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scheint den Teufelsglauben so vieler Jahrhunderte undifferenziert im Kuriositätenkabinett der Kirchengeschichte entsorgt zu haben. Die traditionelle Vorstellung eines personifizierten Teufels wird zumeist als Anachronismus angesehen, denn vergegenwärtigt man sich den Erfahrungshorizont der meisten Menschen, so hat wohl die Erfahrung des Bösen, nicht jedoch eine dezidierte Rede vom Bösen oder gar vom Teufel ihren Platz. Dämonen- und Teufelsglauben gehören der Vergangenheit an. Der Terminus Teufel und die damit verbundenen Anschauungen scheinen für die Mehrzahl der Menschen ausgedient zu haben.

      Doch wie gesagt: Ganz so einfach ist es nicht. Die Prozesse der Entmythologisierung und der aufklärerischen Modernisierung haben ihre Gegenseite. Es ist eine Bewegung, die nach dem Scheitern der großen Ideologien (Kapitalismus, Marxismus) und angesichts einer allgegenwärtigen Bedrohung, wie beispielsweise durch den Terrorismus, schon länger zu beobachten ist. Zwar schwindet zunehmend traditionelle Kirchlichkeit (inklusive formeller Zugehörigkeit zu einer der Großkirchen), doch bedeutet dies nicht das Schwinden von Religiosität und religiöser Vorstellungen. Auch der Themenkomplex Teufel und Dämonen erfährt erneut Konjunktur. So wurde von verschiedenen Seiten von einer „Wiederverzauberung der Welt“, von einer „Renaissance des Bösen“ oder gar von einem „Comeback der Teufel“ gesprochen. Die Wiederbelebung des Glaubens an Engel, Teufel, Dämonen und andere übermenschliche Geister besonders auf dem Feld religiöser Bewegungen steht nur scheinbar im Gegensatz zu einem säkularisierten, aufgeklärten Zeitgeist. Der Hang zum Irrationalen ist letztlich das illegitime Kind des Rationalismus.

      In vielen religiös-fundamentalistischen Gruppen wird der Teufel zu jenen Traditionen gerechnet, die zum unbedingten Glaubensschatz zählen und unter allen Umständen zu erhalten sind. Der „Leibhaftige“ wird als ernst zu nehmender und realer Gegner betrachtet, gegen den zu kämpfen den Menschen befohlen sei. Ob er in Form von menschlichen Feinden auftrete, die zu vernichten oder wenigstens zu bekehren seien, oder als Dämon, der Menschen in Besitz nehmen könne – Unerklärliches vermag so erklärt und Unübersichtliches geordnet werden. Der Zulauf zu fundamentalistischen Gruppierungen am Rande der großen christlichen Kirchen gehört ebenso zur Erfolgsgeschichte des wiedererstarkten Bösen wie seine Position in Sekten und Freikirchen. Die Komplexität der tatsächlichen Verhältnisse wird rigoros beseitigt zugunsten einer eindeutigen Interpretation der Welt. Vom Teufel wird ein eindeutiges Bild entwickelt, gespeist durch ein wortwörtliches Verständnis der biblischen Schriften. Andersdenkende werden allzu rasch selbst dämonisiert und zu Gegnern erklärt: Es gebe nur die Möglichkeit „With us or against us“, wie es der ehemalige US-Präsident George W. Bush formulierte.

      Auch nicht-religiöse Diskurse widmen sich der Herausforderung des Bösen; gerade die Philosophie sieht sich gefordert. Der polnische Philosoph Leszek Kolakowski schreibt in seinem Buch Gespräche mit dem Teufel in einer berühmt gewordenen „metaphysischen Pressekonferenz“4, die Kategorie des Teufels als eine jahrhundertealte Tradition der Auseinandersetzung mit den Phänomenen des Bösen sei zu einer oft allzu lächerlichen Zweckrationalität zugunsten einer modernen Realitätssicht verkommen. Doch der philosophische Umgang mit dem Teufel stößt auf Schwierigkeiten, denn die Zuschreibung des Prädikats „böse“ gelangt letztlich immer an die Frage des Warum?, an die Frage von Verantwortung, Verursachung und Freiheit und an die Auseinandersetzung mit den Lösungsversuchen der Theologie. Gott wird letztlich zum Angeklagten der Vernunft. Albert Camus fasste dies in Worte:

      „Vor Gott gibt es weniger ein Problem der Freiheit als ein Problem des Bösen. Wir kennen die Alternative: Entweder wir sind nicht frei und der allmächtige Gott ist für das Böse verantwortlich. Oder wir sind frei und verantwortlich, aber Gott ist nicht allmächtig. Alle scholastischen Spitzfindigkeiten haben der Schärfe dieses Paradoxons nichts hinzugefügt und nichts genommen.“5

