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Mädchen?«

      Josie hatte ein Blatt obenauf gelegt, daß das Gesicht eines jungen Mädchens zeigte, das mit großen, ausdrucksstarken Augen den Betrachter anzuschauen schien.

      »Das ist Hanna«, antwortete Sebastian, mehr sagte er nicht. Und wie er es sagte, war klar, daß er nicht mehr zu sagen wünschte.

      Josie ordnete die Blätter, schloß die Mappe und zeigte zur Kapelle. »Darf ich mal sehen, was du gemacht hast?«

      »Ich hab’ nur ausgemessen«, antwortete Sebastian.

      »Du hast aber doch einige Farbentwürfe dabei gehabt.« Josie sah den jungen Maler fragend an.

      Der lächelte. »Du siehst wohl alles…!«

      Josie nickte. »Wenn es mich interessiert.«

      »Komisch«, sagte Sebastian, »andere Madeln in deinem Alter schauen in Modezeitschriften, und du schaust dir Entwürfe für ein Kapellengemälde an.«

      Josie lachte. »Mode kann schön sein, aber ich kann sie jeden Tag in irgendwelchen Zeitungen sehen. Bis vor drei Tagen hab’ ich ja nicht mal gewußt, daß es dich gibt. Daß ich da auf deine Arbeiten neugierig bin, liegt doch auf der Hand.«

      »Es ist nichts Besonderes«, erwiderte Sebastian, während er zu einer Rolle ging, in der ein zusammengerolltes Blatt mit dem Entwurf für eines der Wandgemälde war.

      »Was ist es denn…?«

      »Es zeigt die Jungfrau Maria«, antwortete Sebastian, »ein anderes Maria Magdalena. Beide verkörpern ja ein bissel des Gegensätzliche…!«

      »Hat denn die Kirche, ich meine, der, der zustimmen muß, nichts dagegen, daß in der Barbara-Kapelle Maria Magdalena abgebildet wird? Wäre die Heilige Barbara nicht das passendere Motiv?« Josie sah den jungen Maler fragend an.

      Der nickte sofort. »Natürlich wäre es das. Aber für eine Barbara hab’ ich noch kein passendes Gesicht.«

      »Was heißt das, du hast noch kein Gesicht…?«

      »Ich orientiere mich immer an real existierenden Menschen«, antwortete Sebastian. »Die Gesichter aller Entwürfe, auch die für die Jungfrau Maria und Maria Magdalena zeigen wen, den ich kenn’.«

      »Das ist interessant«, erwiderte Josie, wobei sie Sebastian bewundernd ansah.

      »Wenn… wenn du wirklich Interesse an meinen Arbeiten hast«, sagte der, »dann… nun ja, dann könntest du mich mal zu Hause besuchen. Ich wohn’ in Balding, das ist ganz in der Nähe.«

      »Das dürft’ ich…?« Josie schien es gar nicht glauben zu wollen.

      Doch Sebastian nickte heftig. »Ja sicher. Ich würd’ mich riesig freuen. Gar so viel Leut’ haben an meinen Arbeiten kein Interesse.«

      »Wo wohnst du denn…?«

      »In Balding. Das ist ganz in der Nähe.«

      »Hast du eine Karte? Dann kann ich dich anrufen und komm’ vorbei, wenn es dir paßt.«

      Sebastian lächelte. »Karte oder so was hab’ ich nicht. Du mußt dir meine Adresse schon aufschreiben. Und wenn du magst, dann kannst schon heut’ am Abend kommen.«

      Josie sah den jungen Maler eine Weile aufmerksam an, dann nickte sie lächelnd.

      »Ich komm’ heut’ abend«, sagte sie schließlich, »ich bin gegen sieben da, wenn es recht ist…!«

      *

      Rainer Bald hatte den Schock seines Lebens erlitten, als er ahnte, daß Biggi, seine Biggi, ihn mit einem anderen Mann betrogen hatte. Die Anzeichen waren derart unübersehbar gewesen, hinzu war Biggis plötzliche Gereiztheit gekommen, so daß es nur noch eine Frage der Zeit war, bis es zum großen Knall kommen würde.

      Das war jedoch nicht geschehen, vor allem weil Rainer nie eine Frage gestellt hatte, auch wenn er immer unruhiger geworden war. Dann, es war noch keine vier Wochen her, hatte er durch Zufall erfahren, mit wem Biggi ihn hintergangen hatte. Das war dann allerdings ein Schock gewesen, denn ausgerechnet Uwe, sein langjähriger Freund, Biggi kannte ihn auch schon mehrere Jahre, war derjenige welcher gewesen.

