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Sie doch ins Wohnzimmer, da finden Sie Herrn Poppel auch. Vielleicht darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee kochen.«

      Nach Poppels Gesellschaft stand ihm ebenso wenig der Sinn wie nach dieser Küchenatmosphäre. Kleinbürgerlich, nannte er sie bei sich. Wie ganz anders war doch dagegen das Leben auf dem Lindenhof.

      Der Hund kam vorsichtig näher und schnupperte an seinem Schuh. Seine Schnauze sah aus, als wäre sie mit Marmelade in Berührung gekommen.

      Harro trug eine elegante graue Hose. Ärgerlich stieß er mit dem Fuß nach dem Tier. »Geh fort«, knurrte er dabei.

      Alles andere war das Werk weniger Minuten. Mit einem Schrei stürzte sich Stephanie auf den Mann. Bevor Harro wußte, was ihm geschah, hatte die Kleine ihre spitzen Zähne in seinen Oberschenkel gegraben. Und als Harro sich bückte, um sie fortzustoßen, gruben sich ihre Fingernägel in Harros Wange.

      War es ihm zu verdenken, daß er die Hand hob? Dem Kind eine schallende Ohrfeige versetzte?

      Der Hund schoß wie ein Pfeil auf den Mann zu, aber zum Glück hatte Herr Poppel gerade die Küche betreten und rief dem Hund einen scharfen Befehl zu.

      Der Hund gehorchte sofort, er warf sich platt auf den Boden, ließ kein Augen von dem Mann und knurrte bösartig.

      Poppel faßte sein Halsband, der alte Mann reckte sich und musterte Harro kalt.

      »In diesem Haus wird kein Kind geschlagen.«

      »Aber ich soll mich von diesem verzogenen Gör beißen lassen! Sehen Sie nur, was sie mit meinem Gesicht gemacht hat.«

      Das kleine Persönchen stemmte kriegerisch die Hände in die Seite. Stephanie trug eine winzige Spielhose und ein Blüschen, das einmal weiß gewesen war.

      »Du hast ihn getreten«, schrie sie, ihre Stimme überschlug sich vor Wut. »Großvater, ich mag den überhaupt nicht mehr. Nie, nie, nie mehr. Er hat Herrn Kaiser getreten«, weinte sie ihrer Mutter entgegen.

      »Was ist denn hier los? Den Lärm hört man ja im ganzen Haus.«

      »Er hat mich geschlagen«, schluchzte das Kind, »und meinen armen süßen Hund getreten.«

      »Dein Wortschatz ist wirklich erstaunlich«, murmelte Laura erschöpft. Stephanie hatte sich in ihre Arme geworfen. Über den Kopf des Kindes sah sie Harro an.

      Der war weiß vor Wut. Seine Lippen bildeten einen schmalen Strich.

      »Ich bin nicht gewohnt, von ungezogenen Kindern gebissen zu werden.« Seine Worte peitschten durch die Luft. »Sieh dir meine Wange an. Das Werk deiner Tochter. Vielleicht solltest du ihr mal die Nägel schneiden.«

      »Er hat ihn getreten«, schluchzte Stephanie, der es bei dem Gesicht der Mutter doch nicht ganz geheuer war.

      »Ich beneide dich nicht darum.« Harro mußte reden, er platzte sonst vor Wut. Die Worte überlegte er sich nicht, sie purzelten aus ihm heraus. Stephanie musterte er dabei, als wäre sie ein wildes Tier. »Nein, darum beneide ich dich nicht, dieses Kind zu erziehen. Mit einem alten Herrn, ohne Mann wird dir diese Aufgabe vermutlich über den Kopf wachsen.«

      »Genug, Harro. Ich habe nie geglaubt, daß du der richtige Vater für meine Tochter oder ein guter Partner für mich bist. Ich glaube, Harro, du weißt gar nicht, was Liebe ist. Liebe ist, wenn man den anderen mehr liebt als sich selbst.

      Aber du wirst dir selbst immer der Wichtigste sein.«

      »Danke für die Aufklärung. Ich denke, damit ist alles gesagt, was zu sagen ist. Ich darf mich wohl empfehlen.«

      Mit hoch erhobenem Kopf ging er durch die Küche, er sah niemanden an dabei.

      »Den Weg findest du ja allein, da brauche ich dich nicht zu begleiten.«

      Aber Herr Poppel ließ es sich nicht nehmen, ihm die Tür zu öffnen. Vielleicht wollte er aber auch nur sicher sein, daß er wirklich ging.

      Es wurde keine vergnügliche Mahlzeit, obwohl die Köchin sich doch alle Mühe gegeben hatte.

