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herausstellten. Bilanz: 11.000 geschädigte Anleger, 240 Millionen Euro Betrugsvolumen. Aus prozessökonomischen Gründen wurde gegen die beiden Haupttäter der Vorwurf des schweren und bandenmäßigen Betrugs fallengelassen.

      WIRECARD, 2020: Spitzen-Manager erfanden Bilanz-Umsätze, um Kredite von Banken und anderen Investoren zu erschleichen. Auf ausländischen Treuhandkonten fehlten Milliarden, die in den Büchern ausgewiesen waren. Die Vorwürfe u.a.: gewerbsmäßiger Bandenbetrug, Untreue, Marktmanipulation. Der Ex-Vertriebsvorstand Marsalek ist weiter auf der Flucht, der Vorstandsvorsitzende Markus Braun in Haft (2-2020). Der Schaden beläuft sich nach Schätzungen auf 3,5 Milliarden Euro. Vergleichbar mit P&R stehen die Wirtschaftsprüfer, hier von E&Y, in der Kritik, die jahrelang die Bilanzfälschungen nicht entdeckt haben. Der BaFin wird vorgeworfen, wie bereits bei P&R, trotz zahlreicher Hinweise weggesehen zu haben. Felix Hufeld (BaFin-Chef) musste seinen Hut nehmen.

      Aber keiner dieser oder anderer Fälle ist vergleichbar mit dem Betrugsfall P&R, den vor allem zwei Umstände einmalig in der europäischen, wenn nicht weltweiten Geschichte der Kapitalmarktverbrechen machen:

      Zum einen reiht sich die Dimension des Betruges mit bis zu fünf Milliarden Euro plus mögliche Steuerschäden im Milliardenbereich in Dimensionen ein, wo normale Menschen die Stellen abzählen müssen, um die Zahlen zu erfassen. Zum anderen und vor allem aber, sind es die Anzahl und das Profil der Geschädigten: 54.000 Anleger. Fast ausschließlich Kleinanleger, die meisten über 60 Jahre alt. Menschen, für die zehn- oder zwanzigtausend Euro ein Vermögen darstellen, nicht selten angespart in einem langen Arbeitsleben als Absicherung für sich selbst, vielleicht für die Kinder. Alleinerziehende Mütter, die ihren Kindern eine Ausbildung ermöglichen wollten, Rentner, die ihr Altersheim damit bezahlen müssen.

      Darin lag die Brutalität, Rücksichtslosigkeit und Gier der Verantwortlichen begründet, die – das sei vorweggenommen – niemals ein Schuldbewusstsein gezeigt haben, geschweige denn ernsthaftes Bedauern, dass sie tausende von Kleinanlegern in schwerste Existenznöte gestürzt haben. Sie existierten in einer eigenen Parallelwelt, die keine Wahrnehmung der eigenen Schuld und der Verbrechen zulässt, in einer eigenen Realität, wo dieser vielleicht größte Betrug der deutschen Nachkriegsgeschichte einfach nicht stattgefunden hat. In jedem Fall: Für den sie selbst nicht verantwortlich sind.

      Und wenn Sie sich fragen mögen, ob der P&R-Skandal einfach eine weitere Variation des Genres um Wolf of Wallstreet ist, so darf man mit einem klaren Nein antworten. Viel subtiler, viel klüger haben die Betrüger agiert. Keine dekadente öffentliche Demonstration von Reichtum und Erfolg, keine Drogenparties, keine Prostituierten, keine Sauf- und Sexgelage mit der ganzen Mannschaft, kein repräsentativer Firmensitz, keine goldlackierten Maseratis, keine Exzesse.

      Bescheidenheit, Bodenständigkeit, Zurückhaltung. Im öffentlichen Auftreten ebenso wie in den angebotenen Renditen. Darin lag die subtil perverse Strategie, das uneingeschränkte Vertrauen all dieser konservativen, sicherheitsorientierten Kleinanleger zu gewinnen. Kleinanleger, die niemals spekuliert hatten, die nie gierig, sondern eigentlich nichts anderes als brave Sparer waren. Die Verantwortlichen: Keine Wölfe der Wallstreet. Gierige Wölfe im Schafspelz. Nie hat der Begriff besser gepasst.

      Diese Geschichte ist auch beispielhaft für die Naivität, die Arglosigkeit und am Ende auch die Hilflosigkeit, die so viele Betroffene heute auch im Selbstvorwurf empfinden mögen.

      Aber: Warum war der Milliardenbetrug nicht einmal für Mitarbeiter außerhalb der Geschäftsführer zu erkennen? Weil es keine Anhaltspunkte gegeben hätte? Viel einfacher: Ein Betrug in dieser Dimension war schlicht nicht vorstellbar.

