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Der Teufel. Ute Leimgruber
Читать онлайн.Название Der Teufel
Год выпуска 0
isbn 9783766641243
Автор произведения Ute Leimgruber
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Hintergrund der Szene ist, dass Petrus massive Vorwürfe an Jesus richtet, als dieser von seinem bevorstehenden Leidensweg spricht. Petrus will ihn vor der nahenden Katastrophe bewahren, doch für Jesus heißt dies: Petrus will ihn von diesem Ja, von der Erfüllung des Willens Gottes abhalten. Es ist also ganz ähnlich wie bei der Versuchungsgeschichte: Es geht letztlich um den Versuch, Jesus zu einem Nein zu seinem ihm vorgezeichneten Weg zu bringen – das ist die satanische Versuchung Jesu, die er in dieser Aussage eindrücklich in Worte fasst. Und dieser Versuchung vermag der Sohn Gottes zu widerstehen.
Ein weiteres Mal erwähnen die synoptischen Evangelien den Satan in dem Gleichnis vom Sämann (Markusevangelium 4,13 – 20). Jesus erzählt hier, dass ein Sämann seine Körner sät. Allerdings fällt jedoch nur ein Teil der Körner auf guten Boden, der andere Teil landet auf dem Weg, wo er nicht aufgehen kann, oder er wird von Vögeln gefressen oder von Dornen überwuchert, sodass daraus nichts mehr wachsen kann. Die Körner bedeuten in der Bildsprache Jesu das Wort – er selbst deutet das Gleichnis folgendermaßen:
„Der Sämann sät das Wort. Auf den Weg fällt das Wort bei denen, die es zwar hören, aber sofort kommt der Satan und nimmt das Wort weg, das in sie gesät wurde“ (Markusevangelium 4,14 f.).
Satan ist also für den Misserfolg des gesäten Wortes Gottes verantwortlich. Jesus drückt damit die allgegenwärtige und so alltägliche Bedrohung seiner Sendung aus. Und diese Bedrohung führt der Autor des Evangeliums auf den Teufel zurück.
Doch hier wird ebenso wenig etwas über den Teufel selbst ausgesagt wie in einer anderen Begebenheit aus dem Leben Jesu: das Streitgespräch über die jesuanischen Dämonenaustreibungen, auch genannt Beelzebulstreit (Markusevangelium 3,22 – 30). Jesu Vollmachtstaten werden von seiner unmittelbaren Umgebung keinesfalls ungeteilt stürmisch begrüßt, im Gegenteil: Die Evangelisten drücken die Ambivalenz der Heilungen und Wundertaten immer wieder aus, indem sie die Gegner sprechen lassen; hier mit den Worten des Evangelisten Markus:
„Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt er die Dämonen aus“ (Markusevangelium 3,22).
Die Gegner Jesu, in diesem Fall die Schriftgelehrten, schreiben also die Wundertaten Jesu der Macht Satans zu. Jesus treibt Dämonen aus, er ist selbst exorzistisch tätig. Dass diese Exorzismen nicht wörtliche Beschreibungen eines historischen Vorgehens sind, darin ist sich die heutige Forschung weitgehend einig. Diese Exorzismen drücken vielmehr das Selbstverständnis Jesu aus: Er heilt nicht einfach nur wie ein wundertätiger Arzt, sondern seine Heilungen und Befreiungen sind zugleich Auseinandersetzungen mit der Macht des Bösen. In den jesuanischen Dämonenaustreibungen lässt sich die nahegekommene Gottesherrschaft zeichenhaft wahrnehmen; sein Verständnis, Sohn Gottes zu sein, findet hier erneut eine überdeutliche Aussage.
An den gegnerischen Angriffen im Evangelium wird aber auch sichtbar, dass ein Wundererweis eben nicht einfach so für sich spricht, er muss auch recht verstanden werden. Jesus selbst gibt ein weiteres Mal das richtige Verständnis seines Heilshandelns:
„Da rief er sie zu sich und belehrte sie in Form von Gleichnissen: Wie kann der Satan den Satan austreiben?“ (Markusevangelium 3,23).