      *

      Stephanie schlief. Herr Poppel sah gerührt auf das Bild. In seinen Augen sah das Mädchen wie ein kleiner Engel aus. Herr Kaiser lag auf dem bunten Bettvorleger. Als er die beiden in der Tür stehen sah, wedelte er mit dem Schwanz, aber dann legte er seinen Kopf wieder auf die Pfoten.

      »Das solltest du malen, Laura.« Er seufzte, seine Stimme brach. »Manchmal glaube ich, ich träume das alles nur. Daß ich das alles in meinem Alter noch erleben darf.«

      Er machte eine weit ausholende Handbewegung, die das behagliche Kinderzimmer und auch Laura umschloß.

      »Ich bin so froh, Laura, daß es euch gibt.«

      »Und ich bin froh, daß es dich gibt, Joachim, durch dich bin ich unabhängig geworden, kann Geld verdienen mit einer Arbeit, die mir Freude macht und brauche mein Töchterchen nicht fortzugeben.«

      Sie gingen in das Geschäft hinunter, die Kiste stand noch immer auf dem farbenfrohen Hirtenteppich und wollte ausgepackt werden.

      »Wir machen es zusammen, Laura. Du gibst mir die Sachen an, und ich stelle sie auf den Tisch. Dann können wir in Ruhe überlegen, wie sie am vorteilhaftesten dekoriert werden.«

      Sie arbeiteten eine Weile schweigend. Aber die Frage brannte ihm auf dem Herzen.

      Er nahm den kunstvoll gearbeiteten Kerzenleuchter aus ihrer Hand, hielt ihn behutsam zwischen den Fingern: »Hat er dir weh getan, Laura?«

      Sie häufte die Holzwolle auf den Fußboden, verglich die Liste mit den Sachen, die schon ausgepackt waren.

      »Drei handgemalte Serviettenringe fehlen noch.« Sie pustete eine Locke aus der Stirn, vergrub die Hände in der restlichen Holzwolle und suchte die Teile, aber sie sah ihn an dabei.

      »Ich weiß es noch nicht«, sagte sie leise. Ihre Augen brannten, einen Moment hatte sie Angst, sie würde in Tränen ausbrechen. »Ich habe anfangs seine Besuche mehr genossen als in der letzten Zeit. Aber wenn du glaubst, daß er mir das Herz gebrochen hat, dann kann ich dich beruhigen. Ich weiß längst, daß er nur ein Freund für frohe Stunden ist. Er ist kein Mann, der mit mir durch dick und dünn geht. Vielleicht ist es nicht einmal seine Schuld. Es ist ihm bisher immer alles sehr leicht gemacht worden. Was er sich in den Kopf setzte, das bekam er auch.«

      »Kann es sein«, Poppel tastete sich behutsam vor, »daß deine Anziehungskraft nicht nur die alte Freundschaft ist, sondern mehr noch deine Persönlichkeit? Du tust längst nicht alles, was er will. Vielleicht reizt ihn dein Widerstand.«

      Sie zuckte nur die Achseln. »Vielleicht.« Sie seufzte ein wenig. Ein Lächeln nistete in ihren Mundwinkeln.

      »Manchmal kann das Leben schon sehr schwierig sein.«

      Sie hob den Kopf, und beide betrachteten das Auto, das vor dem Eingang hielt.

      »Wenn man vom Auto auf den Besitzer schließen kann«, Laura versuchte zu scherzen, »dann ist er ein recht zahlungskräftiger Kunde. Wir sollten versuchen, ihm den Davenport-Sekretär anzudrehen.«

      Im gleichen Augenblick stieß sie einen Laut aus, den Joachim Poppel noch nie von ihr gehört hatte.

      Er sah, daß sie kalkweiß geworden war, ja, sie zitterte sogar. »Das ist…« Ihre Stimme war nur ein Krächzen. »Es ist Julian. Großer Gott. Es ist Julian.«

      Poppel brauchte nicht fragen, wer Julian war. Er sah von Laura auf den Mann.

      Er war vor dem Eingang stehengeblieben und musterte interessiert das Haus.

      Er war groß, von einer lässigen Eleganz. Er trug eine beige Lederjacke, einen Schal lose um den Hals geknüpft.

      »Ich will ihn nicht sehen«, rief Laura in Panik. So kannte er sie gar nicht. »Nicht heute. Ich kann nicht…«

      »Aber, Laura. Er wird zufällig vorbei gekommen sein, oder glaubst du, daß er nach so vielen Jahren deine Adresse herausgefunden hat?«

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