      Viele Fakten liegen über tausende von Zeitungsartikeln, über die Pressemeldungen, die durchaus spärlichen Informationen der Staatsanwaltschaft und der Gutachten des Insolvenzverwalters auf dem Tisch. Aber all diese faktischen Informationen können den Jahrhundertbetrug um P&R nicht annährend erklären. Insbesondere nicht die Personen, die all das zu verantworten haben. Ihre Einstellungen, ihre Entscheidungen, ihre Haltung zu Geld und Anlegern und vor allem ihre unglaubliche Fähigkeit, alle zu täuschen.

      So ist die vollständige Geschichte um den Milliardenbetrug eine Geschichte, die wahrhaftig spielt im Münchner Millionärsvorort Grünwald, im Schweizer Steuerparadies Zug, im britischen Finanzdrehkreuz London, auf den berüchtigten Bermudas und dem Karibiktraum St. Barth. Es ist die Geschichte über unaussprechliche Gier, grenzenlose Brutalität, klügste Täuschung und den surrealen Glauben der Verantwortlichen an die eigene, gottgleiche Unantastbarkeit durch Recht und Gesetz.

      Viel Vergnügen bei diesem Buch wird man nicht wünschen können. Sarkasmus ist nicht angebracht. Vielmehr aber besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse nach Aufklärung, gerade im Kontext des 2020 aufgedeckten Wirecard-Skandals, der möglicherweise in der nun entdeckten Dimension hätte vermieden werden können, wenn aus dem monströsen P&R Skandal die notwendigen und klar bezeichneten Veränderungen in den auch staatlichen Finanzkontroll-Instrumenten erfolgt wären.

       Investmentfirma P&R: Anlegern droht Milliarden-Pleite.

      tagesschau.de-19.03.2018

       3,5 Milliarden Euro im Feuer: 50.000 Anleger bangen um Geld in Deutschlands größtem Anlegerskandal.

      FOCUS online-20.03.2018

       Riesen-Anlageskandal nimmt Fahrt auf. Chaos und tausende Phantom-Container bei Pleitefirma P&R

      manager-magazin.de-15.05.2018

       Wie bei P&R eine Million Container verschwinden konnten.

      manager-magazin.de-17.05.2018

       Investmentfirma P&R. Mehr als zwei Milliarden Euro – einfach weg.

      SZ.de-17.05.2018

       Die größte Anlegerpleite aller Zeiten droht.

      Frankfurter Rundschau-31.05.2018

       Der Betrug mit einer Million erfundener Container.

      DIE WELT-24.07.2018

       Anlegerbetrug mit Containern: "Da wurde Luft verkauft. "

      NDR.de-16.08.2018

       P&R Container, die es nie gab

      SZ.de-13.09.2018

       P&R: Container-Vermieter wohl schon 2010 pleite.

      spiegel.de-17.10.2018

       P&R-Gründer Heinz Roth ist festgenommen worden

      handelsblatt.com-13.09.2018

       2018

       Kapitel 1

       Eine Million Mal Luft verkauft

       Die letzten Tage eines Champions, der keiner war

      Am 19. März 2018 ist es offiziell: Drei P&R Container-Vertriebs- und Verwaltungsgesellschaften treten mit formaler Mitteilung des zuständigen Amtsgerichts München in die vorläufige Insolvenz ein. 3 Am 26.04.2018 werden eine vierte Vertriebsgesellschaft und die P&R AG folgen. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird ein Schwergewicht der Branche bestellt: Michael Jaffé, der zuvor bereits die Mega-Insolvenz um die Kirch-Gruppe abgewickelt hatte und heute, 2021, mit dem Wirecard Skandal beauftragt ist. P&R ist zahlungsunfähig. Zahlungsunfähig nun seit neunzehn Tagen, seit dem 28.02.2018, als über 50.000 Anleger ihre vertraglich garantierten, quartalsweisen Auszahlungen der Mieterlöse erwarten, die ihre Frachtcontainer erwirtschaften sollen. Sie werden vergeblich warten.

      P&R, jahrelang der absolute Star am deutschen Direktinvestment-Firmament, die absolute Nummer eins, Liebling der konservativen Kleinanleger, verwaltet mit insgesamt nur rund 25 Mitarbeitern zu diesem Zeitpunkt ein Milliardenvermögen an Frachtcontainern in seinen Geschäftssitzen im Münchner Millionärsvorort Grünwald und im Schweizer Steuerparadies Zug

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