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Sie fühlte sich tatsächlich wieder besser, wie es oft nach einer depressiven Phase der Fall war.

      Im Grunde hatte sie immer eine positive Einstellung gehabt, nur in den Tag gelebt und nicht an die Zukunft gedacht. Und jetzt wollte sie nicht über Carlos nachdenken und was er treiben würde. Ihre Stimmung wurde nahezu euphorisch, als sie Monte Carlo erreicht hatte. Es ging alles glatt. Sie konnte wieder eine Terrassenwohnung mieten in dem Haus, in dem sie früher schon gewohnt hatte, denn Adrienne, die Sekretärin des Hausverwalters, war ihr wohlbekannt. Sie wurde mit größter Freude und sehr zuvorkommend empfangen. Adrienne, kurz Jenna genannt, war nur drei Jahre älter als Michelle, hübsch und intelligent, und sie war immer auf dem laufenden, was in Monte Carlo so passierte.

      »Sie kommen allein, Madame?« sagte sie nebenbei. »Ich habe gelesen, daß Sie geheiratet haben.«

      »Mein Mann filmt irgendwo«, erwiderte Michelle leichthin. »Wie wäre es, wenn Sie mich ab und zu abends begleiten würden, Jenna. Zum Beispiel ins Casino?«

      »Sie wollen spielen?« fragte Jenna erschrocken. »Tun Sie das nicht, mein Vater hat uns damit ruiniert, sonst würde ich hier nicht mein Brot verdienen müssen.«

      »Ach was, ich habe nie verloren, und Sie haben keine Kosten.«

      »Ich würde mich ganz gern mal

      ein bißchen umschauen«, gestand Jenna ein

      »Sie waren noch nie im Casino?«

      »Was meinen Sie, was ich verdiene, und ich muß auch noch für meine Mutter sorgen.«

      Michelle hatte sich bisher noch nie Gedanken darüber gemacht, wieviel besser es ihr ging als anderen Menschen. Sie sah Jenna forschend an. Was mochte sie wohl für geheime Wünsche haben?

      »Ich weiß nicht, ob ich ein passendes Kleid für einen Casinobesuch habe«, gestand Jenna stockend.

      »Suchen Sie sich eins von meinen heraus, wenn Sie mir beim Einräumen helfen«, erwiderte Michelle lächelnd. »Ich werde mir hier sowieso ein paar neue kaufen.« Als sie es gesagt hatte,

      kam es ihr plötzlich überheblich vor.

      »Ich bin momentan so rastlos«, sagte sie entschuldigend. »Ich brauche dauernd etwas Neues, um mich in Laune zu halten. Verstehen Sie das?«

      Jenna hatte einen hellwachen Blick, und sie stellte fest, daß Michelle erschöpft aussah. Sie war nicht mehr das strahlende Wesen, das sie von früher kannte. Sie machte sich Gedanken, aber sie zeigte es freilich nicht, daß sie besorgt war.

      »Es gibt solche Stimmungen, ich kenne das«, sagte sie nur.

      »Ich werde mich erstmal richtig ausschlafen«, sagte Michelle. »Haben Sie morgen abend Zeit, Jenna?«

      »Ja, das kann ich einrichten.«

      »Fein, dann suchen Sie sich jetzt ein Kleid aus. Vielleicht muß es noch ein bißchen geändert werden, aber wir haben ungefähr die gleiche Größe, das sehe ich.«

      Jenna sah, daß sie um einiges dünner war, ihre Kleidung aber sehr locker saß, was sie zu der Vermutung brachte, daß Michelle in letzter Zeit abgenommen hatte.

      Die Kleider entsprachen alle der neuesten Mode und waren sehr geschmackvoll und von dezenter Eleganz, natürlich auch entsprechend teuer. Jenna scheute sich, auf eines zu deuten.

      »Das würde Ihnen bestimmt sehr gut stehen, Jenna«, sagte Michelle und hielt ihr ein reinseidenes buntes Kleid in Pastellfarben vor die Figur.

      »Es ist viel zu kostbar«, sagte Jenna leise, die gerade noch gedacht hatte, wie gern sie einmal ein solches Kleid tragen würde. Michelle schien ihre Gedanken gelesen zu haben.

