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hat. Weil Kinder doch den Gesprächsstoff vorgeben. Was hat sich ein Paar ohne Kinder zu sagen?

      Ich antworte ihm gerne:

      Kinderlose Leute reden darüber, wohin sie das nächste lange Wochenende fahren.

      Sie reden über das neue Buch von Jonathan Franzen.

      Sie reden über die Aussage von Kim Cattrall, der Schauspielerin, die in einer Frauensendung auf BBC gesagt hat: »Ich bin keine biologische Mutter, und doch bin ich eine Mutter.« Dass sie junge Kolleginnen habe und Neffen und Nichten, denen sie nahestehe, die sie umsorge und berate und denen sie Vorbild und Mentorin sei, und dass der eigene Name nicht auf einem Geburtsschein stehen müsse, um sich als Mutter zu fühlen.

      Sie beraten über das Restaurant, in dem sie am nächsten Abend essen.

      Sie erzählen sich von ihrem Arbeitstag.

      Sie reden darüber, ob man seinem Leben mehr Bedeutung gibt, wenn man sich in Kindern verewigt.

      Sie reden über den Freund, der den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen hat.

      Sie schenken sich noch ein Glas Champagner ein.

      Sie küssen sich.

      Sie überlegen sich, ob sie in die Nachtvorstellung gehen sollen.

      Sie schauen zu, wie der Mond aufzieht.

      Der eine von ihnen sagt: Das Kind wäre jetzt sechs Jahre alt. Wie es wohl aussehen würde?

      Der andere sagt: Und was wohl mit uns passiert wäre?

      WAS IN DIESEM ZIMMER

       ALLES PASSIERT IST

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      Wenn zwei ein Hotelzimmer betreten, betreten sie einen Raum ohne Geschichte. Der Raum wirkt unberührt, es riecht nach nichts, obwohl hier immer andere Leute wohnen. Einsame Geschäftsmänner standen am Fenster und starrten in die Nacht, früher wählten sie den »Adult«-Channel, zu dem sie in Hotels berechtigter schienen, da es nicht unter Aufsicht geschah: des Ehepartners, des Über-Ichs, des Haustiers. Es muss hier Liebesnächte gegeben haben, heimliche und altvertraute. Es wurde Treue geschworen, ein Name geflüstert und das Ende beschlossen, es wurden Schwüre gebrochen und Pillen geschluckt, um es bis zum andern Morgen auszuhalten.

      Zum Glück wissen die Neuankömmlinge nichts davon. Sie sind unbelastet. Fühlen sich selber fremd und ohne Bezüge, und ob man nicht auf der Stelle von Heimweh befallen wird, hängt davon ab, wer neben einem den Koffer zieht.

      Verstörend ist ja bereits die Ankunft im Hotel, umso mehr in großen, gutklassigen Hotels. Als eine Passage von einem Ort an einen Nicht-Ort hat der amerikanische Autor Geoff Dyer in seinem Essay »Sex and Hotels« diesen Moment beschrieben. Die dienende Zurückhaltung des Portiers, der einem das Gepäck abnimmt. Der höfliche Gleichmut des Desk Managers, der um den Ausweis bittet. Dann das Durchschreiten der Lobby, als hätte man diplomatische Immunität erhalten. Man lässt seine Herkunft zurück, die niemanden interessiert. Alles wird bedeutungslos, ob man zusammengehört oder Namen hat, die nicht zusammengehören.

      Nur eine Zimmernummer ist jetzt mit dem eigenen Namen verbunden. Man ruft den Lift, fährt hinauf. In der Spiegelkabine wird man spätabends nach dem letzten Drink die Anwesenheit als Paar mit einem Foto bezeugen, das man anderntags wieder löscht. Den langen Gang entlang, vorbei an Türen mit der Bitte, nicht zu stören, vorbei an halb leeren Tellern und silbernen Hauben. Man entsperrt das Schloss, stemmt sich gegen die Tür. Sie fällt mit Zugkraft hinter beiden zu. Man ist drin.

      Je teurer ein Hotel ist, desto erregender, schreibt Dyer. Luxushotels haftet etwas Unmoralisches an, nicht bloß der käuflichen Frauen wegen unten in der Bar. In der Verwöhnung ist die Welt ausgeschlossen. Man bewohnt einen Planeten als die zwei einzigen Wesen, Raum und Zeit sind aufgehoben, ob man sich gerade in Tokio, New York oder Basel befindet. Möbel, Kunst, Aussicht auf Türme – der Luxus gleicht sich überall. Nur die Suite eignet sich nicht für Verliebte, denn die wollen sich nicht aus den Augen verlieren.

