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Im Nationalsozialismus: Vom bürgerschaftlichen Selbsthilfeverein zur gleichgeschalteten technischen Hilfstruppe der Ordnungspolizei

      Vor der Machtergreifung des verbrecherischen NS-Regimes repräsentiert der DFV reichsweit zwei Mio. Angehörige von Feuerwehren, darunter schätzungsweise 15.000 – 25.000 jüdische Mitbürger. Dann brennt der Reichstag, brennen Bücher [23]und später Synagogen. Den Feuerwehren bringt das sogenannte »Dritte Reich« unter der NS-Diktatur vordergründig manchen technologischen Fortschritt, im weiteren Verlauf jedoch einen tiefen moralischen Fall. Als in den Tagen vom 7. bis10. November von den Schergen des NS-Regimes die Synagogen angezündet werden, verweigern die deutschen Feuerwehren erstmals in ihrer damals zwischen 50 und 90 Jahren währenden Tradition einer gesamten Bevölkerungsgruppe gegenüber das selbst gegebene Gebot der Nächstenhilfe in der Not. Manche beteiligen sich sogar aktiv an der verbrecherischen Brandstiftung (vgl. Engelsing, 1998).

      Die Schlagkraft der Feuerwehren wird durch eine technologische Aufrüstung und strukturelle Zentralisierung erhöht. Dies geschieht seitens des NS-Regimes jedoch nicht aus Nächstenliebe, sondern in bewusster Vorbereitung eines von Anfang an geplanten, verbrecherischen Angriffskrieges, mit dem das Deutsche Reich ab 1939 die europäischen Nachbarländer überfallen wird. Die Einrichtung des zivilen Luftschutzes ist zwar bereits 1926, d. h. in der Weimarer Republik, in Angriff genommen worden. Die grundlegende und umfassende Umstrukturierung des öffentlichen Feuerlöschwesens unter den Gesichtspunkten des Letzteren ist jedoch mit eiskaltem Kalkül als unmittelbar kriegsvorbereitende Maßnahme erst unter den Machthabern des NS-Regimes und dessen willfährigen Gehilfen forciert und umgesetzt worden (vgl. Linhardt, 2002). In diesem Zusammenhang erhält manche Feuerwehr in Form einer Tragkraftspritze ihr lang ersehntes erstes motorisiertes Gerät. Dies bringt den neuen Machthabern seitens der Wehren viel Sympathie ein, erkennen doch die wenigsten die verwerfliche Intention hinter dieser Maßnahme.

      Die sukzessive Gleichschaltung der Feuerwehren als eine paramilitärisch strukturierte technische Hilfstruppe der Ordnungspolizei bis hin zum ersten reichsweit einheitlichen Feuerlöschgesetz in 1938 wird tragischerweise vielfach als Aufwertung bzw. als längst überfällige staatliche Anerkennung empfunden und nicht als eine Beschneidung der demokratischen Selbstorganisation, die sukzessive alle Ebenen von der kleinen Dorffeuerwehr bis hin zum 1936 aufgelösten Deutschen Feuerwehrverband umfassen wird (vgl. Engelsing, 1999; Leupold & Schamberger, 2015; VFDB, 2012; Keine, 2018; Internationale Arbeitsgemeinschaft für Feuerwehr- und Brandschutzgeschichte im CTIF, 2004). Nahezu alle erhaltenen Quellen belegen eine meist freudige Begrüßung der »nationalen Erhebung«. Auf Landesebene sei hier exemplarisch aus dem Glückwunschtelegramm des badischen Feuerwehrverbandspräsidenten an Gauleiter Robert Wagner zitiert, dass er, der Gauleiter, »in wenigen Wochen der gesamten Bevölkerung die nicht mehr zu erschütternde Überzeugung einzubringen vermochte, daß hier der geborene Staatslenker am richtigen Platz steht.« (vgl. Engelsing, 1999).

      [24]Natürlich wissen wir nicht, was hierüber die einzelnen Feuerwehrmänner gedacht haben. Diesbezüglich hat sicherlich die Bandbreite persönlicher Einstellungen deutlich variiert. Festzustellen bleibt jedoch, dass sich eine Vielzahl an Feuerwehren ohne erkennbaren Widerstand in politisch motivierte Kundgebungen einbinden ließ, ebenso wie in die propagandistischen Verbrennungsaktionen von missliebigen Büchern oder in das Niederbrennen der deutschen Synagogen, sei es mittel- oder unmittelbar als mehr oder weniger aktiv Beteiligte. Den jüdischen Feuerwehrangehörigen steht ein schmerzensreicher Leidensweg bevor, der von der Ausgrenzung (nicht nur aus ihren jeweiligen Wehren), über organisierte Demütigungen, die systematische Entrechtung, Enteignung bis hin zur persönlichen industriell organisierten Ermordung führen wird. Exemplarisch sei hier nur auf die minutiös aufgearbeiteten tragischen Schicksale der jüdischen Feuerwehrkameraden Ernst Frenkel aus Lemgo und Jakob Sichel aus Würzburg hingewiesen (Wegener et al., 2013). Auch nichtjüdische Mitglieder wurden nun mancherorts aus den Reihen der Wehr entfernt. »Führer der Feuerwehr und einfache Mitglieder, die Mitglieder ›regierungsfeindlicher‹ Parteien seien, müßten die Wehr verlassen, denn sie genössen in der Ausübung der öffentlichen Aufgabe nicht mehr das Vertrauen der Polizeibehörden. Bleiben könne […], wer beispielweise der SPD angehört, sich aber parteipolitisch nicht betätigt habe und weiterhin das Vertrauen seiner Mannschaftskollegen genieße.« (Engelsing, 1999, S.125).

