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dass zwischen den beiden Gehirnhälften ein tiefer, unüberbrückbarer Abgrund klafft: Da werfen wir von der linken Seite vielleicht einen einsichtsvollen Blick auf den Schaltkreis der rechten Seite, aber ohne ihn öffnen und mit dem neuen Verständnis verbinden zu können.

      Unüberbrückbar? – Nein. Diesen Brückenschlag kann auf einfache Weise das Stress Release übernehmen. Es synchronisiert durch die symmetrische Berührung der Reflexpunkte die linke und die rechte Gehirnhälfte so, als wäre die Einsicht „recht-zeitig“ erfolgt, um die Bildung eines in sich geschlossenen, Schaltkreises zu verhindern. Wie diese „Rechtzeitigkeit“ solche verselbstständigten Schaltkreise verhindern kann, möge ein einfaches Beispiel veranschaulichen:

      Stellen Sie sich einmal vor …

      Sie wachen mitten in der Nacht von einem Getöse auf, das Schlafzimmerfenster steht offen, die Gardine weht, Sie sehen einen Schatten vor dem Fenster weghuschen.

      Stellen Sie sich vor, wie es Ihnen ergeht, wenn Sie nicht klären können, was eben passiert ist. Beispielsweise, weil Sie schreckliche Angst haben, trauen Sie sich erst gar nicht, das Licht anzumachen. Sie verkriechen sich unter der Bettdecke. Was meinen Sie, wie gut können Sie in dieser Nacht einschlafen? – Und wie wird es am folgenden Abend sein? Wenn Sie sich eines Tages wegen chronischer Schlafstörungen untersuchen lassen, haben Sie diesen Vorfall längst vergessen.

      Nun andersherum: Stellen Sie sich vor, Sie hätten sofort das Licht angeschaltet, wären aufgestanden und hätten aus dem Fenster geschaut: Statt des gefürchteten Einbrechers sahen Sie Nachbars Katze fluchtartig durch den Garten laufen. Wie ist es dann mit dem Wiedereinschlafen? Und wie wird es wohl in der nächsten Nacht werden?

      Unsere erste Variante ist der Start zu einem geschlossenen Schaltkreis: Wir haben der linken Gehirnhälfte gar nicht die Chance gegeben, ebenfalls ihren Beitrag zu dem Vorfall beizusteuern und die Situation mit Einsicht zu beleuchten. Hätten wir das getan, wären uns Spätfolgen erspart geblieben. Anders verhält es sich natürlich mit Erfahrungen in unseren frühen Lebensjahren, wenn wir für Prägungen hoch empfänglich sind, aber weder in der Lage, diese Erfahrungen „vernünftig“ einzuschätzen, noch dazu, dem etwas bewusst Eigenständiges entgegenzusetzen. Durch weitere Wiederholungen ähnlicher Situationen haben sich dann die einst gelegten Spuren in unserem Gehirn zu regelrechten Automatismen ausgebaut, die alternative Möglichkeiten gar nicht erst in den Blick kommen lassen.

      Das Ende vom Lied erinnert an die beiden Königskinder, die nicht zueinander kommen konnten. Die linke Hemisphäre ruft über den See: „Ich weiß doch aber … und ich möchte doch …“, und die rechte antwortet: „Ich kann doch nicht und soll doch nicht …“

      Synchronisation

      Während der Anwendung des Stress Release scheinen sich aufgrund der synchronisierten Anregung der Durchblutung die Schaltkreise zu öffnen, indem die beteiligten Areale beider Hemisphären (und die mit ihnen verbundenen tieferen Gehirnareale) durch den Kontakt der Stirnbeinhöcker reflektorisch sanft veranlasst werden, sich mit dem jeweiligen Thema oder Konflikt gleichzeitig und gleichwertig auseinanderzusetzen.

      Es ist, als würden wir in die nächtliche Situation im Schlafzimmer zurückversetzt und könnten dort noch einmal andere Alternativen durchspielen, wodurch offenbar neue synaptische Verbindungen „ausprobiert“ bzw. angebahnt werden. Dafür spricht, dass Patienten nach Beendigung des Stress Release meist eine Veränderung im Erleben und Bewerten ihrer Problemsituation beschreiben. Offenbar vernetzen sich Alterfahrung und erwachsene Einsicht über neue synaptische Verschaltungen, die dann für die reale Lebenssituation Auswege erkennen lassen. Es scheint also beim Stress Release tatsächlich etwas im Kopf zu „passieren“.

      Dazu passt auch, dass manche das Wirken der Stress-Release-Technik geradezu „physiologisch“ spüren:

      Eine Kursteilnehmerin erlebte „ein unruhiges Hin-und-Her-Springen im Kopf, mal rechts, mal links – und zum Ende hin floss es auf beiden Seiten ausgeglichen und ruhig“. Andere empfinden ein Elektrisieren oder Pulsieren. Gemeinsam ist ihnen immer, dass es zunächst „asynchron“ beginnt und sich allmählich immer mehr synchronisiert.

