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wurde der Kragen eng, er zerrte an der Krawatte, öffnete den Kragenknopf.

      »Ist Ihnen nicht gut, Herr Hartinger? Kein Wunder, bei der Hitze. Es sollte endlich wieder regnen. Mir setzt das warme Wetter auch mächtig zu. Aber ich bin zu dick, das braucht mir mein Arzt nicht zu sagen, das weiß ich selbst. Aber leider schmeckt mir das Essen so gut und einem guten Gläschen bin ich auch nicht abgeneigt. Ah, hier habe ich die Adresse. Ich wußte doch, daß ich sie finden würde. Ich bin nur leicht nervös, wenn jemand neben mir steht.

      Laura Wagenfeld.«

      Er hatte sich nicht geirrt. Es war Lauras Tochter…

      Weiter vermochte er nicht zu denken. Wie alt war das Kind auf dem Bild, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war?

      »Wollen Sie auch die Adresse?«

      Das Gesicht des Mannes gefiel Gutenberg überhaupt nicht. Geistesabwesend wirkte es, als wäre er mit seinen Gedanken weit fort.

      »Sehr gerne, Herr Gutenberg, wenn es keine Mühe macht.«

      »Ihr Interesse ist privater Natur, nicht wahr?« Gutenbergs freundliche Augen ruhten auf dem markanten Gesicht. »Ich weiß, daß Sie nicht die Absicht haben, mir Konkurrenz zu machen.«

      Julian zwang sich zu einem Lachen, aber seine Lippen waren so steif, als gehörten sie ihm nicht.

      »Da kann ich Sie beruhigen. Ich habe mit meiner Arbeit genug zu tun.«

      Er bekam die Adresse. Gutenberg schrieb sie auf einen Zettel, und Julian steckte ihn sofort in seine Brieftasche.

      »Ich habe noch eine Bitte.« Julian und Gutenbergs Blicke trafen sich.

      »Sie brauchen Sie nicht aussprechen, Herr Hartinger. Ich habe das alles schon vergessen. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Sie sehen krank aus, dann gehen Sie an die frische Luft. Sie können diesen Ausgang nehmen, dann brauchen Sie nicht durch die Ausstellungsräume zu gehen. Ich werde Sie bei Ihrem Fräulein Braut entschuldigen.«

      Sie ist nicht meine Braut, hatte er schon auf der Zunge, aber das war jetzt nicht wichtig. Das hielt ihn nur unnütz auf. Er und Helena waren nicht verlobt. Bisher war es ihm immer gelungen, sich davor zu drücken. Hin und wieder spielte er mit dem Gedanken, Helena zu heiraten. Sie war eine ideale Gastgeberin, sie sah blendend aus. Ein erfolgreicher Mann brauchte eine solche Frau an seiner Seite.

      Aber fünf vor Zwölf schreckte er davor zurück. Und noch immer war es ihm gelungen, Helena hinzuhalten.

      Er bedankte sich bei Gutenberg, der Mann war ihm sympathisch geworden. An der frischen Luft dehnte er den Körper und atmete tief die frische Nachtluft in sich ein.

      *

      Gebadet, gebürstet, von den lästigen Flöhen befreit, entpuppte sich der Hund erstaunlich.

      »Er gleicht einem Neufundländer«, stellte Lauras Mutter fest, die für zwei Tage zu Besuch gekommen war.

      »Es ist nicht wichtig, ob er reinrassig ist oder nicht«, erklärte Herr Poppel energisch. »Er ist der beste Spielkamerad für unsere Kleine. Es ist herrlich zu beobachten, wie sie mit ihm spricht. Ja, spricht. Unsere sprechfaule kleine Dame plappert ununterbrochen mit ihm.«

      »Sie haben recht, Joachim.« Frau Wagenfeld nickte amüsiert. »Es scheint, er ist hier der Kaiser. Stephanie hat kaum einen Blick für mich.«

      Herr Poppel und Frau Wagenfeld verstanden sich wunderbar.

      Frau Wagenfeld war froh, daß Laura den Mann zur Seite hatte. Seitdem Laura mit Herrn Poppel zusammenlebte, brauchte sie keine Angst mehr um sie zu haben.

      »Da hast du ja einen Namen für unseren Freund gefunden«, lachte Laura, die in die Küche kam. »Nennen wir ihn Herr Kaiser. Sag mal Herr Kaiser, Stephanie.«

      Die Kleine dachte gar nicht daran. Sie saß auf dem Fußboden, »Herr Kaiser« hockte vor ihr und ließ die Bauklötze und seine kleine Freundin nicht aus den Augen.

      Stephanie baute einen Turm und plapperte unaufhörlich dabei. Es sah aus, als verstünde der Hund jedes Wort.

