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Als wir euch das Königreich Zypern wegnahmen, haben wir euch die Hand abgetrennt; als ihr unsere Flotte zerschlugt, habt ihr uns den Bart versengt. Die abgetrennte Hand wird niemals nachwachsen, aber der versengte Bart wird noch dichter sprießen.«

      Und er hatte Recht.

      »Aber so ging der Großwesir auch mit seinen Leuten um«, sagte ich zu Pamuk, nachdem er mir diese Fakten erzählt hatte. »Als der neu ernannte Kapudan Pascha, der ihn sehr direkt bei der Erneuerung der Flotte unterstützte und der sich unter allen Umständen eine starke Armada wünschte und auch ausreichend sachkundig war, Zweifel an der Verwirklichung der Pläne und Anordnungen des Wesirs hegte, sah dem Chronisten zufolge der abschließende entscheidende Teil ihres Gespräches so aus:

      Kiliç Ali: ›Es ist leicht, Schiffe zu bauen, aber es ist in dieser kurzen Zeit unmöglich so viele Anker, Tauwerk und andere Ausrüstung heranzuschaffen.‹

      Mehmed Pascha: ›Macht und Reichtum der Hohen Pforte machen es, falls notwendig, möglich, Anker aus Silber, Tau aus Seidengarn und Segel aus Atlas und Samt herzustellen. Verlange alles von mir, was dir für ein Schiff fehlt, und du bekommst es.‹

      Auf diese Worte hin, so der Chronist, fiel der Admiral vor dem Wesir auf die Knie, mit ausgestreckten Armen, berührte mit Stirn und Handinnenflächen den Boden und sagte: ›Ich wusste, dass du der einzige bist, der eine neue Marine aufbauen wird.‹

      Pamuk und ich kamen gemeinsam zu dem Schluss, dass dies ein echtes Beispiel für eine Geschichte mit belehrendem Charakter ist. Beide Seiten des Konflikts haben zugelassen, dass sie die Eitelkeit überwältigt: Die Türken vor der Schlacht und die Europäer nach der Schlacht. Und beide Seiten haben diese Schwäche, jede auf ihre Art, mit historischen Konsequenzen bezahlt. Egal, wie geschickt und rasch sie diese Konsequenzen abzuschwächen, zu reduzieren und zu verbergen wussten – für dieses nachträglich gezeigte Geschick verdienten sie gar Lob (!) –, trotzdem hatten sie den nötigen Preis zu zahlen.

      7. KAPITEL

      Mit dem weiteren Vorrücken der osmanischen Truppen sollten sich die Worte des Großwesirs als sehr wahr herausstellen. Das Kriegsgeschäft dieser scheinbar unwichtigen Begleiteinheit offenbarte sich nicht nur als wichtig, sondern als unentbehrlich, ohne das hätte die Armee kein einziges Ziel erreicht. An so vielen Stellen galt es sumpfigen Boden zu überwinden oder einen Fluss zu überqueren, Dämme zu befestigen, Wälle zu errichten oder bereits existierende zu sichern, Gräben auszuheben oder zuzuschütten… Ohne die vielfältigen Ideen und das Geschick der Angehörigen dieser Einheit war es unmöglich, hohe Hindernisse zu überwinden oder Mauern zu zerstören. Dazu gehörten Vorrichtungen, Werkzeuge, Leitern, Plattformen, Geschütze, Selbstschussanlagen mit Steinen, Metallkugeln und brennbaren Materialien als Munition, seltsame Wagen und Rammen zum Aufbrechen von Festungstoren sowie eine Unmenge an Waffen, von denen Bajica weder gehört hatte noch wusste, wozu sie dienen. Doch vor allem stellte sich heraus, dass die Soldaten aus diesen Einheiten eigentlich besonderen Mut zeigten, denn sie bildeten häufig die Vorhut der kämpfenden Truppen, beim Rückzug aber auch die Nachhut. Sie waren natürlich nicht sich selbst überlassen, sondern wurden von anderen Einheiten geschützt, doch diese »Denker« traten mit unerschütterlicher Leidenschaft und Kühnheit dem Feind engegen.

      Das war Bajicas erster Eindruck von Sinan, der zugleich Wissen von anderen Gelehrten und Handwerkern anhäufte, Ideengeber war, Ratschläge erteilte und diese – wenn möglich – sofort in die Tat umsetzte. Gleichermaßen ließ er sich auf eine Schlacht ein, wobei er mehr die Mitkämpfer und deren Erfindungsgeist verteidigte, als dass er zum Angriff überging. Wenn nötig, offerierte er flink seine Ideen und war auch schnell in Aktion; in Stunden der Erholung und des Gesprächs mit Mehmed war er friedlich und ruhig. Mehmed fragte ihn über seine Erinnerungen an Belgrad vor fünf Jahren aus, über seine Pläne, über seinen Geburtsort, über Herkunft und Familie… Sinans Beharrlichkeit, die er selbst nicht besaß (nicht nur, weil er weitaus jünger war), sagte ihm zu. Sinan bot eine Erklärung für diese Art Sicherheit. Sie hatten in einem Dorf gelebt, dessen Bevölkerung zwar rein griechisch-orthodox war, das aber inmitten anatolischer Orte mit osmanischer Bevölkerung lag. Doch nicht einmal die Tatsache, dass er auf diesem Boden geboren war, bewahrte ihn vor dem Schicksal, das auch Bajica ereilte, der aus einem eroberten Land hierher gebracht wurde. Obwohl Sinan allein dadurch, dass er im Inneren des Reiches lebte, zu den Osmanen gehörte, war er wie ein Ungläubiger mit Gewalt von zu Hause entführt worden.