      *

      Ein junger Mann beschrieb seiner Therapeutin, die aus der Gesprächssituation spontan in ein Stress Release übergeleitet hatte, nachher: „Das war ja witzig! Ich sah vor meinem inneren Auge die Icons von Computerdateien, wie sie auf dem Bildschirm beim Versenden oder Verschieben von einem Datenträger auf einen anderen wandern. Und gerade in dem Moment, bevor Sie Ihre Hand wieder von meiner Stirn nahmen, blinkte auf dem Schirm auf: „Dateien erfolgreich übertragen!“

      Nun ist das Stress Release nicht der einzige Weg, die rechte und die linke Gehirnhälfte im therapeutischen Prozess zur Kooperation zu bewegen; auch eine Reihe anderer Methoden beziehen neben der kognitiven Ansprache (linke Seite) ganzheitliche Elemente (rechte Seite) ein, seien es kreative Therapieformen, systemische Aufstellungen oder andere. Sie alle lassen die „Kontrahenten“ sozusagen näher zusammenrücken. Den Vorteil gerade des Stress Release sehe ich aber darin, dass es sich ohne weiteren Aufwand und sonstige Techniken sofort mit fast jeder therapeutischen Arbeitsweise unaufdringlich verbinden und unterstützend nutzen lässt.

      Vielseitig verwendbar

      Der Coach eines Hochschulinstituts hatte in einem meiner Seminare und in eigener Therapie das Stress Release kennengelernt und war von seiner Wirkung begeistert. Deshalb überlegte er, inwieweit er es auch seinen Klienten zugutekommen lassen konnte. Obwohl er als Grundlegitimation eine therapeutische Ausbildung hatte, empfand er eine solche „Behandlung“ mit Berühren der Klienten im Rahmen seines universitären Auftrags jedoch als unangemessen. Deshalb bot er ihnen versuchsweise an, nach dem jeweiligen Gespräch selbst für einige Minuten die Reflexpunkte zu halten und das Thema gedanklich zu rekapitulieren. Die Wirkung beschreibt er als so überzeugend, dass weder er noch seine Coachees auf diese kleine Intervention verzichten wollten.

      Woher wissen wir aber – nachdem wir uns für ein Stress Release entschieden haben –, ob dabei überhaupt die richtigen Gehirnareale aktiviert werden? Wie können wir davon ausgehen, dass das Gehirn während dieser Minuten allein durch Berührung von zwei Punkten weiß, was es tun soll, nämlich neue Weichen zu sehr einem konkreten Anliegen stellen (und nicht zu etwas beliebigem anderen)?

      Ein logischer Schluss legt nahe, dass sich beim Stress Release im Gehirn das fortsetzt, was es im Laufe der therapeutischen Sitzung ohnehin beschäftigt hat. Denken und Fühlen widmen sich dem Thema, das den Patienten bewegt oder bedrängt und worüber eingehend gesprochen wurde. Solange dieses Anliegen ernsthaft vertieft wird, dürften doch alle entsprechenden Neuronen Funken sprühen!

      Das heißt – so banal es klingen mag –, das Stress Release wird so tief greifen wie die vorangegangene Bearbeitung eines Themas. Je besser sich der Patient in seinem Anliegen verstanden fühlt und je besser sein Konflikt auf den Punkt gebracht ist, desto genauer werden gerade die Gehirnareale aktiviert, die es beim Stress Release zu koordinieren gilt.

      Dabei ist es sogar unerheblich, ob schon vor dem Stress Release Denken und Fühlen (also rechts und links) gleichermaßen am Prozess beteiligt und damit beiderseits die Zonen angesprochen sind: Wenn eine der beiden Seiten ganz bei der Sache und die andere zumindest leicht angeregt ist, zieht die „schwächere“ durch die Rückkopplung der berührten Reflexpunkte mit! Das gibt sich immer wieder darin zu erkennen, dass Patienten, die sehr „kopflastig“ ins Stress Release gegangen sind, am Ende einen Zugang zum Gefühl erleben, und umgekehrt: Wer eher emotional aufgewühlt war, geht oft mit einem kühleren Kopf und neuer Einsicht daraus hervor.

      Geringer Aufwand – hoher Wirkungsgrad

      Das ist nun wirklich eine höchst erstaunliche, ja, sensationelle Entdeckung für die therapeutische Begleitung: Eine minimale neuronal-reflektorische Intervention scheint den Menschen in die Lage zu versetzen, nach entsprechender Vorarbeit alte Erfahrungen, Denkmuster und Reaktionsweisen neu zu bewerten, sich von Prägungen zu lösen und in „festgefahrenen“ Lebensthemen neue Spielräume zu eröffnen …

      Es

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