      Wenn der Turm hoch genug war, krähte Stephanie vergnügt, Herr Kaiser hob die Pfote, und die Bauklötze flogen durch die Küche. Zusammen krochen sie über den Boden und sammelten die Klötze wieder auf.

      »Wirklich erstaunlich.« Frau Wagenfeld schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Hör doch mal, Laura, was erzählt Stephanie ihm?«

      »Eine Geschichte«, lachte Laura vergnügt. »Es sieht wirklich aus, als seid ihr beide abgemeldet. Habt ihr nicht Lust, bei diesem herrlichen Wetter spazierenzugehen, einmal ohne Hund und Kind?«

      »Ein guter Gedanke«, nickte Herr Poppel erfreut. »Aber natürlich nehmen wir die beiden mit. Dann kannst du dich hinter die Bücher klemmen, Laura. Bei diesem herrlichen Wetter wird kein Kunde kommen. Aber wir sind nicht traurig darum«, erklärte er rasch, als er Frau Wagenfelds ängstliche Augen sah. »Das Geschäft war in diesem Jahr sehr gut, wir haben wirklich keinen Grund zu klagen.«

      »Stephanie«, rief Frau Wagenfeld entsetzt. Die Kleine sah erstaunt die Großmutter an, die selten diesen energischen Ton für sie hatte.

      »Hunger. Er hat Hunger.«

      »Sie hat einen ganzen Satz gesagt«, strahlte Herr Poppel.

      »Aber sie fütterte Herrn Kaiser mit ihrem Butterbrot.« Laura wußte nicht, ob sie lachen oder entsetzt sein sollte. »Mal beißt sie vom Brot, mal er. Und seit wann frühstückt sie auf dem Fußboden?«

      »Mit Herrn Kaiser ist eben alles anders«, behauptete Poppel vergnügt. »Es wird ihr schon nicht schaden. Mach nicht so kummervolle Augen, Laura. Freu dich lieber, welche Fortschritte unser Kind macht.«

      Später saß er neben Frau Wagenfeld im Park. Sie beide sahen Stephanie zu, wie sie mit Herrn Kaiser über die Wiese tollte.

      »Sie ist bezaubernd.« Tränen des Glücks schimmerten in Frau Wagenfelds Augen. »Wieviel Schönes nimmt sich doch mein Mann.«

      »Das kann man wohl sagen. Spricht er nie über Laura? Fragt er auch nicht?«

      Es war heiß, sie saßen unter der breitästigen Kastanie, die ihren wohltuenden Schatten über sie warf. Stephanie hatte sich auf den Rasen gesetzt, das weiße Hütchen war verrutscht und der rote Spielanzug war voll Sand und Erde. Die kleinen Händchen pflückten Blumen, und Herr Kaiser sah ihr aufmerksam zu.

      »Er bereut sein Verhalten längst.« Frau Wagenfeld lehnte sich entspannt zurück. Hier in der Stadt, bei Laura und ihrem Töchterchen und Herrn Poppel war sie mehr zu Hause als in ihrer Villa im Dorf. Hier tankte sie. Hier gab es Menschen, die ihr zuhörten, die ihre Sorgen ernst nahmen, mit denen man lachen konnte.

      Und daß es immer was zum Lachen gab, dafür sorgte Stephanie. »Anfangs versuchte er, mir meine Fahrten zu Laura zu verbieten. Ich habe ihn einmal sogar ausgelacht. Wenn ich jetzt zurück bin, schleicht er um mich herum. Aber er fragt nicht. Hin und wieder lasse ich Aufnahmen liegen, daß er sie sehen muß. Bilder von Stephanie. Einmal ertappte ich ihn dabei, wie er das Bild in der Hand hielt. Als er mich sah, legte er es rasch zurück.

      Sein Stolz wird ihn noch einmal umbringen. Und leider hat Laura seinen dicken Kopf geerbt.

      Würde Laura den ersten Schritt tun, mit offenen Armen würde er sie empfangen, sie und das Kind.«

      Frau Wagenfeld seufzte.

      »Mein Mann wird im nächsten Monat 70 Jahre. Für ihn wäre es das schönste Geschenk, wenn Laura käme. Aber wenn ich das Thema anschneide, bekommt sie ihr eigensinniges Gesicht.«

      »Herr Erdmann ist in der letzten Zeit häufiger Gast bei uns.«

      Frau Wagenfeld warf ihm einen aufmerksamen Blick zu. »Sie mögen ihn nicht?«

      »Ich kenne ihn zu wenig, um ihn zu mögen oder nicht. Mir gefällt nur manches nicht an ihm. Er kommt, wann er will, erwartet, daß Laura immer Zeit für ihn hat. Ist gekränkt, wenn sie nicht sofort begeistert auf seine Vorschläge eingeht.«

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