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Frachtcontainer, Eigentum von 54.000 Anlegern, die für diese Stahlboxen 3,381 Milliarden Euro bezahlt haben. Für das laufende Jahr 2018 stehen den Anlegern 331,4 Millionen an Mietauszahlungen zu, fällige Rückkäufe der Anlegercontainer durch P&R belaufen sich auf 542 Millionen Euro. Gesamtforderungen der Anleger 2018:873,44 Millionen Euro, die aus Vermarktung, Vermietung, An- und Verkauf der Stahlboxen durch die Schweizer P&R-Gesellschaft erwirtschaftet werden sollen. Soviel zu den monströsen Zahlen.4

      P&R kann an jenem 28. Februar 2018 nicht einmal die rund 90 Millionen an fälligen Mieten bezahlen. Geschweige denn die Rückkäufe der Anlegercontainer tätigen, die mit Ende der Vertragslaufzeit nach drei oder fünf Jahren Stück für Stück fällig sind.

      Warum die Zahlungen nicht möglich sind? Zu diesem Zeitpunkt stehen auch die Mitarbeiter in Grünwald vor einem Rätsel. Denn die 1,6 Millionen Container der Anleger sind in langfristigen, festen Mietverhältnissen bei den weltweit größten Leasinggesellschaften und Reedereien fest gebucht und verdienen fest kalkulierbares Geld auf den Weltmeeren. Jeden Tag. Informationen zu den Gründen der Insolvenz erhalten die Mitarbeiter nicht. Auch nicht die Anleger. Dabei gehen die Mitarbeiter in diesen knapp zwei Wochen seit der Zahlungsunfähigkeit bis zur Insolvenzmeldung durch die Hölle, wie ein Angestellter es formuliert: Tausende Anrufe von Anlegern, verunsichert, wütend, fordernd. Nicht selten persönlich drohend. Sie erhalten keine Information. Die Mitarbeiter haben selbst keine. Tausende Briefe in Postkisten – ungeöffnet. Vertragsrücktritte, Klageandrohungen, verzweifelte Briefe von Rentnern, die diese Einnahmen zum Leben brauchen. Es wird notwendig werden, einen privaten Sicherheitsdienst zu beauftragen: Wütende Anleger, die seit fünfzehn Tagen ohne jede Information sind, versammeln sich täglich vor dem Firmeneingang, manche schlagen wütend gegen die Scheiben, verlangen Einlass, ein Gespräch, Aufklärung, die Geschäftsführung. Journalisten belagern das Gebäude, Kameras, Mikrofone, im Garten schleichen Paparazzi herum, billige Boulevardmagazine privater Sender inszenieren später wütende Kunden am Eingang, um diese dann aus sicherer Entfernung zu filmen und für ihre Story zu missbrauchen, indem sie die verzweifelten Menschen bloßstellen. Es ist ein Film. Ein schlechter Film. Aber so läuft er ab. Und die Geschäftsführung mit Martin Ebben und dem Konzerneigentümer Heinz Roth? Abgetaucht.

      »Die haben ihre gesamte Belegschaft an dieser eskalierenden Kunden- und Öffentlichkeitsfront verbrannt, selbst zu feige, Gesicht oder wenigstens Stimme zu zeigen. Von Haltung nicht zu reden. Unsere Kolleginnen haben Angst. Manche weinen vor Angst in diesen Tagen.«

      So formuliert es ein Mitarbeiter, der dabei war.

      Am Donnerstag, den 15.03.2018, also wenige Tage vor der formalen Meldung der Zahlungsunfähigkeit, lässt der Geschäftsführer M. Ebben die rund 25 Mitarbeiter antreten. Im Erdgeschoss, im Konferenzraum. Er lässt es, neue Attitüde seit er im Juli 2017 überraschend Geschäftsführer geworden ist, formal per E-Mail durch seine Assistentin vermelden, dass die Geschäftsführung zur Versammlung in fünfzehn Minuten bittet. Eine jener gestelzt-aufgesetzten albernen Formulierungen, die er sich nach seinem märchenhaften Aufstieg vom Vertriebsmitarbeiter zum Konzernchef über Nacht wohl angeeignet haben soll – im Handbuch für Führungskräfte und Vorstände, wie im Flurfunk gescherzt wird. Statt einfach Martin bittet euch in den Konferenzraum.

      Ebben tritt allein auf. Konzerninhaber und Aufsichtsratschef Heinz Roth, seit zwei Wochen ohne ein Wort zur Belegschaft, ist erneut nicht dabei. Ebben, so der Eindruck, wirkt kleinlaut wie nie. Kleinlaut passt nicht zu ihm.

      »Wir können unsere Anleger nicht mehr ausbezahlen. Die Schweiz hat das Geld nicht. Die Mieten für unsere Anleger. Und bringt absehbar auch nichts bei. Wir haben die Zahlungsunfähigkeit der drei alten Container-Vertriebsgesellschaften jetzt beim Amtsgericht gemeldet.«

      Um dann zu betonen, dass die vierte Gesellschaft, die P&R TC, die er gegründet habe, gesund und zahlungsfähig sei. Er spricht von eben jener neuen, prospektpflichtigen P&R Gesellschaft, die erst seit 30.01.2017 vertreibt und wenige Wochen später ebenfalls zahlungsunfähig sein wird. Zusammen mit der P&R AG.