Hauptaussage ist, dass überall da, wo die Macht des Bösen gebrochen wird, der Satan selbst keine Macht hat. Nicht das Böse kann das Böse besiegen, sondern nur das Gute. Es ist damit klar: Jesus steht nicht unter der Macht des Bösen; der Teufel bekämpft sich eben nicht selbst – andernfalls hätte sein Reich keinen Bestand. Das Böse hat keinen Heilssinn, in dem Sinne, dass es von Jesus benötigt wird, um Heil zu bewirken, sondern es existiert als Böses.9 Erneut sagt das Evangelium nichts über die Beschaffenheit des Teufels aus, sondern ordnet die Aussagen über das Böse in den Gesamtzusammenhang seiner Botschaft vom Sohn Gottes ein. Denn dass Jesus überhaupt Dämonen austreiben kann, erweist bereits den guten, d. h. göttlichen Ursprung seiner Vollmacht. Dem Ziel seiner Sendung entspricht auch das bekannte und vermutlich originale Jesus-Wort:
„Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Lukasevangelium 10,18).
Dieser Aufruf Jesu folgt im Evangelium auf den Bericht seiner Jünger, dass selbst die Dämonen ihnen Folge leisten würden, wenn sie nur den Namen Jesu aussprechen würden. Erneut wird also deutlich, in welchem Zusammenhang das Wirken Jesu und seiner Anhänger zu sehen ist. Mit ihrer Verkündigung ist die Gewalt des Bösen in der Welt grundsätzlich gebrochen, der Sieg über das Böse findet hier seinen Ausdruck. Satan ist gerade nicht mehr in der alttestamentlich-jüdischen Rolle, den Menschen vor Gott zu verklagen und Gewalt sogar über den Gerechten zu erbitten. Der Teufel ist aus dem Himmel herausgefallen, er ist nicht mehr an dem Ort der Machtfülle. Vielmehr sind dort nun die Jünger mit ihren Namen eingezeichnet (Lukasevangelium 10,20), das heißt, sie sind durch die Jesusnachfolge dorthin aufgerückt, wo zuvor der Satan war: in den himmlischen Bereich, vor Gott. Hier findet sich übrigens die alttestamentliche Charakterisierung des Teufels als Ankläger, als Dienstbote Gottes wieder. Und genau diesen Ankläger sieht Jesus „wie einen Blitz“ vom Himmel fallen. Satan ist aus der Nähe Gottes verbannt. Jesus drückt damit auch aus: Wer ihm nachfolgt, kann als Glaubender eine ganz besondere Heilserfahrung machen, er wird erfahren, dass Gott eindeutig der liebende Vater ist, der die Menschen rettet. Der Evangelist Lukas kommentiert also das Heilswirken dergestalt: Im Glauben ist das Böse entmachtet, denn es ist nicht mehr in der Sphäre Gottes, sondern endgültig besiegt.
Über die Teufelsgestalt als solche ist damit erneut nichts gesagt. Das Böse ist und bleibt ein Geheimnis. Auch wenn das Wort vom Satanssturz über die Entmachtung des Bösen spricht, so bleibt doch die Bosheit dieses Geheimnisses unverändert. Der jesuanische Sieg über das Böse bringt das Böse damit nicht zum Verschwinden. Die Glaubensgewissheit, dass bei Gott das Böse keinen Platz hat, verharmlost nicht das bleibend erfahrbare Böse und sein Geheimnis. Der Teufel ist in diesem christlichen Verständnis ein Geschöpf Gottes, aber er ist nicht mehr sein Dienstnehmer. Das Geheimnis des Bösen bleibt weiterhin in aller Schärfe bestehen. Darauf wird vor allem dann einzugehen sein, wenn die Frage nach einer zeitgenössischen Rede vom Bösen behandelt wird.
Der Teufel kann vor diesem Hintergrund auch nicht einfach als weltbildbedingte Mythologie „erklärt“ oder als bloße literarische Funktion beschrieben werden. Dazu sind die biblischen Vorstellungen zu prägend. Hinzu kommt, dass in der Theologie des vierten Evangeliums, des Johannesevangeliums, die Teufelsvorstellung einen stärkeren dualistischen Zug trägt und so den Befund noch vielschichtiger werden lässt. Hier erscheint der Teufel als „Fürst der Welt“ (Johannesevangelium 12,31), der seine Macht in der Welt durchgehend entfaltet. Doch auch wenn der Teufelsfigur eine größere Eigenständigkeit zugesprochen wird, ist immer klar, dass seine Macht, die er gegen Jesus und dessen Sendung richtet, durch ihn, den Sohn Gottes, bereits gebrochen ist. Aller nachfolgende Glaube der Christinnen und Christen ist sich gewiss: Die irdische Geschichte erscheint von Christus her als die Endzeit, in der die entscheidende Offenbarung stattgefunden hat. Das Böse hat keinen Platz bei Gott.
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