      Entscheidend blieb die Herkunft des Blutes und nicht des Bodens. Aber nicht einmal das bis zur letzten Konsequenz.

      In einem bestimmten Augenblick dachte Sinan darüber nach, dass er doch bei der Bewertung des jungen Mehmed dieselben Maßstäbe des Blutes und des (einstigen) Glaubens anwenden könnte, doch er besann sich schnell anders: Gewiss hatte das Einfluss auf seine tiefsinnigen Überlegungen über eine neue Freundschaft, aber es war nicht ausschlaggebend. Vor allem gefiel ihm die Offenheit, die Bajica ihm gegenüber sofort zeigte. Klar, in diesen Kriegswirren war der junge Mann auf jemanden getroffen, der bereits kampferfahren war, der wusste, was Angst ist und was Trauer, der sich aber auch in Fragen der Unstetigkeit der Herkunft von Körper und Geist auskannte. So war es ganz natürlich, dass sich dieser unsichere und verlegene junge Mann fest an ihn band. Allerdings war Sinan auch klar, dass das Chaos, das ein Feldzug von sich aus mit sich bringt, diese Konfusion hervorrief und dass sie keine übliche Eigenschaft Mehmeds war. Krieg bestand in erheblichem Maße aus Geräuschen von Gewehrsalven, lärmenden Kanonen, dem Zerteilen von Holz und Fleisch mit scharfen Äxten, von Stöhnen, Ermutigungsrufen, Todesschreien, Pferdegetrappel, Trommelwirbel, aus zarten Schalmeienklängen und schrillen Trompetentönen, selten gehörten sie zu einem Lied. Krieg bestand aus den durchdringenden Befehlen der Kommandeure und leisen Gebeten an den Allmächtigen in der Einsamkeit. All das vermischte sich mit den Klängen der Natur: dem Klang starken Regens oder eines Wolkenbruchs mit Gewitter, dem des schwelenden Lagerfeuers oder verheerender Brände, dem Rauschen der Bäche, Krachen der Brücken und Schiffe auf den aufgewühlten Flüssen und den Wellen der Meere … Niederlagen zerbrachen die Klänge, Siege erhoben sie zu lieblichen Melodien.

      Gewiss, Klänge konnten für eine Freundschaft nicht der entscheidende Faktor sein.

      Das Wesen gegenseitiger Anziehung entzog sich einer einleuchtenden Erklärung.

      Der immer häufigere Aufenthalt in Sinans Nähe führte dazu, dass Bajica die Unbilden des Feldzugs leichter ertrug. Er traf immer mehr Menschen, die sein jetziges Schicksal vor ihm zu ertragen hatten und denen es gelungen war, die Unbilden zu meistern, indem sie ihren Pflichten nachkamen. Nun schienen sie mit sich Frieden geschlossen zu haben. Auf dem Feldzug gegen Osijek sah er Hunderte, wenn nicht Tausende von Cerahoren und Martolosen, die beruhigend auf ihn wirkten. Das Cerahoren-Prinzip wirkte ganz stabil, obwohl diese militärischen Einheiten ausschließlich aus der einheimischen Bevölkerung, die in den Grenzprovinzen des Osmanischen Reiches rekrutiert worden waren, bestanden. Die Christen waren zumeist Handwerker aller Art: Maurer, Zimmerleute, Schmiede. Diese waren unverzichtbar und damit von höchster Bedeutung. Die anderen wirkten unterstützend. Eigentlich waren sie alle gemeinsam diejenigen, die die Armee aufrechterhielten. Wenn nötig, führten zusätzlich auch die Bewohner der umliegenden Dörfer, aber auch die osmanischen Soldaten selbst Arbeiten aus. Am häufigsten handelte es sich um Maurerarbeiten und um die Reparatur von Festungen, Brücken und Straßen, aber auch um das Bäumefällen, das Trockenlegen von Sümpfen, das Ausheben von Gräben und den Transport der Militärvorräte. Die Cerahoren erhielten Lohn und waren von einigen Steuern befreit, obwohl sie auf Kommando fast gewaltsam zugeführt wurden. Bajica kam es sehr seltsam vor, ab und zu ohne jegliche Zurückhaltung, geschweige denn Heimlichtuerei, die serbische Sprache hören zu können.

      Zusätzlichen Trost bot ihm die Bekanntschaft mit weiteren Militärkommandeuren. Darunter waren auch die, welche ihren serbischen Namen, ihren Glauben und alles, was dazugehörte, behalten hatten wie auch jene, die vor ihm bekehrt worden waren.

      Einer der Führer der Martolosen, der christlichen Einheiten, die hauptsächlich als Mannschaften für die eroberten, strategisch wichtigen Orte engesetzt wurden, von Befestigungen bis zu Brücken, Schluchten und wichtigen Kreuzungen, war der Kommandeur der Flussflotte Petar Ovčarević. Durch seine Haltung, seinen Mut, seine nicht vorhandenen

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