      Unbestritten bleibt die ebenso immense wie opferbereite Hilfeleistung der Freiwilligen wie der Berufsfeuerwehren bis hin zum verzweifelt-aussichtslosen Versuch der Bekämpfung von Feuerstürmen nach den alliierten Flächenbombardements deutscher Städte. Auch hier neigen die deutschen Feuerwehren ebenso wie die breite Öffentlichkeit dazu, die Schuld eher beim alliierten Bombercommand zu suchen als bei einem Regime, das sich geweigert hat, einen spätestens mit der Niederlage von Stalingrad am 02.02.1943 aussichtslos verlorenen Krieg zu beenden und stattdessen seine eigene Bevölkerung (und darunter eben auch die Feuerwehrmänner an der Heimatfront) zunehmend schutzlos den Vernichtungswellen der Bombenangriffe ausgeliefert hat. Dazu gehören fatalerweise auch Jungen und Mädchen. Leben und Gesundheit der Jungen werden in sogenannten Feuerwehrscharen im HJ-Streifendienst geopfert, während die Mädchen in neu gebildeten Frauenabteilungen ihren gefährlichen Einsatz versehen.

      [25]1.7 Neuanfang nach dem 2. Weltkrieg: Zwischen Kontinuität und Verdrängung

      Der Neuanfang der deutschen Feuerwehren erfolgt in vier verschiedenen, vom Alliierten Kontrollrat der Siegermächte verwalteten, Besatzungszonen. Österreich wird wieder in seine staatliche Eigenständigkeit entlassen und die nach der Konferenz von Jalta abzutretenden deutschen Ostgebiete sind nach dem Krieg anderen Staaten zugeschlagen worden. Deshalb kann auch der für 1937 in Danzig anberaumte 22. Deutsche Feuerwehrtag nach dem Krieg nicht an diesem Ort nachgeholt werden. Es soll noch bis 1953 dauern, bis sich die Feuerwehren der jungen Bundesrepublik wieder zu einem Deutschen Feuerwehrtag in Ulm treffen können.

      Die Feuerwehren in der sowjetischen Besatzungszone, ab 1949 Staatsgebiet der DDR, übernehmen unter veränderten politischen Vorzeichen für ihre Feuerwehren weitgehend die zentralistischen Verwaltungsstrukturen, die unter dem NS-Regime geschaffen worden sind.

      Auch in den westlichen drei Besatzungszonen etablieren sich die deutschen Feuerwehren vorerst nach den jeweiligen Vorgaben ihrer Besatzungsmächte. Besonders die Franzosen taten sich mit der Zulassung freiwilliger, selbstverwalteter Feuerwehren anfangs schwer, hatten sich doch in Frankreich während des 2. Weltkrieges Teile der französischen Resistance gar aus den Feuerwehren rekrutiert bzw. immer wieder Zuflucht bei den Feuerwehren gefunden. Nun hat man Angst, dass sich Teile der 1944 von der SS gebildeten NS-Untergrundorganisation »Werwolf« bei den deutschen Feuerwehren verstecken und von dort aus aktiv werden könnten (vgl. Schamberger, 2003).

      Die pastellfarbige Verdrängungskultur des »motorisierten Biedermeier«, so die treffende Charakterisierung der bundesdeutschen Wirtschaftswunderjahre der Adenauer-Ära, wird nur allzu gerne auch von den Feuerwehren gepflegt (vgl. Homann, 1999). Man tut sich schwer, sich selbst den ganz persönlichen Anteil am Verlauf der Geschichte der NS-Zeit zu vergegenwärtigen und auch nach außen hin anzuerkennen. Tobias Engelsing, aktiver Feuerwehrkamerad und promovierter Historiker, skizziert wie bis in die 1990er Jahre hinein vor allem ältere Funktionäre an einer Aufarbeitung der Vergangenheit Anstoß nehmen und eine kritische Auseinandersetzung mit militärischen Traditionen verweigern (Engelsing, 1999).

      1961 tritt Albert Bürger auf dem 23. Deutschen Feuerwehrtag in Bonn-Bad Godesberg erstmals – in Abstimmung mit dem Bundespräsidialamt – in der Uniform eines Zweisternegenerals der damals erst vier Jahre jungen Bundeswehr auf, nur aus preußisch-feuerwehrblauem Tuch geschneidert. »Hintergrund war das Bemühen, [26]die Stellung der deutschen Feuerwehren auf diplomatischen Empfängen und entsprechend internationalen Anlässen adäquat zu repräsentieren und ihren Vertretern einen ihrer politischen Gewichtung nach außen hin sichtbaren Ausdruck zu verleihen.« (vgl. Schamberger, 2003, S.154).

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