch mehr?« sagte er … »Ich glaube bestimmt, daß sie noch mehr tun in dieser Art.«

      »Und ob!« sagte der Mann und lachte. »Nein, die lassen es nicht fehlen, will ich den jungen Herrschaften sagen, die betätigen sich in mancher Hinsicht. Da ist zum Beispiel der Spaß mit dem Türenöffnen … Das machen sie so. Jemand wird zur Audienz zugelassen bei Herrn Papa, unserm gnädigsten Großherzog, und nehmen Sie an, daß er ein Neuling ist und noch nie bei Hofe war. Und kommt denn im Frack und hat Frost und Hitze, denn es ist ja natürlich keine Kleinigkeit, zum erstenmal vor der Königlichen Hoheit zu stehen. Und die Lakaien lächeln über ihn, weil sie hier zu Hause sind, und bugsieren ihn ins Vorzimmer, und er weiß nicht, wie ihm geschieht, und vergißt denn auch richtig, den Lakaien Trinkgeld zu geben. Aber dann kommt sein Augenblick, und der Herr Adjutant sagt seinen Namen, und die Lakaien machen die Flügeltür auf und lassen ihn in das Zimmer hinein, wo der Herr Großherzog warten. Da steht denn der Neuling und macht Reverenz und sagt seine Antworten, und der Herr Großherzog in seiner Güte gibt ihm die Hand, und nu is er entlassen und geht nach rückwärts und denkt, die Flügeltür soll hinter ihm aufgehen, wie man es ihm bestimmt versprochen hat. Aber sie geht nicht auf, sag' ich den jungen Herrschaften, denn die Lakaien sind giftig auf ihn, weil sie kein Trinkgeld bekommen haben, und rühren keinen Finger da draußen. Aber er darf sich nicht umdrehen, das darf er beileibe nicht, weil er dem Herrn Großherzog seinen Rücken nicht zeigen darf, das wäre ein großer Verstoß und eine Beleidigung für den hohen Herrn. Und sucht denn hinter sich mit der Hand nach dem Türgriff und findet ihn nicht und kriegt das Zappeln und springt an der Tür herum, und hat er schließlich durch Gottes Erbarmen den Griff, so is es 'ne altmod'sche Klinke, und er versteht sich nich drauf und fingert und renkt sich den Arm aus und rackert sich ab und verneigt sich zwischendurch aus Verzweiflung, bis der gnädigste Herr ihn womöglich zuletzt mit eigener Hand hinauslassen muß. Ja, das ist das mit dem Türöffnen! Aber das ist noch gar nichts, und nun will ich den jungen Herrschaften …«

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