      Rainer hatte Uwe zufällig in ihrer ehemaligen Stammkneipe getroffen und Rainer war aufgefallen, wie nervös Uwe plötzlich gewesen war. Auch daß er unverhältnismäßig viel getrunken hatte, war Rainer aufgefallen, denn das war sonst nicht Uwes Art.

      Zuerst hatte Rainer gemeint, Uwe habe beruflich Probleme, denn Uwe hatte zwar auch Informatik studiert, doch nach dem Examen nichts damit anzufangen gewußt, ein wenig war er eine verkrachte Existenz.

      Bis Uwe sich plötzlich zu entschuldigen begann. Wort- und gestenreich war er dagestanden, hatte plötzlich Tränen in den Augen, was Rainer zuerst dem Umstand zugeschrieben hatte, daß Uwe ziemlich angetrunken gewesen war. Bis ganz deutlich wurde, was Uwe ihm sagen wollte, nämlich, daß er mit seiner Freundin Biggi geschlafen hatte.

      Als Rainer den Umstand begriffen hatte, fühlte er sich erstaunlicherweise zuerst erleichtert. Erst allmählich wurde ihm bewußt, daß nicht nur seine Beziehung zu Biggi zu Ende war, sondern auch seine Freundschaft zu Uwe.

      Wenn wer behauptete, daß eine Freundschaft belastbar sein müsse, dann mochte das durchaus sein, aber eine Belastung dieser Art vertrug sie seiner Ansicht nach nicht.

      Rainer hatte den Gedanken, ohne Kommentar aus der gemeinsamen Wohnung mit Biggi auszuziehen, rasch verworfen, zumindest eine saubere Trennung hatte er gewollt, wozu seiner Ansicht nach gehörte, daß Biggi mit ihm redete.

      Doch das hatte sie bisher nicht getan, und Rainer war inzwischen an einem Punkt angelangt, daß er auf eine Aussprache oder wie immer man es nennen wollte, keinerlei Wert mehr legte.

      An jenem Tag, als Josie morgens spontan in Richtung Barbara-Kapelle verschwunden war, wollte Rainer ins Lohtal. Was er dort wollte, hätte er nicht zu sagen gewußt, seiner Ansicht nach war es eine zufällig gewählte Tour, die er machen wollte.

      Luise hatte ihm den Weg beschrieben, denn er wollte zu Fuß gehen. Gerade als er sich auf den Weg machen wollte, Luise hatte ihm eine Wegzehrung eingepackt, kam Biggi dazu.

      »Willst du weg?« fragte sie, wobei ihr Blick unverhohlen ihr Mißfallen ausdrückte.

      Rainer nickte. »Ja, ich will weg.«

      »Wohin?«

      »Ich will eine Bergwanderung machen.«

      »Alleine?«

      »Ja, alleine…!«

      »Wieso sind wir eigentlich zusammen in Urlaub gefahren?« Biggi schrie, daß die Töpfe in Luises Küche zu wackeln begannen. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie in gleicher Lautstärke fort. »Glaubst du, ich merke nicht, daß du dich von mir absonderst? Unverschämt, wie du dich mir gegenüber benimmst.«

      Einen Moment lang sah es so aus, als würde Rainer sich umdrehen und wortlos die Küche verlassen. Doch er tat es nicht, lächelte Biggi sogar an und sagte: »Wenn du es nicht tust, sollte ich unserem Problem vielleicht mal einen Namen geben.«

      »Was soll das denn heißen?« herrschte Biggi ihn daraufhin an.

      »Ich bin letztens Uwe begegnet«, antwortete Rainer, »er hatte viel getrunken und war sehr redselig.«

      Binnen Sekundenbruchteilen wurde Biggi blaß wie die Wand, dann knallrot. Als sie sich schließlich wieder in der Gewalt hatte, starrte sie Rainer feindselig an und fragte: »Na und? Was hab’ ich mit Uwe zu tun?«

      Rainer lächelte. »Du mußt mir nichts erklären, wenn du das meinst, ich will gar nichts mehr wissen. Aber ich hätte mir gewünscht, daß du mit mir geredet hättest. Seit dem letzten November bist du total verändert und es gab eindeutige Anzeichen dafür, daß du eine Affäre hattest.«

      »Das ist eine Unver…!« begann Biggi wieder zu schreien.

      Doch Rainer winkte ab. »Hör auf herumzulamentieren. Du weißt es und ich

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