      »Ach was«, sagte Michelle leichthin, »mir ist es zu lang, Sie sind etwas größer. Ich freue mich, daß Sie mich begleiten wollen.« Sie schenkte ihr ein reizendes Lächeln. »Ich werde mich richtig ausschlafen, damit ich morgen fit bin.«

      Jenna bedankte sich verlegen, aber mit einem Leuchten in den Augen, das Kleid mit aller Vorsicht haltend. »Wenn Sie Wünsche haben, Sie brauchen nur durchzurufen, Madame.«

      »Sagen Sie doch einfach Michelle, Jenna.«

      Jenna errötete. »Wenn ich darf, sehr gern«, erwiderte sie.

      *

      Mona war mit sehr gemischten Gefühlen zu Philipp gegangen. Ihr fiel Maries besorgte Miene gar nicht gleich auf, weil sie mit ihren eigenen Gedanken so beschäftigt war. Aber Marie platzte gleich mit der Nachricht heraus, daß Michelle weggefahren sei.

      »Einfach so«, sagte sie, fast empört. »Als ob das nichts wäre.«

      »Wohin ist sie denn gefahren?« fragte Mona gedankenlos.

      »Irgendwohin, sie bleibt länger. Kaum ist sie hier, ist sie schon wieder fort. Was ist nur mit ihr los?«

      »Ich weiß es auch nicht, Marie. Philipp ist noch gar nicht zu Hause?«

      »Da ist er schon«, tönte seine Stimme von der Tür her. »Werde ich bereits vermißt? Das ist aber nett.«

      Er küßte Mona vor Maries Augen, was er noch nie getan hatte.

      Mona war sprachlos. Sie mußte erst nach Luft schnappen.

      »Ich habe eben erfahren, daß Michelle verreist ist«, sagte sie stockend. Und ihre Gedanken waren schon dabei, wie sie es ihm sagen sollte, daß es sehr ernst um Michelles Gesundheit stand.

      »Sie ließ es mich wissen. Sie rief kurz an. Hätte ich es ihr verbieten sollen?«

      Er sah Monas ernstes Gesicht, ihren besorgten Ausdruck. Er nahm ihren Arm und ging mit ihr ins Wohnzimmer.

      »Wann möchten Sie essen?« fragte Marie hinter ihnen her.

      »In einer Stunde. Ist dir das recht, Mona?«

      Sie nickte und fragte sich, ob sie dann überhaupt noch Appetit haben würden.

      »Machst du dir Gedanken über Michelles Ehe?« fragte Philipp.

      »Nein, über ihre Gesundheit.« Nun war es heraus.

      Philipp sah sie erstaunt an.

      »Sie ist nervös, und wahrscheinlich ärgert sie sich auch über sich selbst. Das ist doch verständlich.«

      »Es ist etwas anderes. Sie war bei Dr. Norden. Es geht nicht um die Schwangerschaft, Phil. Sie hat einen Virus, der nicht in den Griff zu bekommen ist.«

      »Beim heutigen Stand der Medizin, das kann ich nicht glauben.«

      »Dr. Norden ist sehr gewissenhaft, und sie war auch bei Dr. Leitner. Die Laborbefunde sprechen von einer schweren, ernsthaften Erkrankung.«

      »Aber dann würde sie doch nicht einfach herumreisen, Mona.«

      Sie kannte ihn, er wollte Unangenehmes nicht wahrhaben. Er war ein Optimist, der niemals schwarzsehen wollte. Und er hatte Vertrauen zu Dr. Norden, wie auch zu ihr.

      »Dr. Norden wird ihr doch gesagt haben, was sie tun und was sie lassen muß«, fuhr er fort.

      »Sie hat die Befunde nicht abgewartet. Ich habe davon gerade erst erfahren.«

      Er sah sie fragend an. »Du scheinst es sehr ernst zu nehmen, Liebes.«

      »Das muß ich, das müssen wir. Wenn nicht ein Mittel gefunden wird, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen.«

      Er wurde ganz blaß. Er sagte nichts, schüttelte nur immer wieder den Kopf.

      »Aber wir können doch nicht einfach nur zusehen«, sagte er leise. »Was können wir denn tun, Mona?«

      »Ich weiß es auch nicht. Daniel Norden will sich etwas einfallen lassen, wenn er sich ein Gesamtbild gemacht hat. Wir werden natürlich alles Mögliche versuchen, aber dazu müssen wir sie erreichen und sie muß mitmachen, Phil.«

      »Und wenn sie Bescheid weiß, vielleicht instinktiv, und sich schon aufgegeben hat?«

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