      Anstatt zahlreicher weiterer philosophischer Abhandlungen über das Böse soll an dieser Stelle nur ein Autor genannt werden: Rüdiger Safranski. „Man muss nicht den Teufel bemühen, um das Böse zu verstehen.“ Mit dieser programmatischen These beginnt er sein Buch Das Böse oder Das Drama der Freiheit6. Auch wenn er für sein Verständnis der bösen Wirklichkeit ausschließlich die Ambivalenz der menschlichen Freiheitserfahrung, also ein rein menschliches Phänomen der Wirklichkeitsbewältigung, anführt und somit die Geschichte des Bösen rational, ohne ein diabolisches Geheimnis zu bemühen, erfassen will – um die Diskussion des Teufels kommt auch er nicht herum. Doch der Teufel ist für ihn zentrales Symbol ideologischer Diktatur und Manipulation; religiöse Sprache und Hermeneutik seien in diesem Sinne zu ambivalent, um sie akzeptieren zu können. Symbolische und imaginative Wirklichkeitserschließung erfahren bei Safranski eine Radikalkritik. Das Böse wird hier einzig anthropologisch interpretiert: Das Paradigma der menschlichen Freiheit erscheint als Ausgangs- und Mittelpunkt jeglicher Reflexion über das Böse.

      Wendet man den Blick auf die breite Massengesellschaft und ihre Ausdrucksformen, sind Kategorien von Gut und Böse augenscheinlich. Die zeitgenössischen Bilder und Symbole des Bösen sind im säkularen Bereich stark durch massenmediale Darstellung und Multiplikation geprägt. Und es werden immer häufiger religiöse Versatzstücke und Symbole aus ihrem traditionellen Kontext gelöst und umgewidmet, so auch in beinahe inflationärer Weise die Begriffe Teufel oder teuflisch. Schlagworte insbesondere in der Werbebranche, die sich in hohem Maß religiöser Gefühle und Elemente bedient, wie „teuflisch billig“, „höllisch scharf“, „Putzteufel“ oder Ähnliches, gehören mittlerweile zur Alltagssprache. Es tauchen dabei Teufel(chen) auf, mit Hörnchen auf dem Kopf und einem schwarzen, wahlweise schwarz-rotem Umhang. Die Begriffe „Teufel“ oder „höllisch“ meinen dabei meist gar nichts Böses oder zu Verurteilendes. Sie sollen vielmehr den Gegensatz zu langweilig, brav, altbacken oder fade ausdrücken. Wer das entsprechende Produkt kauft, kauft gleichzeitig auch Leidenschaft, Verruchtheit, eben einen Lebensstil, der das genaue Gegenteil eines frommen, angepassten Lebens ist. Der Begriff Teufel dient dabei als Signal, um die Aufmerksamkeit eines kaum mehr zu reizenden Publikums wenigstens kurzfristig auf eine Sache zu lenken, sodass das Ziel, den Profit immer weiter zu steigern, mit immer neuen Variationen teuflischer Assoziationen erreicht werden soll. Dass die genuin religiöse Rede vom Teufel im Kontext des Glaubens dabei sinnentleert wird, ist unübersehbar.

      Neben dem Teufelsbegriff taucht auch die Teufelsfigur auf säkularem Hintergrund auf – es werden dabei bewusst religiöse Gefühle im Spiel mit Elementen der (christlichen) Tradition benutzt. Seit den 1970er-Jahren ist Satan eine Kultfigur im Horrorgenre und Garant für volle Kinokassen. Zahlreiche Filme voller populär-religiöser Versatzstücke variieren die Abgründe menschlichen Daseins und der unheimlichen Bedrohung durch transzendente Mächte. Garantiert und autorisiert wird dies durch Bibelzitate (vornehmlich der Offenbarung des Johannes) und christliche „Traditionen“ wie Hexenvorstellungen. Filme wie Rosemary’s Baby (Roman Polanski, 1967), Der Exorzist (William Friedkin, 1973 mit zwei Fortsetzungen 1977 und 1989), Das Omen (Richard Donner, 1975 mit zwei Fortsetzungen 1978 und 1982), Angel Heart (Alan Parker, 1986, mit Robert de Niro als Luzifer „Lou Cypher“), Im Auftrag des Teufels (Taylor Hackford, 1997, diesmal gibt Al Pacino den Teufel), Teuflisch (Harold Ramis, 2000), Constantine (Francis Lawrence, 2005) oder The Reaping – Die Boten der Apokalypse (Stephen Hopkins, 2007) sind nur wenige Beispiele für die noch immer anhaltende Erfolgsgeschichte okkulter Themen auf der Kinoleinwand.

      Ein Blick in die Bücherlisten der Verlage zeigt eine immense Produktion an (oft dubiosen) Schriften zu Themen wie Teufel, Engel, Dämonen etc. Zahlreiche Bücher pseudoreligiösen Inhalts und unwissenschaftlicher Natur – jedoch mit dem Anspruch auf Seriosität und Wahrhaftigkeit – befassen sich mit dem Problem des Bösen und der Existenz Satans: Ein schier unüberschaubares Angebot lässt auf eine entsprechende Nachfrage schließen. Mit immer neuen Enthüllungen und spektakulären Erkenntnissen wird ein gewaltiger Markt bedient, der in seiner Gier nach transrationalen Ungeheuerlichkeiten unersättlich scheint.

      Dem Bösen haftet mithin eine eigentümliche Faszination an, die sich auch immer wieder in okkulten Praktiken zeigt, die zumeist losgelöst von (christlicher) Religion und auf das vordergründig Wahrnehmbare (aber gerade eben nicht rational Erklärbare)

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