      Schweigen im Raum. Das Team ist paralysiert. Ohnmächtig. Vor den Kopf gestoßen. Niemand begreift die Situation. Trotz der vergangenen zwei Wochen. Aber es kann nicht sein, was nicht sein darf. Der Containermarkt ist stabil. Die Schweizer P&R erzielt Mieteinnahmen aus den Containern. 60-100 Cent/Tag und Container. 400 Millionen pro Jahr. Nur Mieteinnahmen für die deutschen Anleger. Und die Containerwerte? Es müssten rund 3,5 Milliarden aus 1,6 Millionen Containern sein. Wo ist das Geld? Und vor allem: Wenn die deutschen Gesellschaften in Folge der Zahlungsunfähigkeit der Schweizer P&R-Gesellschaft nun selbst zahlungsunfähig sind, wieso ist dann die Schweizer P&R, die den deutschen Anlegern das Geld schuldet, nicht insolvent? Fragen sind nicht erwünscht.

      Ebben fährt fort an jenem Morgen, er wirkt wieder selbstbewusster, wird in wenigen Minuten wieder zu dem Ebben werden, der er als Vorstand gerne sein möchte. Als Mann mit Plan und Idee. Er erzählt von einer schwierigen Situation, der gesetzlichen Vorgabe, Zahlungsprobleme zu melden, sobald sie erkennbar sind, damit keine Insolvenzverschleppung eintritt. Monate später wird Ebben selbst der Insolvenzverschleppung beschuldigt werden. Über rund 50 Mio. Euro, die er noch ausbezahlt hat Anfang März 2018. Obwohl P&R pleite ist.

      Ebben will positiv wirken. Ein Kapitän, der das Schiff durch schwere See lenkt. Und fantasiert sein Ziel, eine Insolvenz in Eigenverwaltung zu erreichen. Eigenverwaltung – also bleibt die Geschäftsführung, er, eingesetzt, der Insolvenzverwalter sieht ihm auf die Finger, vor allem aber: Insolvenzgericht mit Insolvenzverwalter sehen eine positive Prognose zur Restrukturierung. Ein realistisches Ziel, wie Ebben wohl betont. Das klingt für die Mitarbeiter nach etwas Hoffnung. Auch wenn die Wenigsten etwas davon verstehen. Die Lage scheint beherrschbar. Der Konzern sanierbar. Ebbens Aussagen der letzten Monate, man habe hier und da nur ein Liquiditätsproblem, scheinen sich zu bewahrheiten. Greifbare, konkrete Informationen zu den Gründen, zum Hergang, zur Situation, bleibt er schuldig. Der Form halber verfügt er noch ausdrücklich an diesem Tag, dass keine Informationen an Kunden und Presse gehen, keine vertraglichen Vorgänge mehr bearbeitet werden dürfen, keine Eigentumszertifikate oder sonstige Urkunden ausgestellt werden. Kundenfragen sollen mit dem Textbaustein beantwortet werden, dass zeitnah eine offizielle Pressemeldung herausgegeben werden soll.

      Ein leitender P&R Mitarbeiter beschreibt den gesamten Vortrag Ebbens später mit Kopfschütteln: Hohle Phrasen des gelernten Vertrieblers Ebben. Seine Verkäufer-DNA. Er glaubt, dass selbst in dieser Situation eine laut formulierte Phantasie-Propaganda über positive Aussichten genüge, damit die Situation selbst sich ändern würde. Self-fullfilling prophecy.

      Wenige Tage später, direkt nach der Insolvenzmeldung der drei ersten Gesellschaften, die allein 2,943 Milliarden an Anlegervermögen verwalten, also den Löwenanteil, wird Ebben erneut vor die Belegschaft treten. Bestens gelaunt. Lauter. Selbstbewusst. Wie er beschrieben wird. Er ist wieder der Alte. Er vermeldet, dass in einer Stunde der vorläufige Insolvenzverwalter, ein Dr. Jaffé mit Team, einlaufen wird. Dazu die Unternehmensberatung PWC, dazu eine weitere Anwaltskanzlei Ashurst als Verfahrensbevollmächtigte der insolventen Gesellschaften. Ebben grinst dabei »Wird voll hier.« Um dann, wohl langsam, fast genießend, zu wiederholen:

      »Wir restrukturieren. Vielleicht in Eigenverwaltung.«

      Er meint es sicher gut. Ähnlich hat sich auch der Konzernboss Heinz Roth dem Marketingleiter gegenüber unter vier Augen geäußert. Zwischen Tür und Angel. Flurbegegnung. Er ist sonst ja eingeschlossen in seinem Büro. Seit zwei Wochen. Alles ist nur ein formaler Akt. Restrukturierung ist das Ziel. Alles wird sich geben. Es ist ja möglich, bei all den Milliardenwerten, die vorhanden sind. Denkt sein Gesprächspartner.

      Nur wenige Minuten nach Ebbens Auftritt kommt Jaffé in Grünwald an. Es wirkt eher wie ein Staatsbesuch in einer Bananenrepublik: Jaffé, der bestellte vorläufige Insolvenzverwalter mit seinem Chauffeur und einem mehrköpfigen Stab im Schlepptau, die Unternehmensberater von PWC mit zirka sechs Personen, der für die vorläufig insolventen Gesellschaften beauftragte Prozess-bevollmächtige Anwalt. Sie alle machen sich breit, ihnen werden Arbeitszimmer zugewiesen, Rechner verkabelt, filmreif.

      Jaffé bestellt die Mannschaft ein. Stellt sich und seine beiden bei ihm angestellten Insolvenzanwälte Dr. Schuster

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