      Für diejenigen aber, die sich nichts mehr zu sagen haben, ist auch im Luxushotel alles zu klein und zu eng. Sie sind Gefangene, die sich nicht ausweichen können. Eine Liebe, die endet, ist traurig, aber sie ist trostlos, wenn sie vor einer verschwenderischen Kulisse zur Erinnerung wird.

      Noch aber ist alles Gegenwart. Man tritt ein, stellt die Tasche hin, schaut sich um. Die Schalldämpfung nimmt den Worten den Klang, die Füße sinken im Teppich ein. Das weiße Bett, das gespannte Tuch, die gestapelten Kissen. Es wird einem vorgetäuscht, man dürfe die ersten Spuren hinterlassen. Als hätten sie auf die erste Nutzung gewartet: die weichen Bademäntel, die Hausschuhe mit Emblem. Nie ist das Frottee von der Wäsche rau oder grau, nie zeigt das Tuch Flecken. Man entfernt im Bad den Deckel vom Glas, die Schleife von der Schüssel, bricht das Siegel der Seife auf. Klack.

      Ein Hotelzimmer wird genommen.

      DIE REISE

       VOR DER ABREISE

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      Wohin geht die Reise dieses Jahr?

      Das Kontingent mit den Ferientagen ist noch voll in diesen ersten Wochen, die Reiselust wächst schon im Februar wieder an. Als Planungsgrundlage schickt man dem andern die Berichte mit den »20 places to be in 2019«, die so zuverlässig kommen wie der Frühling, der Sommer, der Herbst – die Zeit also, wenn man die Koffer packt.

      Da es zwei Arbeitsleben aufeinander abzustimmen gilt, setzt man sich an einem Abend hin. Wo war man noch nie, wie weit darf es sein, was lohnt sich erneut? Danach ist man zwar manchmal so erschöpft wie nach einem Bergaufstieg. Aber würde man das Ritual nicht mehr einhalten, zusammen vorauszuschauen auf das Schöne – dann fehlte etwas. Es heißt immer, erst wer es gut habe beim Reisen, passe zusammen. Aber eigentlich ist der Testfall die Planung.

      Diese widersetzt sich der Unverbindlichkeit, mit der man heute in den Tag hinein lebt. Wenn ich morgen nicht mehr ins Restaurant will, lasse ich die Reservation halt verfallen. Es gibt eine Unlust, sich festzulegen, ganz schnell ist man nicht mehr »in Stimmung«. Bei der frühen Ferienplanung hingegen rechnet man miteinander. Der Saver-Flug in acht Monaten lässt sich nicht umbuchen. Er ist wie eine gegenseitige Versicherung.

      Also bricht man auf. Die Teller vom Nachtessen sind abgeräumt, die Gläser nachgefüllt, ein paar herausgerissene Reiseberichte ausgelegt, die dann doch keiner liest. Sobald ein Land fällt oder eine Stadt, wischen die Finger über das Tablet. Er zoomt die Weltkarte heran, rechnet bei nahen Zielen die Fahrzeit aus. Sie besucht Hotels und verwirft alle Zimmer, in denen man in den Spalt zwischen den Matratzen rutscht.

      Noch vorher wählt man aber die freien Wochen in den Kalendern aus. Der eine möchte alle fünf Ferienwochen auf einmal nehmen, der andere sie haushälterisch übers Jahr verteilen. Dann muss auch das Bedürfnis nach Erholung synchronisiert werden. Eispickel oder Hängematte? Weiter berät man über das Budget. Meist fällt irgendwann der Satz: Steh nicht so auf der Bremse, sonst können wir gleich zu Hause bleiben. Und bevor man sich auf die Osterinsel einigt, sollte man vielleicht noch Folgendes entscheiden: Flugzeug, Auto, Velo oder Zug?

      Damit zum zweitwichtigsten Punkt. Wenn man jetzt Ferien plant, dann sitzt Greta immer mit auf dem Sofa, das 16-jährige Mädchen mit den Zöpfen aus Schweden, das auf unsere Klimaverbrechen hinweist. Wer weiß, was für ein Sommer uns erwartet. Jetzt mag man sich an der Vorstellung wärmen, aber im Juli lässt sich eine Reise nach Hawaii nicht mehr vertreten. Palmen und Korallenriffe muss man langsam aus dem romantischen Programm streichen. Liebe ist, darüber nicht in Streit zu geraten.

      Nur etwas könnte noch entzweiender sein. Nämlich die Frage, ob man an Orte reisen soll, an denen der eine schon einmal mit einem früheren Geliebten war. Entweder man sagt sich als Paar: Wir nehmen die Allerweltsstädte Paris, London, New York neu ein und überschreiben die Spuren dort mit unserer Geschichte.

      Oder man hat Angst vor dem Vergleich

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